Sowohl die Fahrt zur Arbeit als auch die Heimfahrt sind keine betrieblich veranlassten Tätigkeiten. Passiert während dieser Zeit ein vom Arbeitnehmer verursachter Unfall mit einem Dienstwagen, kommen die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts über die Haftungserleichterung nicht zur Anwendung. Etwas anderes gilt bei einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Assistentin der Geschäftsleitung angestellt. Sie erhielt einen Dienstwagen, den sie auch privat nutzen durfte. Ergänzend zum Arbeitsvertrag schlossen die Parteien in Bezug auf den Dienstwagen einen KFZ-Überlassungsvertrag. In diesem Vertrag war unter anderem die Schadensersatzpflicht der Klägerin bei Beschädigung des Dienstwagens geregelt. So sollte die Klägerin bei vorsätzlicher Beschädigung des Dienstwagens vollumfänglich haften. Bei lediglich leichter Fahrlässigkeit sollte keine Haftung bestehen. Bei mittlerer Fahrlässigkeit war eine „angemessene“ Beteiligung am Schaden vorgesehen. Im Übrigen sollten die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze über die privilegierte Arbeitnehmerhaftung gelten.
Die Klägerin verursachte mit dem ihr überlassenen Dienstwagen insgesamt zwei Unfälle. Der erste Unfall ereignete sich auf dem Weg zur Arbeit. Bei diesem Unfall fuhr die Klägerin so nahe an einem parkenden Auto vorbei, dass der Autospiegel des parkenden Autos abriss. Der zweite Unfall ereignete sich, als die Klägerin sich auf den Heimweg von der Arbeit machte. Die Klägerin parkte rückwärts aus und schlug die Lenkung zu früh nach rechts ein. Dabei stieß sie gegen das benachbarte parkende Fahrzeug und beschädigte dieses. Den in beiden Unfällen entstandenen Schaden hat die Haftpflichtversicherung für den Dienstwagen reguliert. Kurz nach dem zweiten Unfall wurde das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin beendet. Die Beklagte nahm bei den beiden letzten Gehaltsabrechnungen Abzüge für die von der Klägerin verursachten Unfälle vor. Von dem entstandenen Schaden (Erhöhung der Versicherungsprämie wegen Rückstufung, Sachverständigenkosten usw.) machte die Beklagte bei der Klägerin die Hälfte geltend. Die Beklagte ging von einer hälftigen Schadensbeteiligung aus, da sie der Klägerin mittlere Fahrlässigkeit vorwarf. Die Abzüge erfolgten unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen. Die Klägerin war hiermit nicht einverstanden. Sie selbst ging von einer leichten Fahrlässigkeit aus. Daher hafte sie gar nicht, so die Klägerin. Die Klägerin erhob zusammen mit der Kündigungsschutzklage Klage u.a. auf Zahlung der aus ihrer Sicht zu Unrecht abgezogenen Beträge vor dem zuständigen Arbeitsgericht.
Das Arbeitsgericht wies die Klage hinsichtlich der von der Klägerin verlangten Auszahlung der einbehaltenen Beträge ab. Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts sei die hälftige Geltendmachung des Schadens rechtmäßig gewesen. Das Arbeitsgericht ging von einer mittleren Fahrlässigkeit aus. Da die Klägerin nach wie vor von einer leichten Fahrlässigkeit und einer daraus resultierenden Haftungsbefreiung ausging, legte sie Berufung beim LArbG Rheinland-Pfalz ein. Dieses hatte nun über die Berufung der Klägerin zu entscheiden.
Das LArbG Rheinland-Pfalz wies die Berufung zurück. Es gab damit der Beklagten in Bezug auf die getätigten Gehaltsabzüge Recht. Die Klägerin haftet nach Auffassung des LArbG Rheinland-Pfalz hälftig für die von ihr verursachten Schäden. Dementsprechend waren die von der Beklagten vorgenommenen Abzüge nicht zu beanstanden.
Eine vollumfängliche Haftung war nicht anzunehmen, so das LArbG Rheinland-Pfalz. Zunächst weist das LArbG Rheinland-Pfalz darauf hin, dass die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Haftungsprivilegierung bei Arbeitnehmern nicht anzuwenden sind. Hiernach haftet ein Arbeitnehmer für den entstandenen Schaden nur dann vollumfänglich, wenn er den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt es zu einer Verteilung der Haftung auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Bei leichtester Fahrlässigkeit soll der Arbeitnehmer gar nicht haften. Diese Grundsätze sind jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So muss unter anderem ein „betrieblich veranlasstes Handeln“ des Arbeitnehmers vorliegen. Hieran fehlt es jedoch, so das LArbG Rheinland-Pfalz. Die Unfälle ereigneten sich auf dem Weg zur Betriebsstätte bzw. während des Ausparkens anlässlich der Heimfahrt von der Arbeit. Beide Fahrten sind nicht betrieblich veranlasst.
Die gängige Rechtsprechung geht davon aus, dass der Weg zur Arbeit bzw. die Fahrt von der Arbeit nach Hause keine betrieblichen Tätigkeiten sind (LAG Köln, Urt. vom 15.09.1998, 13 Sa 367/98; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 23.02.2007, 6 Sa 1998/06). Ereignet sich auf dieser Fahrt ein Unfall, liegt keine betriebliche Veranlassung vor. Die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts über die Haftungsprivilegierung von Arbeitnehmern finden damit in diesem Rechtsstreit grundsätzlich keine Anwendung. Hierauf weist das LArbG Rheinland-Pfalz hin.
Eine beschränkte Haftung der Klägerin für die von ihr verursachten Unfälle ergibt sich jedoch aus dem KFZ-Überlassungsvertrag, so das LArbG Rheinland-Pfalz. Dieser KFZ-Überlassungsvertrag ist nach Auffassung des LArbG Rheinland-Pfalz wirksam abgeschlossen worden. Insbesondere ist er nicht nach AGB-Recht unwirksam. Nach diesem Vertrag scheidet eine Haftung der Klägerin lediglich bei leichter Fahrlässigkeit aus. Die Auslegung dieser Klausel ergibt, dass die Parteien mit dem Begriff „leichte Fahrlässigkeit“ die vom Bundesarbeitsgericht verwendete Begrifflichkeit „leichteste Fahrlässigkeit“ gemeint haben. Diese soll zum Haftungsausschluss des Arbeitnehmers führen. So sieht es das LArbG Rheinland-Pfalz. Leichteste Fahrlässigkeit war jedoch nach Auffassung des LArbG Rheinland-Pfalz nicht anzunehmen.
Vielmehr ging das Gericht bei beiden Unfällen von mittlerer Fahrlässigkeit aus. Nach Abwägung der Gesamtumstände nahm das LArbG Rheinland-Pfalz eine hälftige Haftung der Klägerin für den entstandenen Schaden an. So wie es auch die Beklagte angenommen hatte. Die Geltendmachung des hälftigen Schadens durch den Abzug vom Gehalt der Klägerin war daher nach Auffassung des LArbG Rheinland-Pfalz nicht zu beanstanden. Auch die Pfändungsfreigrenzen hatte die Beklagte berücksichtigt.
Die Berufung der Klägerin hatte daher keinen Erfolg.
LArbG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.10.2018 – 6 Sa 75/18
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