Das Oberlandesgericht (OLG) München hat in einem um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung von Hausverwaltungsverträgen geführten Rechtsstreit über die Zulässigeit einer Äußerung entschieden (OLG München, Urteil vom 16.03.2017 – 23 U 1317/16). Bei dem Streit ging es um Zahlungsansprüche, deren Höhe von der Rechtmäßigkeit der Kündigung abhingen. Das OLG hielt die Kündigung für begründet, da diese durch eine beleidigende E-Mail veranlasst war. Gegenstand der Kritik war unter anderem die in Bezug auf den Geschäftsführer eines anderen Unternehmens getätigte Äußerung “… Er sei kein Manager, sondern ein Mitläufer, ein reiner Verwalter des Elends, er sei die ungeeignetste Person, um mögliche Weichen für die Zukunft zu stellen.”.
In ständiger Rechtsprechung stellt das Bundesverfassungsgericht an eine Schmähkritik, die nicht mehr der Meinungsfreiheit unterfällt, außerordentlich hohe Anforderungen. Zu Recht, denn die Meinungsfreiheit ist für die demokratische Grundordnung konstituierend, was der Rechtsprechung einen besonders sorgsamen Umgang mit diesem Grundrecht abverlangt. Schmähkritik wird daher nur dann angenommen, wenn der Äußerung jegliche Sachlichkeit abzusprechen ist und die Herabwürdigung der kritisierten Person im Vordergrund steht. Das ist bei Formalbeleidigungen und Tiervergleichen der Fall, darüber hinaus aber nur dann, wenn ein sachlicher Zusammenhang fehlt. Diesen strengen Anforderungen hielten Äußerungen wie “Schaum vor dem Mund” (in Bezug auf einen Staatsanwalt), “Durchgeknallter Staatsanwalt”, “Übeltäter” und “Betrüger” stand, weil die Kritik in den konkreten Fällen nicht allein der einseitigen Herabsetzung der Person diente, sondern eine sachliche Anknüpfung aufwiesen.
In der Entscheidung argumentiert das OLG München damit, dass die Äußerung für einen Manager vernichtende Werturteile enthalte und dass sie nicht in einem Vier-Augen-Gespräch im Rahmen einer hitzigen Diskussion gefallen sei. Beides spielt indessen für die Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik keine Rolle. Anstelle der apodiktischen Feststellung einer groben Beleidigung hätte das OLG gut daran getan, die Hintergründe der Äußerung zu würdigen. Daraus ergibt sich nämlich, dass die Äußerung sehr wohl sachlich veranlasst war, was zumindest eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage erfordert hätte, ob hier tatsächlich die Diffamierung der Person im Vordergrund gestanden hat. Die Lektüre der Entscheidungsgründe legt nahe, dass das nicht der Fall war. Denn in der E-Mail wird auf konkrete Vorgänge Bezug genommen. So heißt es darin unter anderem “Sie waren 5 Jahre lang als Finanzvorstand der XXX AG ein reiner Verwalter des Elends, der sich stets hinter seinen stärkeren Kollegen B., P. & Co. versteckt hat” und außerdem “Sie haben niemals Gegenposition gegen Ihre Vorstandskollegen auf gleicher Ebene bezogen, obwohl die Gründe für den steten Niedergang der XXX-Gruppe auch für Sie offensichtlich waren”. Diese Aspekte beinhalten sachliche Anknüpfungen, die das OLG nicht hinreichend gewürdigt hat. Selbstverständlich können diese Äußerungen als starke Kritik verstanden werden, genau das dürfte sogar die Absicht des Verfasser gewesen sein. Deshalb kann man hier aber nicht von einem Fehlen des sachlichen Zusammenhangs sprechen. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts zu Fällen der Schmähkritik erscheint die Äußerung im Fall des OLG München harmlos (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.03.2017 – 1 BvR 3085/15; Beschluss vom 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14; BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14).
Es mag sein, dass die Entscheidung des OLG München in der Sache richtig ist, weil eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zumutbar war. Die Begründung ist jedenfalls im Hinblick auf die Schmähkritik nicht haltbar. Da es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Anforderungen an die Schmähkritik fehlt, taugt die Entscheidung auch nicht, um sie als Beispiel für Schmähkritik anzuführen.
OLG München, Urteil vom 16.03.2017 – 23 U 1317/16
LG München I, Urteil vom 19.02.2016 – 14 HK O 13169/13
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