Käufern von BVVG-Grundstücken wurde in der Vergangenheit eine große Leidensfähigkeit abverlangt. Die zu vergünstigten Konditionen gekauften Flächen waren mit erheblichen Beschränkungen belegt. In den Kaufverträgen wurde nämlich regelmäßig bestimmt, dass die BVVG im Falle einer anderweitigen Nutzung des Grundstücks bis zu 15 Jahre nach dem Erwerb zu beteiligen ist. Bedeutsam ist dies für den Fall, dass Flächen im Nachhinein für die Windenergie oder Photovoltaik genutzt werden konnten, denn hierfür werden hohe Pachten gezahlt.
Erwerber konnten hiergegen kaum etwas ausrichten, da die Verträge von der BVVG gestellt wurden und daher nur die Wahl zwischen kaufen oder nicht kaufen bestand. Für den häufig vorkommenden Fall der Windenergienutzung enthielten die Kaufverträge so genannte „Windklauseln“, die bestimmten, dass die BVVG während der Bindungsfrist bei Verhandlungen mit Wind-Investoren zu beteiligen ist, Einsicht in Unterlagen verlangen konnte und an den Erlösen zu beteiligen war. Für den Fall, dass diese Pflichten nicht erfüllt wurden, wurde unverhohlen mit dem Vertragsrücktritt gedroht. Nahezu alle betroffenen Käufer bissen in den sauren Apfel und erklärten sich damit einverstanden, dass ein hoher Anteil der Pacht an die BVVG ging. Auf diese Weise verdiente die bundeseigene Gesellschaft 20 Milliarden Euro.
Das Geschäftsmodell der BVVG geriet allerdings mit zwei Urteilen aus Berlin in Wanken, denn sowohl das Landgericht als auch das Kammergericht urteilten, dass die Windklausel im Standard-BVVG-Vertrag unwirksam ist. Die Klausel stelle nämlich eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) dar. Da sich die umfangreichen Beteiligungsrechte nicht aus dem Gesetz bzw. der Flächenerwerbsverordnung ergeben, war die Klausel unwirksam. Der BVVG stand nach Auffassung der Vorgerichte (LG und KG Berlin) kein Anspruch auf Beteiligung an den Verhandlungen und kein Recht darauf zu, an den Erlösen mitzuverdienen.
Was eigentlich ein Grund zur Freude für die betroffenen Käufer war, hatte allerdings einen Nachteil: das Kammergericht ließ nämlich offen, ob die BVVG im Hinblick auf die Flächen ein Wiederkaufsrecht geltend machen kann. Denn die Flächenerwerbsverordnung sieht eine landwirtschaftliche Nutzung vor und gestattet im Falle einer anderweitigen Nutzung, z. B. durch geänderte planungsrechtliche Umstände, der BVVG die betroffenen Flächen zurückzukaufen. Rechtssicherheit bestand daher auch nach der Entscheidung des Kammergerichts nicht, sodass sich die BVVG daher bis zuletzt auf den Standpunkt stellte, dass ihr der größte Teil der Einnahmen zustehe, weil sie anderenfalls vom Rückkaufrecht Gebrauch machen würde.
Diesem Treiben hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun einen Riegel vorgeschoben, zumindest ein wenig: Der BGH hat die Entscheidung des Kammergerichts bestätigt und außerdem klargestellt, dass in dem entschiedenen Fall auch kein Rückkaufrecht in Betracht kommt. Dieses kommt nämlich nur dann zur Anwendung, wenn die gesamte Fläche oder wesentliche Teile davon nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden. Dem Argument, dass eine andere planungsrechtliche Rechtslage durch die Ausweisung als Windeignungsgebiet geschaffen werde (§ 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB) erteilte das Gericht eine Absage. Die Ausweisung für die Windenergie stelle nämlich keine andere Rechtslage, sondern vielmehr die gesetzlich ursprünglich vorgesehene Privilegierung im Außenbereich dar (§ 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB).
Bereits die Berliner Entscheidungen ließen erahnen, dass große Probleme auf die BVVG zukommen. Das Erfolgsmodell der BVVG basierte auf einer unklaren Rechtslage. Leider hat sich die Situation durch die BGH-Entscheidung nur wenig verbessert. Denn das Rücktrittsrecht hat der BGH in dem entschiedenen Fall nur deshalb ausgeschlossen, weil die landwirtschaftliche Nutzung im wesentlichen noch gewährleistet war, weil der darauf entfallende Flächenanteil nicht einmal 1,5% der Gesamtfläche ausmachte. Die neue Unklarheit ist daher, ob die anderweitige Nutzung „wesentlich“ ist und wie die Flächennutzung zu berechnen ist, namentlich, ob Rotorflächen, Abstandsflächen, Wege- und Kabeltrassenflächen dazu zählen. Klar ist nur, dass Käufer i.d.R. dann nichts zu befürchten haben, wenn eine Fläche von weniger als 1,5% betroffen ist. Die BVVG wird daher wohl auch in Zukunft versuchen mitzuverdienen.
Rückforderung von BVVG-Zahlungen
Mit Spannung dürfen die Entwicklungen bzgl. der Rückforderung von Zahlungen abgewartet werden.
Rückforderungsansprüche dürften für alle Zahlungen, die im Jahr 2015 und danach geleistet worden sind, nicht verjährt sein. Wer Zahlungen aus 2015 geltend machen möchte, sollte allerdings noch vor Ablauf des Jahres 2018 verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen. In Betracht kommt neben der Klageerhebung und der Beantragung eines Mahnbescheids die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung durch die BVVG.
Rechtlich stellen sich eine Reihe interessanter Fragen, denn es ist nicht ganz klar, wie Käufer oder Investoren ihr Geld zurückverlangen können. Die BVVG ließ sich ihre vermeintliche Rechtsposition nämlich dadurch bezahlen, dass sie Windenergie-Nutzungsverträge mit unterzeichnete. In diesen dreiseitigen Verträgen war regelmäßig vorgesehen, dass die BVVG 75-85% der Nutzungsentschädigung erhielt. Die Zahlungen wurden dann aber durch den Pächter bzw. den Wind-Investor gezahlt. Eine Rückzahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB setzt voraus, dass die BVVG etwas „ohne Rechtsgrund“ erlangt hat. Rechtsgrund dürfte aber der dreiseitige Vertrag sein. Juristisch gibt es hier aber auch Ansatzpunkte:
In den dreiseitigen Verträgen wurden die BVVG-Beteiligungsklauseln oft von der BVVG gestellt. Sofern das der Fall war und über diese Klauseln nicht verhandelt worden ist, was regelmäßig nicht der Fall war, dann dürften diese Klauseln einer AGB-Prüfung nicht standhalten und unwirksam sein. Der Grund ist derselbe wie bei den BVVG-Kaufverträgen: die BVVG lässt sich nämlich ein Recht abkaufen, das sie gar nicht hat. Wer aber die AGB-Karte nicht ziehen kann, weil der Vertrag individuell ausgehandelt worden ist, braucht den Kopf aber nicht in den Sand stecken, denn nach § 313 Absatz 1 BGB kann ein Anspruch darauf bestehen, einen Vertrag nachzuverhandeln, wenn nachträglich Umstände eingetreten sind, die die Parteien bei Abschluss des Vertrags nicht vorhergesehen haben. Dieser früher als „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ bezeichnete Anspruch kann dazu führen, dass die Beteiligung der BVVG anstelle von 75-85% null % beträgt.
Es kann nicht erwartet werden, dass die BVVG sich kampflos auf Rückzahlungen einlässt. Solche Ansprüche sollten daher gut dargelegt und gerichtlich geltend gemacht werden. Dabei wird auch eine Rolle spielen, dass die Zahlungen meistens nicht vom Käufer, der der Vertragspartner der BVVG war, sondern vom Pächter bzw. dem Wind-Investor geleistet worden sind. Aus dessen Sicht machte es oft keinen Unterschied, ob er die Pacht an den Eigentümer (Käufer) zahlen musste oder an diesen und die BVVG. Aber auch hierfür gibt es Lösungsmöglichkeiten: rechtlich dürfte es nämlich so gewesen sein, dass der Pächter die Zahlung an die BVVG geleistet hat, um die Käuferbindung abzulösen. Dies könnte sich als Zahlung für einen Dritten darstellen, sodass die Leistung ist eigentlich dem Käufer zuzurechnen ist (§ 267 BGB). Anspruchsinhaber wäre dann der Käufer, obgleich die Zahlung durch den Pächter geleistet worden ist.
Die Ausführungen basieren auf der Presserklärung des Bundesgerichtshofs vom 14.09.2018.
BGH, Urt. v. 14.09.2018 – V ZR 12/17
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