Ein Bewerber ist für den Polizeidienst charakterlich ungeeignet, wenn gegen ihn ein paar Jahre zuvor strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt worden sind. So entschied das Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin) am 25.07.2018.
Ein 21-jähriger Mann bewarb sich bei der Antragsgegnerin um die Einstellung in den mittleren Dienst der Schutzpolizei.
Den Einstellungstest hatte er erfolgreich bestanden. Der junge Mann war auch polizeidiensttauglich. Anschließend wurde bekannt, dass der Antragsteller im Alter von 15 und 16 Jahren strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Es wurden insgesamt vier Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt. Es handelte sich um Verfahren wegen Körperverletzung, Brandstiftung, Ladendiebstahl und Nötigung. Die Strafakten zur Körperverletzung und zum Ladendiebstahl wurden bereits vernichtet.
Der Antragsteller wra zumindest in die Begehung der Delikte involviert. Hiervon erfuhr die Antragsgegnerin. Ein Verfahren wurde nach § 45 JGG eingestellt. Die Antragsgegnerin wertete die noch vorhandenen Strafakten zur Brandstiftung und Nötigung aus. Eine Strafbarkeit des Antragstellers wegen Brandstiftung konnte nicht nachgewiesen werden. Das Verfahren wurde daher eingestellt.
Das Verfahren wegen Nötigung hatte man nach § 45 JGG eingestellt. Es erfolgte eine Eintragung ins Erziehungsregister.
Die Antragsgegnerin wertete die vorhandenen Unterlagen aus.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antragsteller daraufhin ab.
Der Antragsteller erhielt ein entsprechendes Schreiben. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass der Antragsteller charakterlich nicht geeignet ist. Als Begründung wurden die Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Brandstiftung und Nötigung angeführt. Dies ist mit dem anspruchsvollen Beruf des Polizeibeamten nicht vereinbar. Die Antragsgegnerin teilte das in ihrem Schreiben mit.
Der Antragsteller war hiermit nicht einverstanden.
Er erhob Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht und beantragte zugleich vorläufigen Rechtsschutz.
Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes begehrt der Antragsteller die erneute Zulassung zum Auswahlverfahren.
Hilfsweise sollte die Antragsgegnerin verpflichtet werden, neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Bewerbung zu entscheiden.
Hierüber hatte das VG Berlin nun im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu entscheiden.
Der Antragsteller verlor.
Die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung wurde nicht erlassen.
Dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zu. So entschied das VG Berlin in seinem Beschluss.
Ein Anspruch auf Ernennung eines Bewerbers zum Beamten besteht nicht grundsätzlich. Hierauf weist das VG Berlin hin. Vielmehr steht die Entscheidung im Ermessen des Dienstherrn. Die Ermessensentscheidung ist nur beschränkt gerichtlich überprüfbar. Eine gerichtliche Überprüfung kann nur dahingehend erfolgen, „ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Tatbestand zu Grunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat“. Hierauf weist das VG Berlin in seiner Entscheidung hin.
Einschlägig war hier die Verordnung über die Laufbahnen Beamtinnen und Beamten des Polizeivollzugsdienstes (Pol-LVO). Hiernach muss der Bewerber gesundheitlich und körperlich sowie nach der Persönlichkeit geeignet sein.
Die charakterliche Eignung ist als Unterfall der persönlichen Eignung ebenfalls von Bedeutung.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied zur charakterlichen Eignung in seinem Beschluss vom 20.07.2016 (2 B 17.16): „Für die charakterliche Eignung ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird, was eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Einstellungsbewerbers, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen, erfordert“.
Für den Polizeivollzugsdienst dürfen besonders hohe Anforderungen an die Integrität und charakterliche Stabilität gestellt werden. Dies ist nach Auffassung des VG Berlin nicht zu beanstanden.
Schließlich gehören die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu den Kernaufgaben des Polizeivollzugsdienstes. Aus diesem Grund sind nach Auffassung des VG Berlin eigene Verstöße grundsätzlich geeignet, Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers zu begründen.
Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ändert nichts daran. Eine Verurteilung ist nicht erforderlich. Das VG Berlin verweist auf die entsprechende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte.
Die Ablehnung des Antragstellers war unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nicht zu beanstanden.
Eine Unschuldsvermutung für die Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Bewerbers gibt es nicht.
Auch länger zurückliegende Verfehlungen dürfen berücksichtigt werden. Es sei denn, das Verwertungsverbot nach § 52 Absatz 1 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) ist eingetreten. Hierauf weist das VG Berlin hin.
Im vorliegenden Fall sind noch keine Verwertungsverbote aus dem BZRG eingetreten. Die von den Ermittlungsverfahren umfassten Verfehlungen durften daher Berücksichtigung finden.
Auch im Übrigen war die Entscheidung des Antragstellers ermessensfehlerfrei. Die Antragsgegnerin ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Auch aufgrund der Anzahl und der Schwere der Verfehlungen ist die Prognose des Antragsgegners in Bezug auf die charakterliche Eignung des Antragstellers nicht zu beanstanden. So entschied das VG Berlin.
Die Anträge des Antragstellers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren blieben daher erfolglos.
VG Berlin, Beschluss vom 25.07.2018 – 9 AZR 8/18
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