Bildet die Industrie- und Handelskammer (IHK) in ihrem jährlichen Wirtschaftsbericht eine überhöhte Rücklage, sind die darauf beruhenden Beitragsbescheide rechtswidrig. So entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 22.01.2020 in drei Parallelverfahren (8 C 9.19, 8 C 10.19, 8 C 11.19).
Während die grundsätzliche Frage der Pflichtmitgliedschaft in der IHK gerichtlich geklärt ist, sind die Beitragsbescheide der Kammern regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Oft geht es um Beitragsbefreiungen, insbesondere bei Existenzgründern oder Doppelmitgliedschaften. Aber auch die Frage der Beitragshöhe, die aus Sicht der Kammermitglieder möglichst gering ausfallen soll, ist häufig Streitpunkt vor Gericht.
In dem aktuellen Urteil des BVerwG ging es nun um die Frage, was passiert, wenn die IHK in ihrem jährlichen Wirtschaftsplan überhöhte Rücklagen bildet. Führt dies zur Rechtswidrigkeit der Beitragsbescheide?
Geklagt hatten Mitglieder einer IHK, die sich gegen die Beitragsbescheide aus den Jahren 2011, 2014 und 2016 wehrten. Nach Auffassung der Kläger hatte die IHK in ihren jährlichen Wirtschaftsberichten überhöhte Rücklagen gebildet. Die entsprechenden Beitragsbescheide seien daher rechtswidrig und aufzuheben.
Tatsächlich sah die IHK in den streitgegenständlichen Jahren in ihrem Wirtschaftsbericht jeweils eine Rücklage zum Ausgleich von Beitragsausfällen und sonstigen Schwankungen vor und behielten dabei ihre in den Vorjahren erhöhte Nettoposition (festgesetztes Kapital) bei.
Die Kläger vertraten die Auffassung, dass die Wirtschaftspläne der IHK rechtswidrig waren und somit auch die Beitragsbescheide aufzuheben sind. Vor dem Verwaltungsgericht wurden die Klagen zunächst abgewiesen. Vor dem Oberverwaltungsgericht hatten die Kläger jedoch Erfolg. Die IHK legte Revision beim BVerwG ein, über die nun entschieden wurde.
Die Beitragsbescheide der IHK sind rechtswidrig! Grund hierfür ist die Bildung überhöhter Rücklagen in den entsprechenden Jahresberichten.
Das BVerwG weist darauf hin, dass den Kammern die Bildung von Vermögen grundsätzlich verboten ist. Das bedeutet auch, dass die Kammern Rücklagen nur dann bilden dürfen, „soweit sie hierfür einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit anführen können“, so das BVerwG. Auch der Umfang dieser Rücklage muss von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein, worauf das BVerwG ausdrücklich hinweist.
Die hier streitgegenständlichen Rücklagen waren nach dem Urteil des BVerwG überhöht. Zum Teil überstiegen die Rücklagen den von der IHK prognostizierten Mittelbedarf. Bei den anderen Rücklagen fehlte es überhaupt an einer schlüssigen Darlegung des jeweiligen Finanzbedarfs der IHK, so das BVerwG.
Aus diesem Grund waren nach dem Urteil des BVerwG auch die anhand der jährlichen Wirtschaftspläne erstellten Beitragsbescheide rechtswidrig. Die Revision der IHK wurde vom BVerwG zurückgewiesen. Die Kläger hatten mit ihrer Klage gegen die Beitragsbescheide in dritter Instanz Erfolg.
Bei Erhalt des jährlichen Beitragsbescheids lohnt also in jedem Fall eine genaue Prüfung der Rechtmäßigkeit und insbesondere auch der Blick in den jährlichen Wirtschaftsplan. Die Wirtschaftspläne der Kammern werden jährlich veröffentlicht und sind auf der Homepage der jeweiligen Kammer einzusehen.
BVerwG, Urteil vom 22.01.2020 – 8 C 9.19, 8 C10.19, 8 C 11.19
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