Das Oberlandesgericht München (OLG München) hatte über die Haftungsverteilung bei einer Kollision anlässlich eines Spurwechsels zu entscheiden (OLG München, Urt. v. 21.04.2017 – 10 U 4565/16). Grundsätzlich gilt der Beweis des ersten Anscheins dahingehend, dass ein Zusammenstoß eines die Spur wechselnden Fahrzeugs mit einem Fahrzeug, welches sich bereits auf der Zielspur befindet, vom Führer des erstgenannten Fahrzeugs verschuldet worden ist. Das führt regelmäßig zu einer Alleinhaftung, da von einer Pflichtverletzung (§ 7 Absatz 5 Satz 1 StVO) auszugehen ist. Das OLG München hat nun entschieden, dass in solchen Fällen die allgemeine Betriebsgefahr, die im Rahmen der Haftungsverteilung nach § 17 Absatz 1, 2 StVG regelmäßig eine Mithaftung zu 20% begründet, nicht in Anschlag zu bringen ist und dass der für den Beweis des ersten Anscheins notwendigen Typisierung nicht entgegensteht, dass es sich um einen Spurwechsel im Reißverschlusssystem handelt. Praktisch hat das zur Folge, dass der Spurwechsler allein haftet. Mit dem Urteil widerspricht das OLG München einer Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund (Urteil vom 23.02.2010 – 423 C 12873/09), das die Betriebsgefahr auch bei einem Spurwechsel im Reißverschlusssystem veranschlagt hatte.
Rechtlich ist die Entscheidung des OLG München überzeugend. Ob sie jedoch der wechselseitigen Rücksichtnahme Vorschub gibt, darf bezweifelt werden. Denn sie postuliert den Grundsatz, dass bei Kollisionen der Spurwechsler die Alleinschuld trägt, und zwar auch für das Spurwechseln im Reißverschlusssystem. Gerade im Reißverschlusssystem kommt es aber darauf an, dass sich auch der formal vorfahrsberechtigte Autofahrer besonders umsichtig und rücksichtsvoll verhält.
OLG München, Urteil vom 21.04.2017 – 10 U 4565/16
LG München II, Urteil vom 14.10.2016 – 12 O 3303/16
Auch relevant:
AG Dortmund, Urteil vom 23.02.2010 – 423 C 12873/09
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