Ein Urteil mit Signalwirkung hat das Amtsgericht Bad Hersfeld gefällt (Urteil vom 20.03.2017 – F 111/17). Darin ging es um die Weitergabe von Daten über den Messenger-Dienst WhatsApp. Die von Datenschützern bereits seit geraumer Zeit kritisierte Praxis, dass WhatsApp Nutzerdaten automatisch abgleicht, hat nämlich zur Konsequenz, dass einzelne Nutzer dafür verantwortlich gemacht werden können. WhatsApp nimmt einen automatischen Abgleich zwischen den Telefonbucheinträgen vor und übermittelt die Kontakte nebst Telefonnummer an WhatsApp. Nutzer können daher komfortabel bei WhatsApp sehen, welche der eigenen Kontakte über WhatsApp zu erreichen ist. Die damit verbundene Weitergabe von Daten ist indessen nach dem Datenschutzrecht nur mit Zustimmung der Personen zulässig, deren Kontaktdaten übermittelt werden. Eine Zustimmung liegt regelmäßig nicht vor.
Das ist einem Sorgerechtsstreit ergangene Urteil befasste sich mit der Smartphone-Nutzung durch einen Minderjährigen. Das Gericht hat entschieden, dass eine Mutter, die ihrem 13-jährigen Sohn ein Smartphone überlässt, die ordnungsgemäße Benutzung des Geräts zu überwachen hat. Bei der Nutzung von WhatsApp entstehe die Gefahr von Unterlassungsansprüchen und Abmahnungen, sofern Nutzerdaten ohne Einverständnis weitergegeben werden. Auf dem Smartphone des Viertklässlers waren 11 Kontakte Gleichaltriger gespeichert, die nun möglicherweise Unterlassungsansprüche aufgrund der Weitergabe von Daten geltend machen können. Aufgabe des Sorgeberechtigten sei es, dafür Sorge zu tragen, dass solche Einverständniserklärungen vorliegen. Anderenfalls bestehe die Gefahr, dass Personen, die als Kontakte im Smartphone gespeichert sind, gegen den Minderjährigen Unterlassungsansprüche geltend machen.
Das Amtsgericht knüpft an die Argumentation von Datenschützern an. Diese argumentieren, dass allein die Nutzung von WhatsApp für eine Zustimmung zur Weitergabe von Daten nicht ausreicht. Zwar stimme jeder Nutzer von WhatsApp der Weitergabe seiner Daten zu. Eine solche Zustimmung sei aber in AGB-Form unzulässig. Dementsprechend kam es nicht entscheidend darauf an, dass die Wirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von WhatsApp außerdem sehr zweifelhaft ist. Unterlassungsansprüche, die regelmäßig hohe Rechtsanwaltskosten veranlassen, könnten auf § 28 BDSG i.V.m. § 823 Absatz 2 BGB oder auf eine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts gestützt werden (Art. 2 Absatz 1, Art 1 Absatz 1 GG, § 823 Absatz 1 GG). Der Mutter wurde daher aufgegeben, die Zustimmung der Personen, die als Kontakte gespeichert sind, nachzuweisen.
Rechtlich besteht tatsächlich eine realistische Gefahr für Abmahnungen, denn die Argumentation des Amtsgerichts Bad Hersfeld ist rechtlich sauber und kaum widerlegbar, was weniger der juristischen Brillianz der Bad Hersfelder Richter, sondern vielmehr der jahrelangen Vorarbeit von Datenschützern zu verdanken ist. Die vorliegende Entscheidung hat es vollbracht, die rechtliche Unzulänglichkeit der WhatsApp Nutzungsbedingungen auf einen Sorgerechtsfall anzuwenden. Dabei hat es die Gefahr der Abmahnungen herausgearbeitet. Das Anrollen einer Abmahnwelle ist wohl nicht zu erwarten: Unterlassungsansprüche stehen den Kontakten zu und in der Regel ist eine anwaltliche kostenpflichtige Abmahnung geeignet, der Freundschaft zu schaden. Außerdem könnte der Abgemahnte eine Gegenabmahnung aussprechen lassen, wenn er selbst als Kontakt beim Abmahner gespeichert war und selbst ebenfalls von der Datenweitergabe betroffen war. Freilich sind diese Gründe eher praktischer als rechtlicher Natur. Sie dürften aber Hindernis genug sein, dass Abmahnungen in solchen Fällen eine Ausnahmeerscheinung bleiben.
Das Abmahnrisiko kann minimiert werden durch eine beherzte Bereinigung der gespeicherten Kontakte. Denn Personen, die nicht als Kontakt gespeichert sind, können keine Abmahnung aussprechen lassen. Damit ist indessen das Risiko, für eine in der Vergangenheit liegende Rechtsverletzung in Anspruch genommen zu werden, nicht aus der Welt geschafft. Ganz sicher geht derjenige, der sich von allein seinen Kontakten eine Einverständniserklärung zur Datenweitergabe beschafft. Aber Vorsicht: Wer Unternehmer ist, dem hilft auch dieser Tipp nichts, denn auch eine Einverständniserklärung kann, wenn ein selbst erstellter Vordruck benutzt wird, als AGB qualifiziert werden und die Zustimmung per AGB soll gerade nicht ausreichen.
AG Bad Hersfeld, Urteil vom 20.03.2017 – F 111/17
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