Das Finanzgericht Düsseldorf hat einer Freimaurerloge die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit versagt. Die Düsseldorfer Richter meinten, dass die Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung dann nicht anzunehmen sei, wenn eine Körperschaft ausschließlich männliche Mitglieder aufnehme und Frauen außen vor bleiben. Die Logenbrüder gaben sich mit der Entscheidung nicht zufrieden und wandten beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, dass sie sehr wohl steuerbegünstigte Zwecke verfolgen im Sinne von § 52 f. AO. Außerdem sei es ihnen von Verfassungs wegen gestattet, nur männliche Mitglieder aufzunehmen, zumal die gemeinnützigen Zwecke unabhängig von ihrer Zusammensetzung erfüllt würden. Ohne Erfolg: Der Bundesfinanzhof in München bestätigte die Düsseldorfer Entscheidung. Es bleibt also dabei, dass die Freimaurerloge nicht gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung ist.
Der BFH führt aus, dass die Loge nicht darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit im Sinne von § 52 Absatz 1 Satz 1 AO zu fördern, weil sie Frauen ohne zwingende Gründe von der Mitgliedschaft ausnimmt. Damit stellt der BFH nicht allein auf die Förderzwecke ab, sondern auch auf die Verfassung der Körperschaft. Das bedeutet, dass nicht bloß das Wirken der Körperschaft den Anforderungen an die Gemeinnützigkeit entsprechen muss, sondern auch die Vereinigung selbst. Alle Bestrebungen, so das Gericht, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, seien nicht als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen. Ein Verein, der die Gleichheit der Menschen nicht anerkenne, verfolge solche nicht anerkennenswerten Bestrebungen, denn er verhält sich in Widerspruch zu Art. 3 Absatz 3 GG (“Niemand darf wegen seines Geschlechtes .. benachteiligt oder bevorzugt werden”). Zwingende Gründe für eine Ungleichbehandlung seien nicht erkennbar und die Ungleichbehandlung sei auch nicht durch kollidierende Grundrechte oder hergebrachte Traditionen gerechtfertigt. Eine Anerkennung mildtätiger Zwecke nach § 53 AO erkannte der BFH ebenfalls nicht, da die Loge auch nicht begünstigte Zwecke verfolgt. Den Hinweis der Logenbrüder, dass bei Finanzämtern auch Ordensschwestern, die nur Frauen aufnehmen, und Schützenvereine, die nur Männer aufnehmen, als gemeinnützig anerkannt seien, schlug der BFH mit der Bemerkung aus, dass es nach Art. 3 GG keine Gleichbehandlung im Unrecht gebe.
Zwar sind die finanziellen Auswirkungen in dem entschiedenen Fall gering, da die Logenbrüder im streitigen Jahr 2012 gerade einmal Körperschaftssteuer in Höhe von 201 Euro zu zahlen hatten – und der Betrag wurde nach dem Einspruch sogar auf 0 Euro herabgesetzt. Aber die über die Entscheidung hinausgehenden Auswirkungen sind enorm. Es geht um die Steuerfreiheit und um den Spendenabzug, die Vereinen, die nicht als gemeinnützig anerkannt werden, verwehrt ist. Ein Verein, der nicht von der Steuerfreiheit profitiert, muss seine Einnahmen versteuern und dafür Steuern abführen (Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer). Der zweite Vorteil der Gemeinnützigkeit, der Steuerabzug, betrifft die Möglichkeit, dass diejenigen, die Spenden an den Verein leisten, diese von der Steuer absetzen können. Je nach Steuersatz kann das die Spendenlaune deutlich heben. Ein Verein, der nicht als gemeinnützig anerkannt ist, hat es deshalb deutlich schwerer, Spenden einzusammeln, da die Spender die geleisteten Zahlungen nicht von der Steuer absetzen können. Hinzu kommt noch, dass für die Erreichung desselben Spendenaufkommens aufgrund der Steuerbelastung regelmäßig eine höhere Summe notwendig ist.
Die Entscheidung hat Auswirkungen auf klassische Männervereine, wie Lions-Clubs, Rotary-Clubs und andere Zusammenschlüsse, die ausschließlich ein Geschlecht zulassen. Diese Clubs sind oft so organisiert, dass sie neben dem eigentlichen Club, der nur Männer zulässt, einen Förderverein unterhalten, dem die Clubmitglieder angehören. Zweck des Fördervereins ist es, die Steuervergünstigungen zu erlangen, die einem reinen Personenzusammenschluss (Club) von Gesetzes wegen nicht zukommen können, wohl aber dem Verein, der eine Körperschaft im Sinne der Abgabenordnung ist (vgl. § 51 AO).
Hat die Entscheidung zur Folge, dass rein männliche Clubs bzw. deren Fördervereine verboten sind?
Nein. Denn die Entscheidung des Bundesfinanzhofs befasst sich allein mit der steuerrechtlichen Behandlung von Vereinen. Dass die Aufnahme an ein bestimmtes Geschlecht gebunden ist, ist daher von Gesetzes wegen nicht verboten. Die Vereine müssen aber mit steuerrechtlichen Nachteilen leben. Reine Männervereine mit einem hohen Spendenaufkommen – was durchaus auf einige Lions- und Rotary-Clubs zutrifft – werden durch die Entscheidung hart getroffen, weil sie ihre Einnahmen versteuern müssen und für Spenden keine Spendenquittungen mehr ausstellen dürfen bzw. die Spender die Spendenzahlungen nicht mehr von der Steuer absetzen können, was wiederum zu Lasten der Spendenbereitschaft gehen dürfte.
Wie wirkt sich die Entscheidung des BFH aus bzw. was kommt auf reine Männerclubs zu?
Die Finanzämter, die in der Anerkennung solcher Vereine bisher keine einheitliche Linie hatten, werden die Entscheidung des BFH umsetzen und prüfen, welche Vereine reine Männerdomänen sind. Da es nicht bloß auf die Satzung, sondern auf die tatsächliche Handhabung ankommt, darf mit Nachfragen seitens der Finanzämter gerechnet werden. Wenn eine Beschränkung auf Männer oder Frauen festgestellt wird, wird die Gemeinnützigkeit nicht anerkannt. Aber Vorsicht: die Anforderungen an einen geschlechtsneutralen Verein dürfen nicht bloß auf dem Papier existieren, sondern sie müssen auch praktisch umgesetzt werden.
Kann “Mann” sich den Auswirkungen der Entscheidung entziehen durch einen separaten Spendensammelverein?
Formal wäre eine Umgehung der Entscheidung durchaus möglich. Lions und Rotary Clubs verfügen bereits über die notwendigen Strukturen, denn sie bestehen oft aus dem eigentlichen Club – der auf Männer beschränkt ist – und separaten Spendenvereinen (e.V.), zu denen satzungsgemäß in der Regel nur Clubmitglieder Zutritt haben. Mit wenig Aufwand können die Spendenvereine für Frauen geöffnet werden, sodass auch Frauen Vereinsmitglied werden dürfen. Dass eine Mitgliedschaft im Spendenverein für Frauen nicht besonders attraktiv ist, da dort nur gespendet wird, spielt formal keine Rolle, denn der Verein entspricht den Anforderungen an eine Geschlechtsneutralität. Da sich das eigentliche Clubleben im Club und eben nicht im Spendenverein abspielt, wird sich bei einer solchen Konstruktion für die Männertradition nicht viel ändern, außer dass die Möglichkeit besteht, dass bei den Vereinssitzungen auch einmal Frauen dabei sind. Dieses “Risiko” ist aber angesichts des Umstandes, dass man im Spendenverein nur zum Spenden Mitglied ist, gering. Kritiker werden der Konstruktion des Männer-Clubs mit angeschlossenem geschlechtsoffenen Verein vorwerfen, dass es sich um eine Umgehung handelt. Ob der BFH allerdings so weit geht, dass auch männerdominierte Vereine nicht gemeinnützig sind, ist zu bezweifeln. Denn dann müsste konsequenterweise auch den meisten Schützenvereinen, in denen mehr Männer aktiv sind, die Gemeinnützigkeit aberkannt werden.
Die politisch zu begrüßende Entscheidung ist mit ihrer Bezugnahe auf die freiheitlich demokratische Grundordnung und Art. 3 GG rechtlich hoch aufgehängt – und sie wirkt auf den ersten Blick überraschend: Denn für die Steuerbegünstigung müsste es eigentlich keinen Unterschied machen, ob diejenigen, die Spenden für steuerbegünstigte Zwecke einsammeln, Männer oder Frauen oder gemischte Vereine sind. Man mag meinen, dass der steuerbegünstigte Zweck nach der Abgabenordnung nichts mit der Verfassung des Vereins zu tun hat. Das sieht der Bundesfinanzhof anders, indem er die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit auf die Vereinssatzung erstreckt und verlangt, dass der Verein selbst auch gemeinnützig organisiert sein muss. Damit verträgt sich eine Beschränkung auf ein Geschlecht nicht. Diese weit reichende Definition der Gemeinnützigkeit, die über die Zweckerfüllung hinausgeht, ist konsequent, denn die Gemeinnützigkeit ist eine steuerliche Begünstigung, die den Begünstigten durchaus abverlangen darf, selbst ebenfalls den im Staate geltenden Grundanforderungen zu entsprechen. Ob die Entscheidung bereits bei allen Männerclubs angekommen ist, darf bezweifelt werden. Das Erwachen wird aber spätestens mit dem Brief des Finanzamts oder dem Steuerbescheid einsetzen.
Für Beschwichtigungen, dass es schon nicht so schlimm kommen werde, ist kein Raum. Wer auf einen Kuschelkurs der Finanzämter hofft, wird enttäuscht werden. Der BFH hat mit dem Hinweis darauf, dass die rechtswidrige Handhabung bei anderen Vereinen (vgl. Schützenvereine und Ordensschwestern) keinen Anspruch auf Gleichbehandlung bietet, ein deutliches Signal für die künftige Linie gesetzt. Für Ausnahmen ist daher nur noch dort Raum, wo es zwingende Gründe für eine geschlechtliche Ungleichbehandlung gibt (z. B. Mütterverein / Väterverein).
BFH, Urteil vom 17.05.2017 – V R 52/15
FG Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2016 – 6 K 2138/14 K
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