Antrag zurückgewiesen – keine Eilbedürftigkeit trotz Urheberrechtsverstoß (OLG Rostock, Beschl. v. 26.04.2021 – 2 W 12/21)

Nach Auffassung des OLG Rostock begründet eine Rechtsverletzung sowie der Umstand, dass der Verletzer keine Unterlassungserklärung abgibt, keine Eilbedürftigkeit (OLG Rostock – 2 W 12/21).

Verfügungsanspruch & Verfügungsgrund

Für die gerichtliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs im einstweiligen Rechtsschutz bedarf es eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes (§ 940 BGB). Beim Verfügungsanspruch handelt es sich um den materiell-rechtlichen Anspruch, z. B. aus § 823 i.V.m. § 1004 BGB analog. 

Verfügungsgrund ist die Eilbedürftigkeit. Diese ist erforderlich, um eine Entscheidung im beschleunigten Verfahren zu bekommen.

Erstbegehung indiziert Wiederholungsgefahr

Nahezu einhellig gehen Gerichte davon aus, dass die Erstbegehung eine Wiederholungsgefahr indiziert. Das bedeutet, dass bei einer bereits begangenen Rechtsverletzung regelmäßig eine Wiederholung zu befürchten ist (§ 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB analog). Diese Wiederholungsgefahr kann der Verletzer durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumen. Gibt der Verletzer diese nicht ab, muss der Gläubiger jederzeit mit neuen Verstößen rechnen. 

Die Eilbedürftigkeit resultiert daher aus dem Umstand, dass neue Rechtsverletzungen praktisch jederzeit drohen. Der Rechteinhaber kann daher ohne Weiteres den Erlass einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung beantragen. 

Urheberrecht & rechtswidrige Äußerungen

Wer ein urheberrechtlich geschütztes Foto im Internet verwendet ohne die Rechte dafür zu haben, schuldet Unterlassung. Auch wenn das Foto entfernt wird, besteht die Gefahr der abermaligen Verwendung, denn es kann jederzeit wieder in das Angebot eingestellt werden. 

Die Wiederholungsgefahr – und damit der Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Absatz 1 BGB – entfällt durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Da sich der Verletzer darin für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Geldstrafe verpflichtet, ist der Gläubiger abgesichert.

In einem solchen Fall kommt weder eine auf Unterlassung gerichtete Klage noch ein Antrag auf Erlass einer Unterlassungsverfügung in Betracht.

Verweigert der Verletzer aber die Abgabe einer Unterlassungserklärung, besteht die Wiederholungsgefahr fort. Da es sich um eine andauernde Gefährdung handelt, kann der Rechteinhaber, von Fällen der Selbstwiderlegung abgesehen, sofort den Erlass einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung verlangen. 

OLG Rostock: Keine Eilbedürftigkeit

Das OLG Rostock vertritt eine andere Auffassung. Auf eine Abmahnung hat der Schuldner die beanstandeten Inhalte unverzüglich aus seinem Internetangebot entfernt. Er weigerte sich aber, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung blieb ohne Erfolg. 

Die Rostocker Richter ließen den Antrag daran scheitern, dass der Rechteinhaber die Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht habe. Der Schuldner habe die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt und seither keine Verstöße mehr begangen. Auch sei nicht ersichtlich, dass er gleichartige Verstöße zeitnah wieder begehen werde. 

Aus dem Umstand, dass der Schuldner die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung abgebe, sei keine Eilbedürftigkeit herzuleiten. Vielmehr müsse es in solchen Fällen genügen, wenn der Rechteinhaber sein Recht im Verfahren der Hauptsache – also im normalen Klageverfahren – verfolgt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung blieb erfolglos. 

Hintergrund

Für Abmahner ist die Entscheidung ein herber Schlag ins Kontor. Was klar und einfach war, dass man Unterlassungsansprüche unkompliziert im einstweiligen Rechtsschutz durchsetzen kann, gilt im Zuständigkeitsbereich des OLG Rostock – also im ganzen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern – nicht mehr. Hier haben Abmahner trotz einer glasklaren Rechtsverletzung künftig glaubhaft zu machen, dass weitere Verletzungen bevorstehen. 

Die Rostocker Richter stellen zwar das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr nicht in Abrede. Für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs stellen sie aber Anforderungen, die in der Praxis kaum zu erfüllen sind. Denn regelmäßig können Anspruchsinhaber nicht glaubhaft machen, dass weitere Verstöße unmittelbar bevorstehen. Dadurch entsteht eine erhebliche Lücke im Rechtsschutz, denn Rechteinhaber können nur tatenlos zusehen, bis der nächste Verstoß begangen wird. 

In Unterlassungsstreitigkeiten verlieren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in M-V daher voraussichtlich erheblich an Bedeutung. An der Entscheidung zu kritisieren ist, dass sie auf einem grundlegenden Irrtum aufbaut. Die Eilbedürftigkeit entsteht durch die Verletzung und dauert an. In dieser Konstellation ist es nicht einzusehen, dass Rechteinhaber darlegen und glaubhaft machen sollen, dass einer bereits begangenen Verletzung weitere Verletzungen nachfolgen.

Wer sich darüber freut, dass Abmahner vom OLG Rostock in die Schranken gewiesen werden, feiert nur einen Pyrrhussieg, denn die Hauptsacheverfahren bleiben den Verletzern nicht erspart. Stattdessen wird ihnen eine kostengünstige Möglichkeit zur Streiterledigung genommen, denn Hauptsacheverfahren sind oft in Summe teurer als einstweilige Verfügungsverfahren, die häufig zu einer endgültigen Regelung führen. 

OLG Rostock, Beschluss vom 26.04.2021 – 2 W 12/21
LG Neubrandenburg, Beschluss vom 24.03.2021 – 2 O 151/21

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