Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin sorgt für Aufsehen. Das Gericht hatte über eine Klage eines Schülers zu entscheiden, der sich dagegen wehrte, dass ein Lehrer sein Handy eingezogen hatte. Grund: der Schüler hatte mit dem Handy wiederholt den Unterricht gestört. Das besondere an dem Fall war, dass der Lehrer das Mobiltelefon nicht bloß während der Unterrichtszeit einkassierte, sondern auch über das Wochenende. Der stellvertretende Schulleiter entschied, dass die Eltern das Handy am Montag nach dem Wochenende wieder abholen dürfen. Der Schüler sah darin eine rechtswidrige Demütigung. Das VG wies die Klage als unzulässig ab. Maßgeblich dafür war, dass der mittlerweile 18 Jahre alte Schüler eine andere Schule besuchte und sich der Vorgang deshalb nicht wiederholen kann. Deshalb fehlte es letztlich an einem Feststellungsinteresse. Außerdem, so das Gericht, sein in der Abnahme des Handys kein schwerwiegender Grundrechtseingriff zu sehen und dies stelle auch keinen Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht dar. Dass der Schüler “plötzlich unerreichbar” sei, stelle keine unzumutbare Beeinträchtigung der Grundrechte dar.
Die Entscheidung wird nun unter der Überschrift “Lehrer darf Handy übers Wochenende einkassieren” kommentiert (Spiegel Online, 18.05.2017) und es wird ausgeführt, dass das VG Berlin darin keine Verletzung der Grundrechte sehe. Diese Interpretation ist grob fehlerhaft: Das Gericht hat keineswegs festgestellt, dass Grundrechte des Schülers nicht verletzt worden sind. Die Klage scheiterte am fehlenden Feststellungsinteresse bzw. am fehlenden Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein Grundrechtseingriff stellt die Abnahme des Handys über das Wochenende aber ganz sicher dar (Art. 14, Art. 2 Absatz 1 GG). Daran lassen auch die Berliner Richter keinen Zweifel, indem sie meinen, dass der Eingriff zumutbar sei.
Das Einkassieren des Handys eines Schülers stellt einen Eingriff in Rechte des Schülers dar. Der Schüler ist von Verfassungs wegen vor Eingriffen in sein Eigentum und seine allgemeine Handlungsfreiheit geschützt (Art. 14 GG – Eigentum, Art. 2 Absatz 1 GG – allgemeine Handlungsfreiheit). Solchen Eingriffe kann der Betroffene bei einer noch andauernden Verletzung mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§ 123 VwGO) oder mit einer auf Herausgabe gerichteten Leistungsklage entgegentreten. Sofern der Eingriff bereits beendet ist, also wenn das Handy wieder herausgegeben worden ist, bleibt dem Schüler die Klage auf Feststellung, dass das Vorgehen rechtswidrig ist. Zulässig ist eine solche Feststellungsklage aber nur dann, wenn der Schüler ein Feststellungsinteresse vorweisen kann. Das Feststellungsinteresse kann in der Befürchtung der Wiederholung bestehen. Der Umstand, dass der Schüler mittlerweile die Schule verlassen hat, führt dazu, dass sein Interesse an der Feststellung entfallen ist, denn eine Wiederholung droht nun nicht mehr. Damit ist der Prozess indessen nicht automatisch beendet. Vielmehr ist das Verlassen der Schule lediglich als erledigendes Ereignis anzusehen, welches die Klage in der Regel zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage werden lässt, die darauf gerichtet ist festzustellen, dass das Vorgehen rechtswidrig war. Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage bedarf es eines so genannten Fortsetzungsfeststellungsinteresses. Dieses wird dann beispielsweise dann angenommen, wenn der Kläger einen Amtshaftungsanspruch vorbereitet, also wenn er aufgrund des Vorgehens Schadensersatz geltend machen möchte, oder wenn ein schwerer Grundrechtseingriff vorliegt. Das Gericht hat hier zugrunde gelegt, dass keine Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden sollen und dass kein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt. Das ist nach Lage des Falls sicherlich vertretbar.
Der Fall wäre in einem laufenden Schulverhältnis anders ausgegangen: Das Einkassieren des Handy stellt einen Grundrechtseingriff dar, der nur dann zulässig ist, wenn sich die Verwaltung (Schule) auf eine Ermächtigungsgrundlage stützen kann. Eine Ermächtigungsgrundlage für das Einkassieren des Handys über das Wochenende ist aber nicht ersichtlich. Vielmehr ist die in den Schulgesetzen der Bundesländer vorgesehene Rechtsmacht grundsätzlich auf den Unterricht beschränkt. Und es ist nicht ersichtlich, wie sich das Einkassieren des Handys übers Wochenende auf den Unterrichte auswirken soll. Es mag sein, dass darin eine erzieherische Maßnahme zu erblicken ist. Mit dieser überschreitet die Schule aber klar ihre Kompetenzen. Das Einkassieren des Handys kann daher unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit während des Unterrichts – womöglich auch während der Pausen – aber ganz sicher nicht über das Wochenende auf eine Ermächtigungsgrundlage gestützt werden.
Übrigens hätte der Fall anders ausgehen können, wenn der Schüler vorgetragen hätte, die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs vorzubereiten. Denkbar wäre das z. B. aufgrund von verfallenen Freiminuten, frei-sms oder Datenvolumen bei Inklusivverträgen oder wenn durch die Nichtverfügbarkeit des Handys ein Schülerjob nicht angenommen werden konnte. Auch ein schwerwiegender Grundrechtsverstoß könnte durchaus angenommen werden, etwa wenn die Freundin Schluss gemacht hat, weil der Schüler auf eine Nachricht nicht geantwortet hat.
VG Berlin, Urteil vom 04.04.2017 – VG 3 K 797.15
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