Ein pdf-Dokument erfüllt nicht die Schriftform nach § 70 VwGO. Das gilt auch dann, wenn es einen handschriftlichen Namenszug enthält. So entschied es das Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) bei der Prüfung eines Widerspruchs (4 K 758/20). Die Entscheidung erscheint selbstverständlich, verdient aber dennoch Beachtung, denn die Auffassung des VGs weicht von der zivilrechtlichen Rechtsprechung zur Wahrung der Schriftform durch Übersendung von pdf-Dokumenten ab. Zumindest nach Auffassung des VG Neustadt gilt: ein pdf-Dokument erfüllt nicht die Schriftform.
Einmal mehr tut sich damit ein Unterschied zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf (weitere Fälle hier). Der BGH, das oberste deutsche Zivilgericht, lässt nämlich unter bestimmten Voraussetzungen ein einfaches pdf-Dokument eines unterschriebenen Schriftsatzes zur Wahrung der Schriftform ausreichen (BGH – XII ZB 8/19). Der für die Einreichung von Rechtsmitteln erforderlichen Schriftform entspreche die Übersendung einer E-Mail mit einem solchen pdf-Dokument dann, wenn das Dokument vor Fristablauf beim Gericht ausgedruckt wird.
Der Rechtsauffassung des BGHs erteilen die Neustädter Verwaltungsrichter eine Absage. Ein als pdf-Dokument übersandter Schriftsatz wahrt nicht die nach § 70 VwGO erforderliche Schriftform. Das Gesetz treffe eine klare Unterscheidung zwischen der Schriftform, der Niederschrift und der elektronischen Form (vgl. § 70 VwGO). Ein normales pdf-Dokument wahrt keine dieser Formen, insbesondere nicht die elektronische Form, die grundsätzlich einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf (qeS). Eine Ausnahme besteht für vom Anwalt selbst über sein beA an Gerichte übermittelte Anwaltsschriftsätze, die keine qeS benötigen. Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung sind Vereinfachungen der elektronischen Form nicht möglich.
Das VG Neustadt stellt klar, dass ein Rückgriff auf die zum Telefax und Computerfax ergangene Rechtsprechung bei der elektronischen Übermittlung nicht in Betracht kommt. Bei Fax und Computerfax handele es sich um Übermittlungsformen, die von der elektronischen Form gemäß § 3a Absatz 2 VwVfG zu unterscheiden seien. Zweck der qeS sei die Sicherstellung von Authentizität und Integrität, was Gewissheit über Absender und Inhalt geben soll. Diesen Anforderungen wird die Übermittlung eines einfachen pdf-Dokuments nicht gerecht. Es wahrt daher nicht die Schriftform.
Nicht mit dem Gebot der Rechtsklarheit in Einklang zu bringen sei außerdem, dass die Wahrung der Frist von einem Umstand abhängen soll, der vom Absender nicht beeinflussbar ist. Ob das Dokument vor Fristablauf beim Gericht ausgedruckt wird, liegt nämlich nicht in der Macht des Absenders.
Keine Rolle spielt es, ob das pdf-Dokument einen handschriftlichen Namenszug aufweist. Denn dieser entspricht weder der Schriftform noch ersetzt er die beim normalen pdf-Dokument fehlende elektronische Form gemäß § 3a Absatz 2 VwVfG.
Das VG Neustadt lässt in der Entscheidung offen, ob es die Rechtsprechung zu Fax und Computerfax generell für obsolet hält oder ob sie für diese Übermittlungswege nach wie vor Anwendung finden soll. Konsequenterweise müsste man die Telefax- und Computerfax-Rechtsprechung generell als überholt ansehen. Denn technisch besteht zwischen der Übermittlung per E-Mail und per Fax kein Unterschied, wenn beide Übertragungsmodalitäten elektronisch ablaufen. Eine Unterscheidung zwischen Fax und E-Mail lässt sich mit der mittlerweile gesetzlich vorgesehenen elektronischen Form nicht in Einklang bringen.
VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 11.02.2021 – 4 K 758/20, das Urteil ist im Volltext hier abrufbar
BGH, Beschluss vom 08.05.2019 – XII ZB 8/19
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