Wer schummelt, geht oft große Risiken ein. Das gilt auch bei Fahrzeugversicherungen. Versicherungen gewähren Preisnachlass, wenn ein Auto nur wenige Kilometer pro Jahr bewegt wird oder wenn Fahrer unter 25 Jahre das Fahrzeug nicht nutzen. Der Gedanke dahinter ist, dass ein geringeres Risiko zu geringeren Beiträgen führen soll. Diese Kalkulation der Versicherungen funktioniert aber nur dann, wenn die Angaben des Versicherten zutreffen.
Bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder bei einer nachträglichen Risikoerhöhung (vgl. §§ 19, 21, 26 VVG) droht der Wegfall des Versicherungsschutzes.
Bei Angaben, die sich im nachhinein als unzutreffend erweisen, kommt es aber regelmäßig nicht zu einem Wegfall des Versicherungsschutzes. Gerichte behandeln die vertraglichen Regelungen zur Beitragsanpassung und Vertragsstrafen als vorrangig gegenüber der drakonischen gesetzlichen Sanktion des Wegfalls des Versicherungsschutzes. Das heißt, dass auch bei einer nachträglichen Risikoerhöhung regelmäßig nicht auf § 19 VVG zurückgegriffen wird.
Allerdings riskieren Versicherte eine rückwirkende Beitragsanpassung und, wenn die Angaben schuldhaft falsch waren, eine saftige Vertragsstrafe.
Nach dem Versicherungsvertrag bestimmt sich der Zahlbetrag anhand der „Merkmale der Beitragsberechnung“ (vgl. z. B. AKB 01.09.2016). Dazu gehört die Kilometerlaufleistung pro Jahr.
„Ändert sich während der Laufzeit des Vertrags ein „Merkmal zur Beitragsberechnung“ … berechnen wir den Beitrag neu. Dies kann zu einer Beitragssenkung oder Beitragserhöhung führen.“
AKB 01.09.2016, K.2.1
Für den Fall, dass sich die im Versicherungsschein aufgeführte Jahreslaufleistung erhöht, ist eine Beitragserhöhung ab Beginn des laufenden Versicherungsjahres vorgesehen. Versicherte sind zur Mitteilung von Änderungen verpflichtet, vgl. K.4.1 AKB. Die Mitteilungspflicht gilt neben der Jahreslaufleistung auch für Alters- und Personenangaben der Fahrzeugführer. Wer also bei Vertragsschluss Fahrer unter 25 Jahren ausgeschlossen hat und dies ändern möchte, muss der Versicherung Mitteilung machen.
Die Anpassung des Beitrags gilt unabhängig vom Verschulden. Wer allerdings schuldhaft falsche Angaben macht oder Änderungen nicht anzeigt, muss neben der Beitragsanpassung eine Vertragsstrafe zahlen. Beispiel:
„Haben Sie schuldhaft unzutreffende Angaben gemacht oder Änderungen schuldhaft nicht angezeigt und ist deshalb ein zu niedriger Beitrag berechnet worden, ist zusätzlich zur Beitragserhöhung eine Vertragsstrafe von 500 EUR zu zahlen“
AKB 01.09.2016, K.4.4
Wer Änderungen nicht anzeigt, handelt regelmäßig schuldhaft. Unter Verschulden versteht man die Außerachtlassung der „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ (vgl. § 276 Absatz 2 BGB). Gerichte haben sich in Streitfällen die Frage zu stellen, wie sich ein umsichtiger Dritter in der Situation verhalten hätte.
Ob Fahrer unter 25 Jahren das Fahrzeug nutzen, muss dem Versicherungsnehmer unter normalen Umständen bekannt sein. Denn wer ein Auto hat, weiß regelmäßig wer es nutzt. Eine objektiv falsche Angabe dazu kann daher nur dann unverschuldet sein, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Das kommt etwa dann in Betracht, wenn eine im Haushalt lebende Person unter 25 Jahre heimlich das Auto nutzt und der Versicherungsnehmer davon nichts mitbekommen konnte. Ob es sich lohnt, dies als Schutzbehauptung vorzubringen, muss gut abgewogen werden. Denn wenn sich die Angaben als unzutreffend erweisen riskiert der Versicherungsnehmer eine Strafbarkeit wegen Betrugs (§ 263 StGB).
Die Anforderungen an das Verschulden gelten ebenso bei Angaben zur Kilometerlaufleistung pro Jahr. Versicherten ist es zuzumuten, Änderungen der Kilometerlaufleistung anzuzeigen. Dabei hilft es nicht zu behaupten, man interessiere sich nicht für den Kilometerstand des Autos. Denn „im Verkehr“ erforderlich ist in diesem Fall, dass der Versicherte sich erkundigt. Bloßes Desinteresse ist daher keine Rechtfertigung. Im Gegenteil: wer sich bewusst nicht für den Kilometerstand seines Autos interessiert, handelt regelmäßig schuldhaft.
Versicherte müssen Änderungen in „angemessener Frist“ bei der Versicherung anzeigen. Feste Regelungen für die Dauer einer solchen Frist existieren nicht. Vielmehr hängt die Dauer der Frist von den Umständen des Einzelfalls ab. Wer Änderungen der Laufleistung binnen vier Wochen nach Kenntnisnahme anzeigt, dürfte damit noch zeitgerecht handeln. Dass das Fahrzeug von mehreren oder jüngeren Fahrern genutzt wird als angegeben, muss hingegen zeitnaher mitgeteilt werden, hierfür dürfte ein Zuwarten von mehr als einer Woche schädlich sein.
Mit der oben zitierten Klausel können Versicherungen aber nur dann eine Vertragsstrafe geltend machen, wenn ein zu niedriger Beitrag „berechnet“ worden ist. Wenn eine Änderung im laufenden ersten Versicherungsjahr eintritt, fehlt es an dieser Voraussetzung, denn ein zu niedriger Beitrag ist dann nicht „berechnet“ worden (vgl. AG Charlottenburg, Urt. v. 02.07.2018 – 2017 C 30/18):
Bei Vertragsschluss am 01.01.2017 hatte die Versicherte einen aktuellen Kilometerstand von 144.000 und eine jährliche Kilometerleistung von 6000 Kilometer angeben. Nur 10 Monate nach Vertragsbeginn kann es am 05.10.2017 zu einem Schaden. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Kilometerstand des Autos 157.000. Anstatt der angegebenen 6000 km im Jahr war das Auto daher in nur 10 Monaten 13.000 km gefahren. Eine Vertragsstrafe konnte die Versicherung nicht durchsetzen, weil es an der Voraussetzung fehlte, dass aufgrund der Falschangabe ein zu niedriger Beitrag „berechnet“ worden ist (vgl. AG Charlottenburg).
Anders sieht es aus, wenn die Versicherung nach Eintritt der Änderung eine neue Beitragsrechnung erstellt hat. Dann wäre nämlich die Voraussetzung, dass ein zu niedriger Beitrag „berechnet“ worden ist, erfüllt.
§§ 19, 21, 26 VVG
AKB, Stand 01.09.2016
AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 02.07.2018 – 2017 C 30/18
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