Am 03.04.2017 hat das Oberverwaltungsgericht Bremen (OVG Bremen) eine Entscheidung des VG Bremen, das die aufschiebende Wirkung des gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Offshore Terminals Bremerhaven erhobenen Widerspruchs wiederhergestellt hat, bestätigt (Beschluss vom 03.04.2017 – 1 B 126/16). In dem durch den BUND Bremen initiierten Verfahren (§ 4a Absatz 3 UmwRG, § 80 Absatz 1 VwGO) wurden die Zuständigkeit des Landes Bremen sowie die Auslegungsbekanntmachung, die Einhaltung von Maßgaben des UVPG, die Planrechtfertigung und die Einhaltung von Vorgaben des Habitatschutzes sowie Kohärenzsicherungsmaßnahmen beanstandet. Für durchgreifend hielt das OVG letztlich die letztgenannten Einwände gegen die Einhaltung der Vorschriften zum Habitatschutz, denn sowohl die Abwägung (§ 34 Absatz 3 Nummer 1 BNatSchG) als auch die vorgeschriebene Alternativenprüfung (§ 34 Absatz 3 Nummer 2 BNatschG) begegnet aus Sicht des OVG Bremen Bedenken. So genannte zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses können dazu führen, dass eine negative FFH-Verträglichkeitsprüfung überwunden wird. Eine solche Abweichung stellt nach dem gesetzlichen Regelungskonzept jedoch eine Ausnahme dar, was erfordert, dass im Einzelnen darzulegen ist, woraus sich ein erhebliches Gewicht der mit dem Vorhaben verfolgten Ziele ergibt. Dabei sind auch Prognoseunsicherheiten einzubeziehen und zu gewichten: je mehr Unsicherheiten bestehen, umso geringer ist das öffentliche Interesse an dem Vorhaben zu gewichten. Demgegenüber ist das Integitätsinteresse des FFH-Gebiets zu gewichten. Das OVG gelangt zu dem Ergebnis, dass nicht auszuschließen ist, dass die Abweichungsgründe nicht zutreffend ermittelt und gewichtet worden sind. Der Sache nach seien die zugrunde gelegten Gründe, die für das öffentliche Interesse angeführt worden sind, durchaus geeignet, denn die Förderung der Nutzung regenerativer Energiequellen und die wirtschaftliche Stärkung der Region stellen durchaus tragfähige Gründe dar. Der Planfeststellungsbeschluss hat die Gewichtung im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung jedoch allein anhand der Ziele vorgenommen, ohne hinreichend darauf abzustellen, ob und inwieweit diese Ziele tatsächlich umsetzbar sind. Denn allein das Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, bedeutet nicht, dass dieser Effekt auch eintreten wird. Vielmehr ist es auch denkbar, dass Kapazitäten am Markt vorbei geplant werden, mit der Folge, dass das Ziel nicht erreicht werden kann. Gleiches gilt für angenommene Auslastungen, welche das Gericht nicht für hinreichend nachvollziehbar hält. Die Vorhabenzulassung setzt außerdem eine Prüfung zumutbarer Alternativen voraus (vgl. § 34 Absatz 3 Nummer 2 BNatSchG). Dass auch hier Fehler unterlaufen sind, ist bemerkenswert, denn die Anforderungen an eine an eine Alternativenprüfung sind höchstrichterlich geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.08.2016 – 7 A 1/15) und es ist durchaus möglich, die Anforderungen ohne übermenschlichen Aufwand zu erfüllen: außer Betracht bleiben dürfen Alternativen, die sich nur mit unverhältnismäßigem Aufwand realisieren lassen. Außerdem sind nur solche Änderungen als Alternativen zu prüfen, die das Vorhaben dem Wesen nach unverändert lassen, sodass Änderungen, die das Vorhaben als ein anderes Projekt erscheinen lassen, nicht in Betracht kommen. Diese Anforderungen, die durchaus erfüllbar sind, müssen indessen geprüft und dokumentiert werden. Hier hat der Planfeststellungsbeschluss auf eine bereits fünf Jahre alte Standort-Alternativenprüfung verwiesen. Ob diese noch aktuell war, wurde offenbar nicht geprüft. Das ist besonders ärgerlich, weil ohne weiteres vermeidbar.
Dem BUND ist es damit einmal mehr gelungen, ein Millionenvorhaben praktisch ohne Risiko vorläufig zu verhindern. Bei dem festgesetzten Streitwert von 15.000 Euro beträgt das Prozessrisiko für den Fall, dass der BUND das Verfahren verloren hätte, lediglich knapp über 10.000 Euro (ohne Berücksichtigigung vorgerichtglicher Kosten und Kosten von Beigeladenen). Dieses im Verhältnis zur Investitionssumme grotesk niedrige Risiko resultiert daraus, dass es im Verwaltungsprozess um die öffentlich-rechtliche Rechtmäßigkeit geht, bei der das Interesse des Antragstellers bzw. Klägers für die Bemessung des Streitwerts maßgeblich ist, ohne dass es eine § 945 ZPO entsprechende Regelung gibt. Nach § 945 ZPO hat derjenige, der eine einstweilige Verfügung zu Unrecht erwirkt, den dadurch entstehenden Schaden zu ersetzen. Da diese Norm im Verwaltungsrecht nicht anwendbar ist, besteht dieses Risiko bei Verfahren, die auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet sind, nicht.
Vorinstanz: Verwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 18.05.2016 – 5 V 366/16
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