Bei einem Unfall mit einem Luxusauto ist die Schätzung des merkantilen Minderwertes maßgeblich von der Art des Unfalls und dem Umfang der Beschädigungen abhängig. Und es gilt: Je länger die Reparatur her ist, desto weniger Bedeutung hat der Unfallschaden für die Bemessung des merkantilen Minderwertes. So entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG Schleswig) am 21.10.2020 (7 U 23/20).
Ein Verkehrsunfall ist in den allermeisten Fällen mit einem Sachschaden am Auto verbunden. Wer für den eigenen Schaden und für den Schaden anderer aufkommt, ist dann häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Sowohl die Haftungsquote als auch die Höhe des Schadens sind zu klären, denn jeder Euro zählt.
Neben den Reparaturkosten spielt insbesondere der merkantile Minderwert des Fahrzeugs eine Rolle. Hierbei handelt es sich um die fiktive Wertminderung des Autos nach einem Unfall, die wegen des Risikos verborgener Mängel finanzielle Berücksichtigung findet. Denn bereits die Tatsache, dass der Wagen ein Unfallwagen ist, hat Auswirkungen auf die Kaufbereitschaft der Interessenten. Und dies wiederum hat Auswirkungen auf den Kaufpreis.
Der merkantile Minderwert wird in der Regel auf Basis vergleichbarer Fälle geschätzt. Bei einem Luxusfahrzeug ist die Anzahl vergleichbarer Fälle geringer, als bei einem Durchschnittsfahrzeug.
Das OLG Schleswig stellt in seiner Entscheidung klar, wie der merkantile Minderwert bei einem Luxusfahrzeug bemessen wird. Zugleich macht das Gericht deutlich, dass die Schätzung des merkantilen Minderwerts bei besonders seltenen und teuren Luxusfahrzeugen von vornherein mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet ist. Grund hierfür ist die Marktenge mit nur wenigen Vergleichsfällen, so das Gericht.
In dem Rechtsstreit ging es um einen Unfall im Jahr 2016 mit einem relativ seltenen und teuren Luxusauto. Die Eigentümerin des Autos verlangte als Schadensersatz 20.000,- € für den merkantilen Minderwert. Das Landgericht sprach ihr jedoch nur 6.000,- € zu. Die Frau legte Berufung beim OLG Schleswig ein und verlangte die restlichen 14.000,- €.
Das OLG Schleswig entschied, dass der merkantile Minderwert von 6.000,- € nicht zu beanstanden ist. Ein Anspruch auf Zahlung der weiteren 14.000,- € steht der Frau nicht zu, so das OLG.
Das OLG Schleswig weist darauf hin, es sich bei der Festsetzung des merkantilen Minderwertes um eine Schätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung durch das Gericht handelt. Die Schätzung des Landgerichts auf Basis des Gutachtens des Sachverständigen war nach Auffassung des OLG Schleswig ohne Rechtsfehler.
Es war insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige nur wenige Vergleichsfälle ermittelt hat. Denn da das Fahrzeug der Klägerin ein besonders seltenes und teures Fahrzeug ist, gibt es schlichtweg nur wenige Vergleichsfälle. Somit ist die Schadensbetrachtung von vorneherein mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet, so das OLG.
Das Landgericht hat auch zu Recht die Qualität des Unfalls bei der Bemessung der Höhe herangezogen. Unstreitig hat es keinen erheblichen Anstoß gegeben, auch wenn die Reparaturkosten relativ hoch gewesen sind. Hieraus folgt auch, dass eher nicht mit verborgenen Schäden zu rechnen ist. Dies hat das Landgericht nach Auffassung des OLG Schleswig zutreffend festgestellt.
Ebenfalls von Bedeutung ist nach Auffassung des OLG, dass der Unfall zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung ca. 4 Jahre zurücklag. Während dieser Zeit sind keine weiteren Mängel, die auf den Unfall zurückgeführt werden könnten, zutage getreten.
Das OLG Schleswig stellt in diesem Zusammenhang klar, dass auch die zunehmende Nutzungsdauer nach Durchführung einer Reparatur für die Bemessung des merkantilen Minderwertes von Bedeutung ist. So hatte es auch der Sachverständige ausgeführt. Je länger die Reparatur her ist, desto weniger Relevanz hat der Unfallschaden für die Bemessung des merkantilen Minderwertes, so das Gericht. Dies gilt natürlich nur dann, wenn in dieser Zeit keine weiteren verborgenen Mängel aufgetreten sind.
All dies hat das Landgericht auf Basis des Sachverständigengutachtens zutreffend ausgeführt, so das OLG Schleswig. Damit war auch die Bemessung des merkantilen Minderwertes nach Auffassung des OLG Schleswig nicht zu beanstanden.
Die Frau hatte daher keinen Anspruch auf weitere 14.000,- €. Die Berufung der Frau wurde vom OLG Schleswig zurückgewiesen.
OLG Schleswig, Beschluss vom 21.10.2020 – 7 U 23/20
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