Im Nachbarrecht stellt sich oft die Frage, ob vom Nachbargrundstück ausgehende negative Beeinträchtigungen durch dort befindliche Bäume zu dulden sind und ob dafür ein Ausgleich verlangt werden kann. Laub führt zur Verstopfung von Dachrinnen und Fallrohren und erschwert die Nutzung des Regenwassers. Außerdem kommt es zur Vermoosung des Daches und einer Verschmutzung der Kehlen und Dachflächenfenster. Bei Außenjalousien und Fensterdichtungen führt die erhöhte Belastung nicht selten zu einer verkürzten Lebensdauer. Reinigungsarbeiten erfordern einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand und sind zudem gefährlich. Regelmäßig führen Maßnahmen zur Verminderung der Einwirkungen nicht zu dem gewünschten Ergebnis: So bringen Abdeckungen der Regenrinnen und das Spannen von Netzen oft keinen Erfolg, weil dann die Abdeckungen und Netze ihrerseits zu reinigen sind, was ebenfalls einen erheblichen Aufwand mit sich bringt. Schließlich bringen hohe Bäume oft auch eine erhebliche Verschattung mit sich.
Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, vom Nachbarn, auf dessen Grundstück die Bäume stehen, einen finanziellen Ausgleich zu verlangen. Ob und in welchen Fällen das in Betracht kommt, wir nachstehend untersucht.
Sofern Bäume auf das Nachbargrundstück ragen, kann der Eigentümer des betroffenen Grundstücks diese abschneiden und behalten (§ 910 Abs. 1 S. 1 BGB), wenn dem Nachbarn zuvor eine angemessene Frist zur Beseitigung gegeben wurde (§ 910 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Benutzung des Grundstücks durch die überragenden Zweige die Nutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigt wird (§ 910 Abs. 2 BGB). Die Rechtsprechung ist in solchen Fällen recht einheitlich, da die Beeinträchtigung im Wesentlichen davon abhängt, in welcher Höhe die Äste oder Zweige das Nachbargrundstück überragen. Anhand dessen kann regelmäßig relativ einfach festgestellt werden, ob dies zu einer Beeinträchtigung führt.
Sonstige Beeinträchtigungen, die von Bäumen des Nachbargrundstücks ausgehen, sind hinzunehmen, soweit sie keine wesentliche Beeinträchtigung darstellen (§ 906 Abs. 1 S. 1 BGB). Sofern Beeinträchtigungen wesentlich sind, kann der Nachbar verlangen, dass Vorkehrungen getroffen werden, die diese Beeinträchtigungen verhindern (gem. § 1004 BGB).
Wenn die Beeinträchtigungen aber ortsüblich sind und durch zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden können, hat der Nachbar auch wesentliche Beeinträchtigungen hinzunehmen (§ 906 Abs. 2 S. 1 BGB). In diesem Fall räumt das Gesetz dem beeinträchtigten Nachbarn einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich in Geld ein, wenn die ortsübliche Benutzung über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird (§ 906 Abs. 3 S. 2 BGB). Dabei sind die folgenden Punkte maßgeblich:
handelt es sich um wesentliche Beeinträchtigungen, die von bloßen Belästigungen abzugrenzen sind,
falls ja, wird die Nutzung des gestörten Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus gestört.
Ob eine Beeinträchtigung durch Laub und andere durch Bäume bedingte Emissionen des Nachbargrundstücks als wesentlich anzusehen ist oder nur als „bloße“ Belästigung anzusehen ist, kann nicht anhand einer Faustformel festgestellt werden. Selbst die Rechtsprechung ist zu diesem Thema nicht einheitlich. Grundsätzlich gilt: Maßstab bei der Frage der Wesentlichkeit ist nicht das subjektive Empfinden des Immissionsbelasteten, sondern das objektive, wandelbare, d. h. auch vom jeweiligen Umweltbewusstsein geprägte Empfinden des durchschnittlichen Nutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit (OLG Frankfurt, Urteil vom 13.06.1991 – 1 U 122/89; BGH, Urteil vom 30.10.1981 – V ZR 191/80).
Teilweise wird angenommen, dass Laubfall in der Regel nur eine unwesentliche Einwirkung auf das Nachbargrundstück ist:
Andere Gerichte dagegen sehen wesentliche Beeinträchtigungen durch Bäume bei
Bei der Ermittlung der Wesentlichkeit sind zudem landes- und ortsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die unter Umständen die Duldungspflichten im Rahmen des § 906 BGB verschärfen. Hierauf wird unten zurückzukommen sein.
Sollte eine wesentliche Beeinträchtigung anzunehmen sein, kommt es für die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs darauf an, ob die Beeinträchtigungen über das zumutbare Maß hinausgehen. Auch hier kann nicht abstrakt bestimmt werden, was als zumutbar anzusehen ist. Auszugehen ist jedoch von der Ortsüblichkeit. Als Faustformel gilt: Je mehr Bäume sich in der näheren Umgebung befinden und je mehr die Umgebung von Bäumen geprägt ist, umso zumutbarer ist die Beeinträchtigung durch Bäume auf dem Nachbargrundstück.
Inwieweit sich Ausgleichsansprüche ergeben, wird von der Rechtsprechung anhand von allen Umständen des Einzelfalles, insbesondere anhand der ohne Rücksicht auf den durch die Bäume verursachten Mehraufwand, ohnehin notwendigen Reinigungsaufwand bestimmt. So entschied das OLG Frankfurt (Urteil vom 13.06.1991 – 1 U 122/89), dass bei einem Gesamtreinigungsaufwand von drei Stunden pro Woche, um alljährlich in der Zeit von Oktober bis Februar drei bis vier Zentner Laub zu entfernen, wegen der Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung keine Ansprüche auf Ausgleich gegen den Nachbarn bestehen. Bei der vorgenannten Entscheidung argumentierte das Gericht zudem damit, dass der Mehraufwand durch die Bäume nicht ins Gewicht falle, da die Pflege- und Reinigungsmaßnahmen wegen der Verkehrssicherungspflicht für die auf dem Grundstück vermieteten Garagen ohnehin groß sei.
Das AG Frankfurt (Urteil vom 28.07.1989 – 32 C 27/88 – 19) verneinte einen Ausgleichsanspruch trotz wesentlicher Beeinträchtigung unter Hinweis auf die Prägung des Wohngebiets, da die hohe Wohnqualität im Wesentlichen auf den alten Baumbestand zurückzuführen sei.
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: Sofern die wesentlichen Beeinträchtigungen ortsüblich sind, kann der betroffene Nachbar nur bei Unzumutbarkeit Ausgleich verlangen. Dieser Ausgleichsanspruch beläuft sich auch nur auf den unzumutbaren Anteil der Beeinträchtigung, nicht aber auf die Gesamtbeeinträchtigung als solche (BGH, Urteil vom 29.03.1984 – III ZR 11/83).
Die unter dargestellten Ansprüche nach §§ 906, 1004 BGB fallen jedoch weg, wenn der in Rede stehende Baum unter den Schutzbereich einer lokalen Baumschutzsatzung fällt oder von einem Nachbargesetz geschützt wird. Bei Bäumen, die beispielsweise unter eine Baumschutzsatzung fallen, besteht hinsichtlich ihrer Beeinträchtigungen, auch wenn sie für den Nachbarn wesentlich und unzumutbar sind, eine Duldungspflicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 13.06.1991 – 1 U 122/89). Dies hat zur Folge, dass
Beispiel: Baumschutzsatzung für die Hansestadt Rostock, in deren Geltungsbereich auch Warnemünde fällt (erlassen aufgrund von § 26 Abs. 1 und 3 LNatSchG, Amts- und Mitteilungsblatt der Hansestadt Rostock Nr. 25 vom 12. Dezember 2001). Unter den Schutzbereich dieser Satzung fallen alle Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 0,50 Metern, bei Obstbäumen mindestens 0,80 Metern, gemessen in 1,30 Metern Höhe über dem Erdboden (§ 2 Baumschutzsatzung HRO). Sofern die Bäume diese Voraussetzungen erfüllen, kommen die unter dargestellten Ansprüche nicht in Betracht, da nach dem Willen der Gesetz- und Satzungsgeber ein Allgemeininteresse gegeben ist, deren Lasten auch die Allgemeinheit – oder genau genommen jeder Betroffene – zu tragen verpflichtet ist.
Rechtlich stellt sich die Lage bei Berücksichtigung der Baumschutzsatzung wie folgt dar:
Ansprüche auf Beseitigung von Bäumen und herüberragenden Ästen kommen gem. § 1004 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, da eine Duldungspflicht besteht (gem. § 1004 Abs. 2 BGB). Diese Duldungspflicht wird aus dem Verbot, Bäume zu beschädigen hergeleitet (§ 4 Abs. 1 S. 1 Baumschutzsatzung HRO). Ausnahmen hierzu regeln sich anhand der Baumschutzsatzung.
Ansprüche auf Ausgleichszahlungen wegen wesentlicher Beeinträchtigungen gem. § 906 Abs. 3 BGB scheiden aus, da die Vorschrift wegen der vorrangig anzuwendenden Baumschutzsatzung keine Anwendung findet. Rechtlich wird dies daraus hergeleitet, dass ein Ausgleichsanspruch nur dann vorgesehen ist, wenn eine Duldungspflicht „hiernach“ (also nach § 906 BGB) besteht. Da eine Duldungspflicht aber nicht aufgrund von § 906 BGB (vgl. „hiernach“), sondern aufgrund der Baumschutzsatzung besteht, wird diese Satzung als vorrangig gegenüber § 906 BGB angesehen, so dass auch Ausgleichsansprüche schlechthin ausscheiden (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 09.04.1986 – 1 S 599/84). Demnach sind Ansprüche wegen Beeinträchtigungen aufgrund von Bäumen, die in der Höhe von 1,30 Metern einen Stammdurchmesser von mehr als 0,50 Meter oder bei Ostbäumen von 0,80 Metern haben, ausgeschlossen.
In Betracht kommen indessen Ansprüche aufgrund der Nichteinhaltung von Grenzabständen (den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH, Urteil vom 14.11.2003 – V ZR 102/03). Der zitierten BGH-Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei dem Bäume auf dem benachbarten Grundstück unter Verletzung der landesrechtlich vorgesehenen Grenzabstände unterhalten wurden. Der Nachbar konnte wegen eben dieser landesrechtlichen Vorschriften, die eine Frist zur Geltendmachung eines Beseitigungsbegehrens vorsahen, aufgrund Ablaufs dieser Frist nicht mehr verlangen, dass die Bäume entfernt werden. Dementsprechend billigte das Gericht (zumindest) einen Anspruch auf Ersatz der erhöhten Reinigungskosten zu (gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog). Grund für den Ausgleichsanspruch war, dass der betroffene Nachbar bereits durch die nicht eingehaltenen Grenzabstände unzumutbar betroffen war. Wenn ihm schon – wegen Fristablaufs – nicht möglich sei, die Entfernung der Bäume zu verlangen, so sollten die Emissionen der Bäume zumindest als unzumutbare Beeinträchtigung einen Ausgleichsanspruch auslösen. Ob die Grenzabstände eingehalten sind, ist anhand des anzuwendenden Landesrechts und Ortsrechts zu prüfen und damit eine Frage des Einzelfalls.
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