Kinderbetreuung hat für berufstätige Eltern oft eine existenzielle Bedeutung. Denn zur Arbeit gehen können Eltern nur dann, wenn die Kinder tagsüber versorgt sind. Für diejenigen, die keinen Kindergartenplatz bekommen und keine Großeltern oder Freunde zum Aufpassen haben, scheidet die Berufstätigkeit regelmäßig aus.
Der auf dem Papier bestehende bundesgesetzlich geregelte Anspruch auf einen Kita-Betreuungsplatz nach § 24 Absatz 2 SGB VIII ändert daran kaum etwas. Der Anspruch bezieht sich auf einen Kindergartenplatz „im örtlichen Einzugsbereich“, sodass Eltern durchaus auch auf einen Kindergarten verwiesen werden können, der zwar in derselben Gemeinde aber weiter entfernt ist. Außerdem nützt der Anspruch wenig, wenn Plätze schlichtweg nicht zur Verfügung stehen. In diesem Fall haben Eltern zwar einen vor Gericht einklagbaren Anspruch, das kostet aber Zeit, Nerven und Geld. Wenn nicht genügend Urlaubstage für die Dauer des Gerichtsverfahrens zur Verfügung stehen, kann der Verlust des Kita-Platzes schlimmstenfalls auch den Verlust des Arbeitsplatzes nach sich ziehen.
Eltern haben oft das Gefühl, dass die Gefahr des Verlustes des Kita-Platzes nicht besteht. Offenbar rührt dieses Gefühl daher, dass der deutsche Sozialstaat Menschen, die als schutzbedürftig angesehen werden, vor vielen Nachteilen bewahrt. Dazu zählen Arbeitnehmer und Mieter, die gesetzlich dermaßen in Watte gepackt sind, dass sie sich erheblich daneben benehmen müssen, um den Verlust des Arbeitsplatze oder der Wohnung zu riskieren. Ein vergleichbarer Schutz existiert bei Kindergartenplätzen nicht. Eltern sind deshalb oft überrascht, wenn ein Streit mit der Kita zur Kündigung des Betreuungsvertrags führt und sie praktisch schutzlos dastehen.
Über die Erziehung von Kindern gibt es unterschiedliche Auffassungen, beispielsweise was das Toben, Lautsein oder das Ordnung halten anbelangt. Besonders konfliktträchtig sind aber vond er Kita ergriffene Zwangsmaßnahmen, wie das zwangsweise Essen von Speisen, die das Kind nicht mag, oder das zwangsweise Liegen während der Mittagschlafzeit nebst Toilettenverbot. Rechtlich liegen solche Maßnahmen deutlich im Graubereich und können im Einzelfall sogar strafrechtlich relevant sein als Nötigung und Körperverletzung (§§ 240, 223 StGB). Dass ein Kind einmal länger als andere Kinder am Tisch sitzen muss, damit es das Essen aufisst, oder Sanktionen ergriffen werden, wenn ein Kind beim Mittagschlaf stört, ist in der Regel rechtlich nicht zu beanstanden. Anders kann das aber bei der Zwangsfütterung gegen den Willen des Kindes aussehen oder beim Verbot, die Toilette zu benutzen. Aber auch hier ist Augenmaß gefragt: Wer mit Kindern zu tun hat, weiß, dass die Toilettenbenutzung während des Mittagschlafs schnell zu einer Massenbewegung werden kann und der Mittagschlaf dann praktisch für alle Kinder dahin ist. Eltern sind zumeist gut beraten, mit Kritik an der Kita zurückhaltend zu sein, es sei denn es liegt ein besonders krasser Fall vor.
So erging es Anja G. (Name von der Red. geändert). Ihr Sohn Hans macht seit er vier Jahre alt ist keinen Mittagschlaf mehr. In der Kita existiert aber die Regel, dass alle Kinder Mittagschlaf zu machen haben. Ausnahmen werden nicht zugelassen, Grund: es stehen keine Räumlichkeiten zur Verfügung für Kinder, die während der Mittagsschlafzeit wach sind, und es gibt kein Personal, das währenddessen auf die wachen Kinder aufpassen könnte. Anfangs gelang es Hans manchmal zu schlafen, allerdings mit der Folge, dass er abends nicht vor 22 Uhr zur Ruhe kam. Später lag er während der Mittagschlafzeit im verdunkelten Gruppenraum wach – ihm wurde das Aufstehen untersagt und er hatte still zu liegen, er durfte sich nicht einmal umdrehen. Hinzu kam, dass er während der ein bis zweistündigen Mittagsruhe nicht zur Toilette gehen durfte, mit der Folge, dass der längst trockene Junge mehrfach während der Liegezeit einnässte. Er begann auf dem Daumen zu nuckeln, litt unter Ekzemen an den Mundwinkeln und das Schneiden der Fingernägel war nicht mehr notwendig, weil er sich die Nägel abkaute. Die Kita wiegelte ab: es stehe überhaupt nicht fest, dass das Daumennuckeln und die abgekauten Fingernägel mit der Mittagsruhe zusammenhängen. Und dass Hans während der Mittagsruhe manchmal einpullert, sei ganz normal. Schließlich komme das auch bei älteren Kindern vor. Anja G. gab sich damit nicht zufrieden und verlangte, für ihren Sohn eine Ausnahme vom Mittagschlaf zuzulassen. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Anja G. erhielt die Kündigung des Betreuungsvertrags, ohne Angabe von Gründen.
Gegen die Kündigung des Kita-Betreuungsvertrags sind Eltern regelmäßig machtlos. Denn rechtlich handelt es sich um einen Dienstvertrag mit untergeordneten mietrechtlichen Elementen, der jederzeit gekündigt werden kann. Die Kündigung kann zum 15. eines Monats für den Schluss des Monats erklärt werden (§ 621 Nummer 3 BGB). Schlimmstenfalls haben Eltern daher nur gut 14 Tage Zeit, sich um eine anderweitige Betreuung des Kindes zu kümmern. Das gelingt in vielen Fällen nicht. Der eingangs bereits genannte staatlich garantierte Anspruch auf einen Kita-Platz hindert die Kita nicht an der Kündigung. Denn der Anspruch bezieht sich nicht auf eine bestimmte Kita und beeinflusst den privatrechtlich abgeschlossenen Betreuungsvertrag nicht. Da das Gesetz die jederzeitige Kündbarkeit vorsieht, müssen Kitas bei der Kündigung keine Gründe angeben. Aus rechtlicher Sicht sind Kitas auch gut beraten, von der Nennung von Gründen abzusehen, da das die Kündigung angreifbar machen könnte. Angesichts der klaren Rechtslage stellt sich regelmäßig nicht die Frage, ob die Kündigung für die Eltern zumutbar ist oder ob die Kita rechtsmissbräuchlich gehandelt hat (vgl. AG München, Urteil vom 14.04.2011 – 222 C 8644/11). Der Kita-Platz Kündigung ist eine Sozialauswahl fremd und es gilt kein Willkürverbot. Rechtlich hat Anja G. also keine Handhabe gegen die Kündigung. Sie kann nur versuchen so schnell wie möglich einen neuen Kindergartenplatz zu finden. Dass sie für die Überbrückungszeit ihren Urlaub aufbrauchen muss und wenn dieser verbraucht ist sogar der Arbeitsplatz in Gefahr gerät, ist ihr Problem.
Soviel soziale Kälte überrascht. Aber das ist die traurige Realität bei der Kita-Kündigung. Aus dem Arbeitsrecht und dem Mietrecht bekannte Kündigungsbeschränkungen oder eine Sozialauswahl sind dem Kita-Recht schlichtweg fremd. Angesichts des Umstands, dass sowohl die Rechte der Eltern als auch die Rechte der betroffenen Kinder ganz erheblich betroffen sind (Art. 6 GG, Art. 2 Absatz 1 GG), kann man hier eine deutliche Schieflage erkennen. Hätte Anja G. das gewusst, hätte sie gar nicht mit der Kita gesprochen, sondern sich gleich um einen anderen Platz für ihren Sohn gekümmert. Immerhin hätte sie dann mehr Zeit für die Suche gehabt.
Kindergärten sind durch diese Rechtslage mit einer erheblichen Macht ausgestattet. Positiv daran mag sein, dass damit den Kitas die Möglichkeit gegeben wird, eigene Konzepte umzusetzen, ohne dass sie sich gegenüber Eltern rechtfertigen müssen. Das wäre wohl verkraftbar, wenn Eltern immer die Wahl hätten zwischen mehreren Kindergärten und Konzepten. Das ist aber leider meistens nicht der Fall. Eltern sind froh, überhaupt einen Kita-Platz zu bekommen und sind gut beraten, sich mit Kritik zurückzuhalten. Denn ein Kindergarten kann von Gesetzes wegen den Platz ohne Vorliegen von Gründen jederzeit kündigen. Anlass einer Kündigung kann „unangebrachte“ Kritik ebenso sein wie die Nase der Mutter.
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