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Wer sitzt wo im Gericht – Sitzordnung, Beteiligte und Regeln

Berufseinsteiger und Referendare stehen am Anfang ihrer Tätigkeit vor der Frage, wo sie im Gerichtssaal Platz nehmen sollen. An den Gerichten finden sich zumeist keine Wegweiser oder Hausordnungen, aus denen man die Sitzordnung entnehmen kann. Den Richter oder den gegnerischen Prozessvertreter oder den Staatsanwalt nach dem Sitzplan zu fragen würde keinen besonders souveränen Eindruck hinterlassen. Genauso unschön ist es, der anderen Partei oder dem Staatsanwalt den Vortritt zu lassen und sich auf den frei bleibenden Platz zu setzen. Diese kurze Übersicht soll helfen, den ersten guten Eindruck zu bewahren:

Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 Satz 1 GVG)

Zunächst einmal gilt das Prinzip der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren (§ 169 Satz 1 GVG). Das bedeutet, dass die Verhandlungen grundsätzlich durch Zuschauer besucht werden dürfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, z. B. in Familiensachen oder bei Vorliegen besonderer Umstände, z. B. bei der Verlesung oder Erörterung von Sachverständigengutachten, die intime Details erörtern. Zuschauer dürfen daher grundsätzlich – auch bei laufender Verhandlung – den Saal betreten und auf den Zuschauerplätzen Platz nehmen. Selbstverständlich sollte dabei nicht mehr als nötig gestört werden. Das ist aber eher ein Gebot der Höflichkeit, denn dass eine zugeknallte Tür oder ein harsch geschobener Stuhl mehr als nur einen unzufriedenen Blick oder schlimmstenfalls eine Ermahnung der Richter nach sich zieht, ist sehr unwahrscheinlich, denn der unrechtmäßige Ausschluss der Öffentlichkeit stellt einen absoluten Revisionsgrund dar (vgl. § 174 GVG, § 547 Nummer 5 ZPO). Im Gericht ist es üblich, dass alle Anwesenden aufstehen, wenn die Richter den Gerichtssaal betreten und wenn eine Entscheidung verkündet wird. Diese Form der Ehrerbietung hat indessen Grenzen: So ist, wenn das Gericht zwischenzeitig den Saal verlassen hat, ein abermaliges Aufstehen zumindest nach Auffassung des OLG Karlsruhe nicht notwendig (Beschluss v. 05.01.2015 – 2 Ws 448/14). Mehr über den Ablauf einer erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung vor Zivilgerichten finden Sie hier: Ablauf einer Gerichtsverhandlung beim Amtsgericht oder beim Landgericht.

Sitzordnung beim Zivilgericht I. Instanz

Übliche Sitzordnung beim Amts- oder Landgericht in I. Instanz:

Erstinstanzlich in Zivilsachen, d. h. bei Verhandlungen vor dem Amtsgericht und vor dem Landgericht, sitzt der Kläger vom Richter aus gesehen links und der Beklagte rechts. Eselsbrücke: Das Gericht verhandelt vom Kläger zum Beklagten wie man schreibt, von links nach rechts. Die Rechtsanwälte sitzen näher am Richter als die vertretenen Parteien. In der Mitte zwischen Kläger- und Beklagtenpartei befindet sich oft ein Zeugentisch. Dahinter finden sich zumeist die Zuschauerplätze. Sofern das Gericht einen Protokollführer hinzuzieht, sitzt dieser zumeist rechts neben dem Richter. Sofern die Verhandlung nicht umfangreich ist oder eine aufwändige Zeugenvernehmung beinhaltet, wird auf die Hinzuziehung eines Protokollführers bzw. eines Schriftführers verzichtet (vgl. § 159 ZPO). In diesen Fällen wird das Protokoll auf ein Aufnahmegerät diktiert und später von Mitarbeitern der Geschäftsstelle getippt. Sofern es sich um einen Prozess ohne Rechtsanwälte vor dem Amtsgericht handelt, gilt derselbe Sitzplan bloß ohne Rechtsanwälte. Und anstelle des Richters kann es sein, dass die Sache beim Landgericht der Kammerzuständigkeit unterliegt, dann hat man es mit drei Richtern zu tun.

Die übliche Sitzordnung bei Zivilgerichten in erster Instanz kann hier als pdf-Dokument heruntergeladen werden: übliche Sitzordnung beim Amts- und Landgericht als Zivilgericht I. Instanz.

Sitzordnung beim Zivilgericht II. Instanz

Übliche Sitzordnung beim Landgericht und Oberlandesgericht in der II. Instanz (Berufung):

Bei Verfahren in der zweiten Instanz, d.h. Bei den Landgericht und bei den Oberlandesgerichten, gibt es die Besonderheit, dass der Berufungskläger nicht identisch mit dem erstinstanzlichen Kläger sein kann. Gleiches gilt für den Beklagten. Berufungskläger kann nämlich sowohl der erstinstanzliche Kläger als auch der erstinstanzliche Beklagte sein, je nach Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens. Hier wird in der Regel an der erstinstanzlichen Sitzordnung festgehalten, das heißt die Rolle in der ersten Instanz entscheidet grundsätzlich über den Platz. Der erstinstanzliche Kläger findet seinen Platz vom Richter aus gesehen links, gleichviel ob er Berufungskläger oder Berufungsbeklagter ist. Der erstinstanzliche Beklagte, sitzt vom Richter aus gesehen recht. Verhandlungen ohne Rechtsanwalt gibt es beim Landgericht und beim Oberlandesgericht aufgrund des Anwaltszwangs (§ 78 Absatz 1 ZPO) nicht. Eine Ausnahme hiervon besteht bei der Beteiligung von Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die sich für die Nichtzulassungsbeschwerde eigener Beschäftigter bedienen können, sofern diese über die Befähigung zum Richteramt verfügen (§ 78 Absatz 2 ZPO, § 5 Absatz 1 DRiG). Für den Protokollführer, der zumeist rechts neben dem Richter sitzt, gilt das zur I. Instanz gesagte entsprechend.

Die übliche Sitzordnung bei Landgerichten und Oberlandesgerichten als Gerichte erster Instanz in Zivilsachen kann hier als pdf-Dokument heruntergeladen werden: übliche Sitzordnung beim Land- und Oberlandesgericht als Berufungsgericht.

Keine feste Sitzordnung beim Familiengericht

Beim Familiengericht, welches erstinstanzlich bei den Amtsgerichten angesiedelt ist, gibt es zumeist keine feste Sitzordnung. Ziel der Gerichte ist es, in diesen Verfahren eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, da die dort verhandelten Themen naturgemäß stark emotional geprägt sind. Aus diesem Grund verzichten Richter und Anwälte oft auf das Tragen von Roben. Es herrscht grundsätzlich ein Ausschluss der Öffentlichkeit. Verhandlungstermine werden häufig nicht in herkömmlichen Sitzungssälen abgehalten, sondern im Büro des Richters oder in einem weniger formal erscheinenden Besprechungszimmer. Dementsprechend existieren weniger Formzwänge und mehr Freiheit zur Platzwahl. Ergänzende Informationen zum Ablauf einer Verhandlung beim Familiengericht finden Sie hier: Ablauf einer Gerichtsverhandlung beim Familiengericht.

Strafgericht I. Instanz

Übliche Sitzordnung bei Strafprozessen:

Beim Strafgericht sitzt vom Richter aus gesehen rechts zunächst der Vertreter der Staatsanwaltschaft, d.h. Staatsanwalt oder Referendar. Neben der Vertretung der Staatsanwaltschaft sitzen gegebenenfalls die Nebenkläger mit Rechtsanwalt und Sachverständige. Aus Richtersicht links sitzt näher beim Richter zunächst der Strafverteidiger und der Angeklagte. Manchmal erhält der Angeklagte seinen Platz vor dem Verteidiger. Sofern das Gericht einen Protokollführer bzw. Schriftführer hinzuzieht, findet dieser seinen Platz zumeist rechts neben dem Gericht.

Die übliche Sitzordnung beim Strafgericht in erster Instanz kann hier als pdf-Dokument heruntergeladen werden: Übliche Sitzordnung Strafgericht I. Instanz.

Jugendgericht – Jugendstrafgericht – Jugendschöffengericht

Übliche Sitzordnung im Jugendstrafprozess:

Das Jugendgericht findet Anwendung auf Jugendliche (14-17 Jahre alt) und Heranwachsende (18 bis 20 Jahre) und unterscheidet sich vom Strafgericht durch die Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe, die Aspekte der Heranwachsendenfürsorge vertritt und insbesondere die Aufgabe hat, den erzieherischen Auswirkungen einer Entscheidung zugunsten der jugendlichen Angeklagten im Verfahren Gewicht zu verleihen. Bei der Jugendgerichtshilfe handelt es sich um eine beim Jugendamt angesiedelte Institution, deren Aufgaben in der Regel von Sozialarbeitern oder Sozialpädagogen der Jugendämter wahrgenommen wird. Beim Jugendgericht gilt im übrigen dieselbe Sitzordnung wie im Strafgericht I. Instanz.

Die übliche Sitzordnung beim Jugendgericht / Jugendstrafgericht / Jugendschöffengericht kann als pdf-Dokument hier heruntergeladen werden:

In Hamburg sitzt die Staatsanwaltschaft am Fenster

Übliche Sitzordnung beim Strafprozess in Hamburg:


Wie bei allen hier dargestellten Sitzordnungen gibt es manchmal regionale Abweichungen. So ist es in Hamburg üblich, dass Vertreter der Staatsanwaltschaft am Fenster Platz nehmen. Hinzu kommen die Nebenkläger sowie deren Rechtsanwälte und gegebenenfalls Sachverständige. Warum sitzt die Staatsanwaltschaft in Hamburg am Fenster? Neben der Aussage, dass “das schon immer so war”, wird dies damit begründet, dass die Staatsanwaltschaft als Vertreterin des Rechts im Licht und deshalb am Fenster platziert wird. Es gibt aber auch eine deutlich profanere Erklärung, nämlich dass der Angeklagte über die bewachte Tür schwerer fliehen könne als durch ein Fenster. Der Tausch der Plätze, je nach Anordnung der Fenster, gilt gleichermaßen für das Jugendgericht.

Die übliche Sitzordnung beim Strafgericht in Hamburg kann hier als pdf-Dokument heruntergeladen werden: Übliche Sitzordnung bei Strafprozessen in Hamburg.

Sitzordnung beim Verwaltungsgericht

Übliche Sitzordnung beim Verwaltungsgericht:

Beim Verwaltungsgericht nimmt die klägerische Partei vom Richter aus gesehen links Platz und die beklagte Partei rechts. Dasselbe gilt für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 80 Absatz 5 VwGO oder § 123 VwGO) für Antragsteller (links) und Antragsgegner (rechts). Sofern die Parteien von Rechtsanwälten vertreten sind, nehmen diese näher am Richtertisch Platz. Auch beim Verwaltungsgericht kann das Gericht einen Protokollführer hinzuziehen, der zumeist rechts vom Richterstisch sitzt.

Die übliche Sitzordnung beim Verwaltungsgericht kann hier als pdf-Dokument heruntergeladen werden: Übliche Sitzordnung beim Verwaltungsgericht.

Sitzordnung beim Oberverwaltungsgericht

Übliche Sitzordnung beim Oberverwaltungsgericht als Berufungsinstanz:

Der Sitzplan beim Oberverwaltungsgericht orientiert sich nach der Kläger- und Beklagtenrolle und bei Berufungsverfahren zumeist nach der erstinstanzlichen Parteirolle. Das heißt, dass ein erstinstanzlich unterlegener Kläger, der in der Berufung Berufungskläger ist, vom Richtertisch aus gesehen links sitzt. Das gilt für Antragsteller und Antragsgegner in einstweiligen Verfügungsverfahren entsprechend, wobei Antragsteller dem Kläger und Antragsgegner dem Beklagten entsprechen.

Die übliche Sitzordnung beim Oberverwaltungsgericht kann hier als pdf-Dokument heruntergeladen werden: Übliche Sitzordnung beim OVG.

Regionale Besonderheiten

Es gibt regionale Besonderheiten bei der Sitzordnung. Neben der Hamburger Besonderheit, dass der Vertreter der Staatsanwaltschaft am Fenster Platz nimmt, weicht die Handhabung bei einigen Obergerichten von der hier gezeigten Darstellung ab, indem sich der Sitzplan nicht an der erstinstanzlichen, sondern an der zweitinstanzlichen Parteirolle orientiert. Das bedeutet, dass der Berufungskläger den Platz des Klägers bekommt, gleichviel ob er erstinstanzlich Beklagter war. Eine Besonderheit bei Berliner Gerichten ist das Verhandeln im Stehen: Anders als bei den meisten Gerichten stehen dem Rechtsanwalt dort Tisch und Stuhl nicht zur Verfügung, sondern ein Stehpult. Bei öffentlichen Verfahren, die unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit stehen, werden oft separate Plätze für die Presse bereitgestellt, die meistens unmittelbar vor den Zuschauerreihen angeordnet sind.

Zuschauer und Zeugen

Zeugen können auch Zuschauer sein, allerdings sollten Zeugen erst dann die Zuschauerplätze aufsuchen, wenn die Zeugenvernehmung abgeschlossen ist. Anderenfalls kann es sein, dass der Zeuge aufgrund der Beeinflussung als nicht mehr glaubwürdig oder nur eingeschränkt glaubwürdig gilt, denn ein Zeuge, der den Gang der Verhandlung mitbekommt, weiß, worauf es ankommt und kann seine Aussage danach ausrichten. Üblicherweise fordern Richter vor dem Beginn der Verhandlung die Personen, die als Zeugen in Betracht kommen, zum Verlassen des Gerichtssaals auf.

 

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