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Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache auch ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung (BGH, Urt. v. 28.02.2018 – VIII ZR 157/17)

Nach Beendigung von Mietverhältnissen entsteht häufig Streit um Schäden an Mietwohnungen. Der Vermieter wähnt sich zumeist in Sicherheit, weil er auf die Kaution zurückgreifen kann. Allerdings hilft ihm das nur dann, wenn er die rechtlichen Anforderungen beachtet und die Kaution für die Beseitigung der Schäden ausreicht. Ansprüche wegen Schäden an der Mietsache kann der Vermieter grundsätzlich nur innerhalb von sechs Monaten nach Rückgabe der Wohnung oder des Hauses geltend machen (§ 548 Absatz 1 Satz 1 BGB). Der Rückgriff auf die Mietkaution scheitert in vielen Fällen daran, dass es Vermietern nicht gelingt, innerhalb dieser kurzen Frist verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen (z. B. Klage erheben, Mahnbescheid beantragen). Das bedeutet, dass der Mieter nach Ablauf der Frist praktisch nichts mehr zu befürchten hatte und der Vermieter auf dem Schaden sitzen blieb.

Rechtlich könnte der Vermieter die Kaution zwar gegen Schadensersatzansprüche auch dann aufrechnen, wenn die Schadensersatzansprüche bereits verjährt waren (§ 215 BGB). Das setzt aber voraus, dass es sich um gleichartige Forderungen handelt, die sich zumindest zu einem Zeitpunkt unverjährt gegenüberstanden. Der gegen den Mieter gerichtete Schadensersatzanspruch und der gegen den Vermieter gerichtete Anspruch auf Rückzahlung der Kaution müssten für eine Aufrechnung aber gleichartig sein. Genau hier liegt das Problem im Mietrecht: Vermieter haben zunächst einmal nur einen Anspruch auf vertragsgemäße Rückgabe der Mietsache (§ 546 BGB). Dabei handelt es sich aber nicht um einen Geldanspruch. Der Rückgabeanspruch ist nicht gleichartig mit dem auf Geld gerichteten Kautions-Rückzahlungsanspruch gegen den Vermieter. Vielmehr wandelt sich der Rückgabeanspruch des Vermieters erst dann in einen Schadensersatzanspruch um, wenn der Vermieter dem Mieter eine Nachfrist zur ordnungsgemäßen Leistung gesetzt hat (§ 281 Absatz 1 Satz 1 BGB). So behandelte zumindest die ganz überwiegende Anzahl der Gerichte die Fälle, bei denen es um die Aufrechnung mit der Kaution ging. Das führte dazu, dass Vermieter, die nicht innerhalb der kurzen Verjährung Klage erhoben haben, es oft nicht schafften, den Rückgabeanspruch in einen Schadensersatzanspruch umzuwandeln. Vermieter haben dann praktisch keine Chance gehabt, auf die Kaution zuzugreifen. Ob die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs einer vorherigen Fristsetzung bedurfte, war allerding bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Damit ist nun – zumindest bei der Rückgabe einer beschädigten Mietsache – Schluss.

Der BGH hat nun grundlegend über die Frage entschieden, ob die Geltendmachung von Schadensersatz nach einem beendeten Mietverhältnis davon abhängig ist, dass der Vermieter dem Mieter eine Nachfrist setzt (§ 281 Absatz 1 BGB) oder ob die mangelhafte Rückgabe der Mietsache bereits eine Schadensersatzpflichten begründende Pflichtverletzung des Mieters darstellt (§ 280 Absatz 1 BGB):

Nach dem Urteil des höchsten deutschen Zivilgerichts muss der Vermieter im Falle der Rückgabe einer beschädigten Mietsache keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung aussprechen (BGH VIII ZR 157/17). Das Erfordernis der Fristsetzung nach § 280 Absatz 1 und 3, § 281 Absatz 1 BGB gilt nur für die Nichterfüllung oder die Schlechterfüllung von Leistungspflichten. In diesen Fällen muss der Vermieter dem Mieter zunächst die Gelegenheit geben, die Leistungspflicht zu erfüllen. Kommt der Mieter dieser Leistungspflicht nicht nach, wandelt sich der Erfüllungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um. Bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassene Mietsache pfleglich zu behandeln und in vertragsgemäßem Zustand zu erhalten, handelt es sich aber um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht gemäß § 241 Absatz 2 BGB. Bei Verletzung einer solchen Nebenpflicht besteht ein Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung bereits dann, wenn die Voraussetzungen von § 280 Absatz 1 BGB vorliegen. Bei Beschädigungen der Mietsache kann der Vermieter daher sofort Schadensersatz in Geld verlangen, ohne dem Mieter zuvor eine Frist zur Nachbesserung zu setzen (vgl. § 249 BGB). Das gilt unabhängig davon, ob der Vermieter die Forderung vor oder nach Rückgabe der Mietsache geltend macht, denn § 546 BGB trifft keine Regelung dazu, in welchem Zustand die Rückgabe der Mietsache zu erfolgen hat.

Hintergrund: Die Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung, denn sie behandelt eine nahezu täglich auftretende Konstellation. Der Verzicht auf das Erfordernis der Fristsetzung zur Nachbesserung bei der Rückgabe einer beschädigten Mietsache steigert den Wert der Kaution erheblich, denn die oft als bloße Förmelei angesehene Aufforderung macht vielen Vermietern das Leben leichter. Auf der anderen Seite müssen Mieter damit rechnen leichter zur Verantwortung gezogen zu werden. Vermieter müssen fortan zwischen Leistungspflichten (§ 241 Absatz 1 BGB) und Nebenpflichten (§ 241 Absatz 2 BGB) unterscheiden:

Gibt der Mieter eine beschädigte Mietsache zurück, hat er gegen die Nebenpflicht im Sinne von § 241 Absatz 2 BGB verstoßen, die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu halten. In solchen Fällen bedarf es fortan keiner Nachbesserungsaufforderung mehr. Vielmehr kann der Vermieter frei wählen, ob er vom Mieter Nachbesserung verlangt oder Schadensersatz in Geld. Beispiel: Brandloch im Teppich, zerstörte Fensterscheibe oder verstopftes Klo.

Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen Mieter ihren Leistungspflichten nicht nachgekommen sind. Um eine Leistungspflicht handelt es sich beispielsweise, wenn dem Mieter die Vornahme von Schönheitsreparaturen auferlegt worden ist. Kommt der Mieter dieser Pflicht nicht oder schlecht nach, hat er gegen Leistungspflichten im Sinne von § 241 Absatz 1 BGB verstoßen. Hier steht dem Vermieter vorrangig ein Erfüllungsanspruch zu, der sich erst dann in einen Geldzahlungsanspruch umwandelt, wenn er dem Mieter vergeblich eine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat.

BGH, Urteil vom 28.02.2018 – VIII ZR 157/17

LG Schweinfurt, Urteil vom 30.06.2017 – 22 S 2/17

AG Bad Neustadt a. d. Saale, Urteil vom 06.10.2016 – 1 C 471/12

 

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