Als Reaktion auf immer länger dauernde Gerichtsverfahren hat der Gesetzgeber im Jahr 2011 eine Entschädigungspflicht gesetzlich geregelt, die überlangen Gerichtsverfahren entgegenwirken soll. Nach § 198 GVG besteht seither die Möglichkeit für Verfahrensbeteiligte, Verzögerungsrügen auszusprechen, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden. Für jedes Jahr der Verzögerung sind den rügenden Verfahrensbeteiligten Entschädigungen in Höhe von 1200 Euro zu zahlen. Für die Durchsetzung des Anspruchs ist vorgesehen, dass spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft Klage zu erheben ist (§ 198 Absatz 5 Satz 2 GVG). Das OLG Koblenz hat nun entschieden, dass die Sechsmonatsfrist eine materielle Ausschlussfrist darstellt (1 EK 6/17). Mit Ablauf der Frist fällt der Anspruch daher weg. Anders als die gesetzliche Rückwirkung nach § 167 ZPO, die eine Klage als rechtzeitig gelten lässt, wenn die Klage vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist aber erst nach Ablauf der Frist dem Prozessgegner zugestellt wird, komme eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.
Angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift überrascht die Entscheidung nicht. Rechtsanwälte sollten die Entscheidung zum Anlass nehmen, den Umgang mit der Verzögerungsrüge zu prüfen. Denn § 198 GVG bietet ein breites Feld für die Anwaltshaftung: bringt etwa ein Anwalt eine Verzögerungsrüge nicht zeitgerecht heraus, obgleich die Voraussetzungen dafür vorliegen, oder versäumt der Anwalt es, den Mandanten darüber aufzuklären, hat regelmäßig der Anwalt bzw. dessen Haftpflichtversicherung für die entgangenen 1200 Euro aufzukommen. Selbstverständlich gilt das gleichermaßen für die Versäumung der Frist nach § 198 Absatz 5 Satz 2 GVG. Wichtig für Rechtsanwälte ist deshalb, sich neben den im Verfahren relevanten Fristen auch Wiedervorlagen für Verzögerungsrügen und die klageweise Geltendmachung der Entschädigung zu notieren.
Von Gesetzes wegen darf eine Verzögerungsrüge keine Nachteile im Verfahren mit sich bringen. Das bedeutet, dass ein Gericht denjenigen, der eine Verzögerung rügt, nicht schlechter behandeln darf als denjenigen, der sich devot mit der Länge des Verfahrens abgibt. Ob dies wirklich in allen Fällen passiert, ist eine andere Frage. Anwälte sind jedoch gehalten, die Mandanten über die Möglichkeit der Verzögerungsrüge aufzuklären.
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