Der Ersatz des Haushaltsführungsschadens bei der Unterstützung im elterlichen Haushalt kann als Schadensersatz nicht geltend gemacht werden, wenn Elternunterhalt gesetzlich nicht geschuldet ist. Ein entsprechendes Urteil fällte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG S-H) am 03.04.2018 (11 U 93/17).
Der Fall:
Die Klägerin erlitt erhebliche Verletzungen, da die Beklagte ihren Streupflichten nicht nachkam. Sie verlangte von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld, was diese ablehnte. Insbesondere begehrte die Klägerin von der Beklagten den Ersatz eines Haushaltsführungsschadens. Den Haushaltsführungsschaden machte die Klägerin geltend, weil sie aufgrund ihrer Verletzungen nicht mehr den Haushalt ihrer 98 Jahre alten und allein lebenden Mutter führen konnte, was sie bis zum Unfallzeitpunkt getan habe. Nach erfolgloser anwaltlicher Aufforderung erhob die Klägerin Klage vor dem zuständigen Landgericht. Das Landgericht sprach der Klägerin Schadensersatz, Schmerzensgeld, den Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten und auch den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden zu.
Die Beklagte war zumindest mit der Verurteilung zum Ersatz des Haushaltsführungsschadens nicht einverstanden und legte hiergegen Berufung beim OLG S-H ein, mit Erfolg.
Die Entscheidung:
Das OLG S-H hob das Urteil des Landgerichts im Hinblick auf den Ersatz des Haushaltsführungsschadens auf und wies die Klage in diesem Umfang ab.
Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch wegen unfallbedingter Einschränkungen bei der Führung des Haushalts ihrer Mutter, so das OLG S-H. Ein solcher Anspruch könne sich zwar grundsätzlich aus § 843 Absatz 1 BGB ergeben, jedoch liegen die Voraussetzungen des § 843 Absatz 1 BGB nach Auffassung des OLG S-H hier nicht vor. § 843 Absatz 1 BGB sieht einen Schadensersatzanspruch des Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente vor, wenn infolge der Verletzung die Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert ist oder einer Vermehrung der Bedürfnisse eintritt. Bei der Einschränkung der Führung des eigenen Haushalts ist in jedem Fall von der Vermehrung der Bedürfnisse auszugehen. In dem von dem OLG S-H zu entscheidenden Rechtsstreit ging es jedoch um die Führung eines anderen Haushalts, nämlich den der Mutter der Klägerin. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 843 Absatz 1 BGB kommt in Betracht, wenn die Unterhaltsleistung gegenüber Familienangehörigen eingeschränkt ist. Dies ist nach Auffassung des OLG S-H hier jedoch nicht der Fall. Eine gesetzliche Pflicht zur Unterhaltsleistung könnte sich hier aus § 1612 Absatz 1 BGB ergeben. Der hier in Betracht kommende Elternunterhalt muss gemäß § 1612 Absatz 1 Satz 1 grundsätzlich durch Leistung einer Geldrente gewährt werden. Ausnahmsweise könnte dieser Unterhalt auch durch Naturalunterhalt gemäß § 1612 Absatz1 Satz 2 BGB geleistet werden. Die Art des Unterhalts kann jedoch in diesem Rechtsstreit dahinstehen, da jedenfalls die Voraussetzungen für eine Unterhaltspflicht nicht vorlagen, so das OLG S-H. Erforderlich wäre, dass die Mutter der Klägerin unterhaltsbedürftig und die Klägerin selbst leistungsfähig ist.
Es fehlt hier an der Unterhaltsbedürftigkeit der Mutter der Klägerin. Nach § 1602 Absatz 1 BGB ist unterhaltsbedürftig, wer nicht dazu im Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Mutter der Klägerin dürfte unter Einsatz ihres Einkommens und ihres Vermögens nicht in der Lage sein, ihren Bedarf zu decken. Hier sind auch etwaige Leistungen der Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Die Klägerin hat in dem Rechtsstreit nichts zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ihrer Mutter vorgetragen. Es ist daher denkbar, dass die Mutter durchaus im Stande ist, sich eine Haushaltshilfe für die von der Klägerin geltend gemachten vier Stunden täglich zu leisten. In diesem Fall wäre die Mutter nicht unterhaltsbedürftig und die Hilfe im Haushalt keine Unterhaltsleistung der Klägerin. Da die Klägerin zu der Einkommens- und Vermögenssituation ihrer Mutter nichts vorgetragen hat, ist davon auszugehen, dass eine Unterhaltsbedürftigkeit der Mutter nicht vorliegt.
Hinzu kommt, so das OLG S-H, dass nach Vortrag der Klägerin ihre zwei Schwestern die erforderlichen Tätigkeiten im Haushalt der Mutter übernommen haben, solange die Klägerin verletzungsbedingt ausfiel. Daher scheide jedenfalls eine alleinige Haftung der Klägerin gegenüber der Mutter aus, so das OLG S-H. Nach § 1606 Absatz 3 BGB haften mehrere gleich nahe Verwandte anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Schließlich entfällt eine Unterhaltsbedürftigkeit auch, weil unstreitig ein Pflegedienst während des Ausfalls der Klägerin zur Mutter der Klägerin gekommen ist, um dort Unterstützung im Haushalt zu leisten, so das OLG S-H.
Nach alledem konnte die Klägerin eine Unterhaltsbedürftigkeit ihrer Mutter nicht nachweisen, so dass die Voraussetzungen einer Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber ihrer Mutter nicht vorlagen. Aus diesem Grund konnte die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens aufgrund einer verletzungsbedingten Erwerbsminderung geltend machen. Eine Erwerbsminderung aufgrund der Einschränkung der Unterhaltsleistung gegenüber Familienangehörigen, hier der Mutter, liegt nicht vor, da die Klägerin keinen Unterhaltsanspruch der Mutter gegen sie nachweisen konnte. Wie das OLG S-H feststellte, liegt die hierfür erforderliche Unterhaltsbedürftigkeit der Mutter der Klägerin nicht vor.
Die Beklagte hatte daher mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts im Hinblick auf den zugesprochenen Ersatz des Haushaltsführungsschadens Erfolg.
OLG S-H, Urteil vom 03.04.2018 – 11 U 93/17
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