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Referendariat – Zuweisung zur Wahlstation trotz Reisewarnung (OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.12.2020 – 2 MB 43/20)

Die Zuweisung zur Wahlstation im Ausland darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob für das Land eine Reisewarnung wegen Corona besteht. Ein entsprechender Widerrufsvorbehalt ist rechtswidrig und nicht von der Landesverordnung über die Juristenausbildung gedeckt. So entschied das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein (OVG Schleswig-Holstein) am 22.12.2020 (2 MB 43/20).

Der juristische Vorbereitungsdienst für das zweite Staatsexamen, auch Rechtsreferendariat genannt, besteht aus mehreren Stationen. Diese werden z.B. am Gericht, bei der Staatsanwaltschaft oder einer Anwaltskanzlei abgeleistet. Eine besondere Station ist die Wahlstation, denn diese können die Rechtsreferendare, wenn sie möchten, im Ausland verbringen. 

In diesem Fall werden die Referendare auf Antrag in die jeweilige Station überwiesen. Geregelt ist all dies in der Landesverordnung über die Ausbildung der Juristinnen und Juristen (JAVO).

Wahlstation im Ausland

Auch die Antragstellerin hatte den Wunsch, ihre Wahlstation im Ausland zu verbringen. Sie wollte Anfang 2021 für drei Monate nach Windhuk/Namibia und dort ihre Ausbildung bei einer deutschen Gesellschaft ableisten. Die Zuweisung erfolgte jedoch unter einem Widerrufsvorbehalt.

Reisewarnung wegen Corona

Für den Fall, dass für das Land wegen SARS-CoV-2 eine Reisewarnung vom Auswärtigen Amt bestehen sollte, könne die Zuweisung widerrufen werden. So war es in dem Zuweisungsbescheid geregelt.

Hiermit war die Antragstellerin überhaupt nicht einverstanden. Sie wollte in jedem Fall ihre Wahlstation in Namibia absolvieren.

Einstweilige Anordnung

Wegen der Eilbedürftigkeit beantragte die Antragstellerin beim zuständigen Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung, mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Antragsgegnerin, eine vorbehaltlose Zuweisung zur Wahlstation in Namibia auszusprechen.

Hiergegen legte die Antragsgegnerin Beschwerde beim OVG Schleswig-Holstein ein. Sie hielt an ihrem Widerrufsvorbehalt für den Fall einer Reisewarnung für Namibia wegen SARS-CoV-2 fest.

Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein

Das OVG Schleswig-Holstein wies die Beschwerde jedoch zurück. Das einstweilige Anordnung war zu Recht erlassen, so das OVG. Denn die Zuweisung zur Wahlstation darf nicht an einen Widerrufsvorbehalt geknüpft werden, auch nicht im Falle einer Reisewarnung für Namibia. Dies stellt das OVG klar.

Der Widerrufsvorbehalt ist nach Auffassung des Gerichts rechtswidrig und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung über die Zuweisung eine gebundene Entscheidung ist oder der Antragsgegnerin ein Ermessen zusteht.

Bei einer gebundenen Entscheidung fehlt es bereits an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für den Widerrufsvorbehalt, so das Gericht. Aber auch bei einer Ermessensentscheidung ist der Widerrufsvorbehalt nach Auffassung des Gerichts rechtswidrig.

Die Antragstellerin hat nach § 32 Absatz 3 Satz 1 JAVO im Hinblick auf ihre Wahlstation ein Wahlrecht. Für den Fall, dass der Antragsgegnerin für die Zuweisung ein Ermessensspielraum zusteht, wäre die Einschränkung durch den Widerrufsvorbehalt in jedem Fall ermessensfehlerhaft. So hatte es das Verwaltungsgericht gesehen und so sieht es auch das OVG Schleswig-Holstein.

Es ist nach Auffassung des Gerichts denkbar, dass organisatorische Gründe die Zuweisungsentscheidung beeinflussen können. So kommen zum Beispiel finanzielle Aspekte oder Haftungsrisiken in Betracht, die mit der Referendarsausbildung eng verknüpft sind.

Reisewarnung genügt nicht

Aber das OVG stellt klar: Die isolierte Anknüpfung des Widerrufsvorbehalt an eine Reiswarnung gehört nicht dazu! Denn diese ist nicht mehr vom Zweck der Regelungen über die Juristenausbildung gedeckt, so das Gericht. Nach Auffassung des Gerichts kehrt die Anknüpfung des Widerrufsvorbehalts an die Reisewarnung das grundsätzlich geltende Regel-Ausnahme-Prinzip um. § 32 Absatz 3 Satz 2 JAVO sieht im Grundsatz nach Anzeige der Wahlstation eine (vorbehaltlose) Zuweisung zu dieser Wahlstation vor. Hierauf weist das OVG hin.

Auch die Gefahr einer Coronainfektion oder einer Quarantäneabsonderung in Namibia ändert daran nichts, so das Gericht. Die Antragsgegnerin hatte vorgetragen, dass dies für den weiteren Vorbereitungsdienst mit erheblichen Nachteilen verbunden wäre. So müsste die Antragstellerin etwa für längere Zeit im Vorbereitungsdienst verbleiben. Der Platz könnte dann nicht nachbesetzt werden.

Gefahr einer Erkrankung im Inland wie im Ausland

Das OVG weist darauf hin, dass die Gefahr einer Erkrankung sowohl im Inland, als auch im Ausland, gleichermaßen besteht. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war zum Beispiel der Wohnort der Antragstellerin mit einem Inzidenzwert von 148 Risikogebiet. Bereits hieraus ergibt sich, dass das Ansteckungsrisiko in Hamburg ebenso groß oder sogar größer ist, als im Ausland, so das Gericht.

Die Einschränkung für die Wahlstation im Ausland ist auch in sich nicht schlüssig. Hierauf weist das OVG Schleswig-Holstein hin. Denn eine Einschränkung durch die Antragsgegnerin für Gebiete im Inland, die deutlich erhöhte Inzidenzwerte aufweisen, gibt es nicht. Hier könnte die Ansteckungsgefahr sogar größer sein als im Ausland.

Nach alledem war der Widerrufsvorbehalt für den Fall einer Reisewarnung rechtswidrig. Die Zuweisung in die Wahlstation in Namibia durfte nicht davon abhängig gemacht werden, ob für das Land eine Reisewarnung besteht. Zu Recht hatte das Verwaltungsgericht die einstweilige Anordnung erlassen, die Antragstellerin ohne Vorbehalte in die Wahlstation nach Namibia zu überweisen.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hatte keinen Erfolg.

OVG Schleswig, Beschluss vom 22.12.2020 – 2 MB 43/20

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