Der Diebstahl von Firmeneigentum darf zur außerordentlichen Kündigung führen. Anders sieht es aus, wenn ein Vorgesetzter die Mitnahme erlaubt hat. Dann ist eine außerordentliche Kündigung ungerechtfertigt. Dies gilt auch dann, wenn der Vorgesetzte hierzu nicht befugt war. Eine entsprechende Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LArbG M-V) in seinem Urteil vom 12.06.2018 (2 Sa 224/17).
Die Klägerin ist seit ca. 20 Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte produziert, verpackt und vertreibt Milcherzeugnisse. Zuletzt war die Klägerin bei der Beklagten als Gabelstaplerfahrerin eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis war in der Vergangenheit absolut beanstandungsfrei.
Im Frühjahr 2017 kam es jedoch zu einem Vorfall mit der Klägerin.
Zum Ende einer Frühschicht kam der stellvertretende Teamleiter auf die Klägerin und weitere Mitarbeiter zu. Er teilte mit, dass diese sich jeweils eine Käsepackung mit nach Hause nehmen dürfen. Die Käsepackung hat einen Ladenverkaufspreis von 1,99 €. Die Klägerin nahm sich daraufhin eine Käsepackung aus dem Karton. Sie steckte den Käse in ihre Tasche. Andere Mitarbeiter taten dies ebenso. Die Klägerin wollte nun mit ihrer Tasche das Werksgelände verlassen.Sie bemerkte jedoch, dass am Tor eine Taschenkontrolle durchgeführt wird. Am Werkstor kommt es gelegentlich zu stichprobenartigen Taschenkontrollen. Das ist mit dem Betriebsrat der Beklagten abgestimmt. Die Klägerin reagierte verunsichert und kehrte zum Werk zurück. Dort packte sie die Käsepackung wieder aus. Die Klägerin ging anschließend zum Werkstor zurück, diesmal ohne Käse. Die Mitarbeiter am Werkstor hatten das Verhalten der Klägerin beobachtet. Sie sprachen die Klägerin hierauf an. Die Klägerin erklärte zunächst, sie habe ihre Schlüssel vergessen. Dann bekamm die Klägerin ein schlechtes Gewissen. Sie gab zu, den zuvor eingepackten Käse wieder ins Werk zurückgebracht haben.
Es stellte sich heraus, dass der stellvertretende Teamleiter seine Befugnisse überschritten hatte. Er war zur Aufforderung der Mitnahme der Käsepackung nicht berechtigt. Der stellvertretende Teamleiter erhielt für sein Verhalten eine Abmahnung.
Die Klägerin hingegen erhielt die außerordentliche Kündigung. Hilfsweise sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin die ordentliche Kündigung aus.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht. Die Klage hatte Erfolg. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung unwirksam gewesen ist. Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein. Über die Berufung hatte nun das LArbG M-V zu entscheiden.
Die Kündigung war unwirksam.
So entschied das LArbG M-V auch in zweiter Instanz.
Dies gilt sowohl für die außerordentliche, als auch für die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Grundsätzlich darf bei der unerlaubten Mitnahme von Firmeneigentum eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Hierauf weist das LArbG M-V hin.
Unbeachtlich ist auch der materielle Wert der Sache.
Hier lag jedoch das Einverständnis des stellvertretenden Teamleiters vor.
Aufgrund dieses Einverständnisses war ein Diebstahl und auch ein versuchter Diebstahl nicht gegeben. So sieht es das LArbG M-V.
Das Einverständnis des unmittelbar Vorgesetzten führte zu einem Erlaubnistatbestandsirrtum bei der Klägerin. Die Klägerin dachte, die Mitnahme der Käsepackung sei erlaubt gewesen. Dieser Irrtum schließt strafrechtlich einen Vorsatz aus. Die Klägerin handelte daher ohne Vorsatz, so das LArbG M-V.
Dass der stellvertretende Teamleiter zur Abgabe seines Einverständnisses nicht berechtigt war, spielt dabei keine Rolle.
Mangels Vorsatz lag kein Diebstahl vor.
Auch das Verhalten der Klägerin am bzw. vor dem Werkstor ändert nichts an der Entscheidung. Dieses Verhalten war strafrechtlich nicht relevant. Ein etwaiger Diebstahl wäre mit dem Einstecken in die Tasche bereits vollendet gewesen.
Das versuchte Vertuschen der Klägerin war nach Auffassung des LArbG M-V irrelevant.
Die Kündigung wäre in jedem Fall auch unverhältnismäßig gewesen.
Hierauf weist das LArbG M-V ergänzend hin. Eine Kündigung ist unverhältnismäßig, „wenn es mildere Mittel gibt, die eine Vertragsstörung zukünftig beseitigen können“.
Im vorliegenden Fall wäre lediglich eine Abmahnung auszusprechen gewesen. Diese wäre nach Auffassung des LArbG M-V das mildere Mittel gewesen.
Das LArbG M-V kommt zu dem Ergebnis, dass das Verhalten der Klägerin steuerbar war. Es war davon auszugehen, dass das zukünftige Verhalten der Klägerin schon durch die Androhung von Folgen in einer Abmahnung positiv beeinflusst werden kann. Insbesondere musste die bisherige 20-jährige beanstandungsfreie Tätigkeit der Klägerin berücksichtigt werden.
Hinzu kommt die Tatsache, dass der stellvertretende Teamleiter selbst nur eine Abmahnung erhalten hat.
Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Verhalten der Klägerin vor und am Werkstor. Das LArbG M-V sieht hierin bereits „positive Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Verhaltensänderung der Klägerin“. Die Klägerin zeigte ein gewisses Schuldbewusstsein im Hinblick auf das Mitnehmen der Käsepackung. Eine Abmahnung hätte das zukünftige Verhalten der Klägerin schon positiv beeinflussen können.
Die Kündigung war daher aus diesem Grund auch unverhältnismäßig, so das LArbG M-V.
Das Arbeitsverhältnis wurde nach dem Urteil des LArbG M-V nicht durch die ausgesprochenen Kündigungen beendet.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.06.2018 – 2 Sa 224/17
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