Der Anspruch auf die Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro gemäß § 288 Abs. 5 BGB findet auch bei einer arbeitsrechtlichen Forderung Anwendung. Selbst bei einer äußerst geringfügigen Hauptforderung fällt die volle Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro an. So entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit seinem Urteil vom 20.04.2017 (5 Sa 1263/16).
Geklagt hatte eine Reinigungskraft gegen ihren Arbeitgeber auf Zahlung einer Restvergütung in Höhe von insgesamt 1,40 € (0,70 € für den Monat Juli und 0,70 € für den Monat August) nebst einer zweifachen Verzugspauschale in Höhe von jeweils 40 Euro für die beiden betreffenden Monate. Die Beklagte hatte der Klägerin ihre Vergütungsabrechnungen für die Monate Juli und August mit der Post zugeschickt und die Portokosten von jeweils 0,70 € vom monatlichen Nettolohn einbehalten. Hiergegen wandte sich die Klägerin und gewann in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Oldenburg im Hinblick auf die Auszahlung der vom Nettolohn einbehaltenen Portokosten. Im übrigen – die Verzugspauschale betreffend – wies das Arbeitsgericht Oldenburg die Klage ab. Das Arbeitsgericht Oldenburg ist unter anderem der Auffassung, dass die Regelung über die Verzugspauschale in § 288 Absatz 5 BGB von der arbeitsrechtlichen Regelung des § 12a ArbGG verdrängt wird und somit keine Anwendung findet. Die Klägerin legte gegen das Urteil vom Arbeitsgericht Oldenburg Berufung ein. Sie verfolgte ihr ursprüngliches Klageziel weiter und begehrte insbesondere auch die Zahlung der zweifachen Verzugspauschale in voller Höhe für die Monate Juli und August.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gab der Klägerin im Berufungsverfahren Recht und sprach ihr für die Monate Juli und August auch die Verzugspauschale in Höhe von jeweils 40 Euro zu. Der Anspruch auf die Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro ergibt sich für die Klägerin aus § 288 Absatz 5 BGB. Dieser findet insbesondere auch auf die hier streitgegenständliche arbeitsrechtliche Forderung Anwendung. Dies ergibt sich aus der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 34 BGB, wonach die Vorschrift auf ein vor dem 29.07.2014 entstandenes Dauerschuldverhältnis anzuwenden ist, soweit die Gegenleistung nach dem 30.06.2016 erbracht wird. Dies ist hier der Fall. Insbesondere hat der Gesetzgeber eine Bereichsausnahme z.B. für arbeitsrechtliche Forderungen nicht vorgesehen, womit § 288 Absatz 5 BGB auch für arbeitsrechtliche Forderungen gilt, so das Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Die teilweise auch in der Rechtsprechung vertretene Gegenauffassung, demzufolge § 12a ArbGG als spezialgesetzliche Ausnahmeregelung den § 288 Absatz 5 BGB verdrängen würde, wird vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen ausdrücklich abgelehnt. Die Vorschrift des § 288 Absatz 5 BGB dient der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr. Hinzu kommt, dass die Regelung zur Verzugspauschale in § 288 Absatz 5 BGB an die bereits zuvor geltenden Regelungen zum Verzugszins gemäß § 288 Absatz 1 BGB und den weitergehenden Verzugsschaden nach § 288 Absatz 4 BGB anknüpft, welche ebenfalls bei arbeitsrechtlichen Forderungen Anwendung finden. Warum nun die Verzugspauschale nach § 288 Absatz 5 BGB nicht für arbeitsrechtliche Forderungen anwendbar sein soll, ist unklar. Die diesbezüglich teilweise vertretene Gegenauffassung ist daher abzulehnen.
Die Grundvoraussetzungen des § 288 Absatz 5 BGB sind ebenfalls gegeben. Die Beklagte befand sich in Bezug auf die Auszahlung der zu Unrecht einbehaltenen Portokosten im Schuldnerverzug gemäß § 286 BGB. Die Aufrechung ist mangels Bestehens einer Gegenforderung zu Unrecht erfolgt. Auch ist die Beklagte keine Verbraucherin, sondern Unternehmerin, so dass § 288 Absatz 5 BGB nicht ausgeschlossen ist.
Der Klägerin steht nach Auffassung des Landesarbeitsgericht Niedersachsen auch die volle Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro je Monat zu. Dem steht nicht die äußerst geringe Höhe der Hauptforderung von 0,70 € je Monat entgegen. Eine Kürzung der gesetzlichen Verzugspauschale im Wege der teleologischen Reduktion des § 288 Absatz BGB kommt nicht in Betracht. Bereits der Wortlaut des § 288 Absatz 5 Satz 2 BGB spricht gegen eine Kürzung der Verzugspauschale im Wege der telelogischen Reduktion. Satz 2 weist ausdrücklich darauf hin, dass die Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro auch zu zahlen ist, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder eine sonstige Ratenzahlung handelt. Der Gesetzgeber hat demzufolge das Problem bei einer Entgeltforderung in möglicherweise nur geringer Höhe in Betracht gezogen und auch hierfür die Verzugspauschale in voller Höhe gem. § 288 Absatz 5 vorgesehen. Auch der Wortlaut der „Pauschale“ spricht gegen eine Möglichkeit der Kürzung des vorgesehenen Pauschalbetrages von 40 Euro. Eine Pauschale wird ohne Rücksicht auf die tatsächlich angefallenen Kosten bzw. Aufwendungen gezahlt, dies unabhängig von der Höhe der Entgeltforderung nach § 288 Absatz 5 BGB. Der Klägerin steht demnach ein Anspruch auf Verzugspauschale in voller Höhe von 40 Euro für jeden Verzugsmonat zu, wenngleich die Entgeltforderung pro Monat lediglich 0,70 € beträgt.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 20.04.2017 – 5 Sa 1263/16
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