Eine Pauschalreise darf auch ohne ausdrückliche Reisewarnung des RKI storniert werden, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit Corona bei Durchführung der Reise signifikant höher ist, als bei einem gewöhnlichen Aufenthalt. So entschied das Landgericht Oldenburg (LG Oldenburg) am 10.11.2021 (5 S 127/21).
Geklagt hatte eine Frau, die für sich und ihren Lebensgefährten bei der Beklagten eine Reise nach Südtirol buchte. Es handelte sich um eine Bus-Skireise, die Ende Februar 2020 stattfinden sollte. Zu dieser Zeit kam es in Südtirol zu massenhaften Coronaausbrüchen. Am 23.02.2020 erließ der Landeshauptmann von Südtirol aus diesem Grund eine Notverordnung. Zum Zwecke des Gesundheitsschutzes mussten viele Freizeit- und Kinderbetreuungseinrichtungen schließen.
Die Busreise mit Hotelübernachtung sollte am 28.02.2020 beginnen. Die Klägerin, die das Geschehen im Hinblick auf Corona in den Medien verfolgt hatte, entschloss sich am Tag des Reisebeginns, die Reise nicht anzutreten.
Am 28.02.2020 schrieb sie eine Email an die Beklagte und stornierte die Reise. Aufgrund der Kurzfristigkeit konnte die Beklagte die Plätze im Bus und das Zimmer im Hotel nicht mehr anderweitig vergeben. Die Beklagte weigerte sich, den gesamten Reisepreis zu erstatten und behielt 1.400,- € als Stornierungsgebühren ein. Die Busreise führte die Beklagte durch, wenngleich ohne die Klägerin und ihren Partner.
Wegen der einbehalten Stornierungsgebühren erhob die Klägerin Klage beim zuständigen Amtsgericht. Dort scheiterte sie, denn das Amtsgericht vertrat die Auffassung, dass ein Rücktritt von der Reise nicht zulässig war.
Die Klägerin ging in Berufung und hatte Erfolg. Das LG Oldenburg gab der Klägerin Recht und entschied, dass die Klägerin von der gebuchten Pauschalreise wegen des Infektionsgeschehens in Südtirol zurücktreten durfte. Insbesondere war für den Rücktritt nicht erforderlich, dass eine Reisewarnung des RKI vorliegt, so das Gericht. Das RKI erklärte Südtirol erst am 09.03.2020 zum Risikogebiet.
Nach Auffassung des LG Oldenburg war die Stornierung der Reise hier gerechtfertigt, weil die Infektionswahrscheinlichkeit bei Durchführung der Reise gegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt der Reisenden signifikant höher gewesen ist, so das Gericht. Insbesondere bei der Busreise, dem Aufenthalt im Hotel und der Gastronomie und dem Transfer zu den Skipisten habe nach Auffassung des Gerichts eine nicht unerhebliche Ansteckungsgefahr bestanden.
Zum Zeitpunkt der Stornierung musste man wegen der verschärften Pandemielage von einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise ausgehen. Und dies sei Voraussetzung für eine kostenlose Stornierung, so das Gericht.
Die Klägerin hatte somit ein Rücktrittsrecht und kann die einbehaltenen Stornierungskosten in Höhe von 1.400,- € zurückverlangen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
LG Oldenburg, Urteil vom 10.11.2021 – 5 S 127/21
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