Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die derzeit geltenden Nachzahlungszinsen in Höhe von einem halben Prozent je Monat – s. h. sechs Prozent im Jahr – für rechtswidrig. Das oberste deutsche Finanzgericht mit Sitz in München beanstandet die Höhe des seit 1961 geltenden Zinssatz (§§ 233a, 238 AO). Ziel der Nachzahlungszinsen sei es, den Vorteil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erlangt, dass er die finanziellen Mittel bis zur verspäteten Zahlung der Steuern zur Verfügung hat. Dadurch spart er sich Kreditzinsen. Allerdings ist der gesetzliche Zinssatz von 6% deutlich höher als die derzeitigen Niedrigzinsen. Der Gesetzgeber darf die langanhaltende Niedrigzinsphase nicht unberücksichtigt lassen. Der hohe gesetzliche Zinssatz sei auch nicht durch einen höheren administrativen Aufwand gerechtertigt, da die meisten Bearbeitungsvorgänge ohnehin automatisiert seien und durch die späte Zahlung der Steuern kein – oder zumindest nicht ein in der Höhe anfallender – Aufwand entsteht. Daraus resultiere ein Verstoß gegen das Übermaßverbot (Art. 20 Absatz 3 GG). Der Gesetzgeber ist daher von Verfassungs wegen gehalten, die Höhe der Zinsen zu prüfen und die Regelung zu ändern.
Hintergrund: Ob die von Experten bereits seit längerem kritisierten Nachzahlungszinsen tatsächlich verfassungswidrig sind, steht trotz der Entscheidung des BFHs nicht fest. Denn das Gericht ist gar nicht berechtigt, die Paragraphen über die gesetzlichen Zinsen zu verwerfen. Vielmehr müsste der BFH, wenn er eine Norm für verfassungswidrig hält, den Rechtsstreit aussetzen und die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorlegen (Art. 100 GG), denn nur das Bundesverfassungsgericht besitzt für nachkonstitutionelle Gesetze eine Verwerfungskompetenz. Das hindert den BFH aber nicht daran, bei Zweifeln an der Verfassungsgemäßheit einer Vorschrift die Vollziehung auszusetzen, was er hier getan hat. Das bedeutet, dass der Bescheid zwar weiter fortbesteht, aber die Zinszahlungspflicht nicht vollstreckt wird. Formal bleibt es daher bei der Zahlungspflicht, nur zahlen muss der Adressat des Bescheids nicht. Dieser Kniff ist möglich, weil es sich im entschiedenen Fall um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelte, bei dem ohnehin nur eine vorläufige Entscheidung gefällt wird. Im Hauptsacheverfahren müsste der BFH die Sache dem BVerfG vorlegen (Art. 100 GG).
Wer Nachzahlungszinsen zahlen soll, sollte fristwahrend Einspruch einlegen. Bereits geleistete Zahlungen können über einen Wiederaufnahmeantrag zurückverlangt werden, wobei die Erfolgsaussichten jedoch eher schlecht sind, da eine geänderte Rechtsprechung grundsätzlich keinen Wiederaufnahmegrund darstellt. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass die Vorschriften auch schon vor dem BFH-Beschluss rechtswidrig waren und daher eigentlich kein Fall der geänderten Rechtsprechung vorliegt. Wenn eine Behörde kraft eigener Überzeugung zu einer anderen Rechtsauffassung gelangt, kann sie selbstverständlich ein Verfahren wieder aufnehmen.
BFH, Beschluss vom 14.05.2018 – IX B 21/18
FG Köln, Beschluss vom 29.01.2018 – 15 V 3279/17
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