Liegen konkrete Anhaltspunkte für einen gestellten Unfall vor, können keine Ansprüche gegen die Versicherung geltend gemacht werden. Erhebt der (vermeintlich rechtswidrig) Geschädigte Klage u.a. gegen die Versicherung des Schädigers, kommt es bezüglich der rechtswidrigen Schädigung auf die Überzeugung des Gerichts an. Bei einer ungewöhnlichen Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation sprechen, darf davon ausgegangen werden, dass es sich um einen verabredeten Unfall handelte. Schadensersatzansprüche gegen die Versicherung scheiden dann aus. So entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt a.M.) in seinem Urteil vom 08.04.2019 (23 U 112/17).
Das Fahrzeug des Klägers war auf einem Parkplatz abgestellt. Der Parkplatz war zum Unfallzeitpunkt nahezu leer. Die umliegenden Geschäfte waren aufgrund der frühen Uhrzeit noch geschlossen. Es waren kaum Passanten unterwegs. Der Beklagte zu 2), ein Bekannter des Klägers, befuhr mit seinem Fahrzeug den Parkplatz. Er wollte sein Fahrzeug direkt neben dem des Klägers abstellen. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2) besaß einen äußerst geringen Wert und wurde erst wenige Tage zuvor bei der Beklagten zu 1) versichert. Beim Einparken des Fahrzeugs stieß dieses wiederholt und massiv mit dem klägerischen Fahrzeug zusammen. Dieses erlitt einen Totalschaden. Der Beklagte zu 2) informierte daraufhin den Kläger über den Unfall. Die Polizei sollte jedoch ausdrücklich nicht eingeschaltet werden, so der Kläger. Der Kläger machte sodann Ansprüche gegen die Versicherung des Beklagten zu 2) geltend. Diese ging nach Prüfung des geschilderten Sachverhaltes von einem gestellten Unfall aus. Eine Zahlung erfolgte nicht.
Der Kläger verklagte sodann den Beklagten zu 2) und seine Versicherung als Gesamtschuldner. Das Landgericht ging von einem gestellten Unfall aus und wies die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Über die Berufung entschied nun das OLG Frankfurt a.M..
Das OLG Frankfurt a.M. war davon überzeugt, dass es sich um einen gestellten Unfall handelte. Ansprüche gegen die Versicherung konnten daher nicht geltend gemacht werden. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen.
Der Kläger trug als Geschädigter die volle Beweislast für den von ihm vorgetragenen Sachverhalt. Der Beweis für das den Anspruch begründende rechtswidrige Schadensereignis ist erst dann erbracht, wenn das Gericht die volle Überzeugung gewonnen hat, dass sich der Unfall tatsächlich so ereignete, wie es der Kläger beschrieben hat. Hierauf weist das OLG Frankfurt a.M. in seinem Urteil ausdrücklich hin.
Bei Verkehrsunfällen kann der Nachweis häufig nur durch die Schilderung von Unfallbeteiligten geführt werden. Dann kommt es maßgeblich auf die Glaubwürdigkeit der Beteiligten an. Hieran wird und darf das Gericht nur dann zweifeln, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Nicht jedes Beweisanzeichen für ein manipuliertes Unfallgeschehen ist geeignet, den geschilderten Sachverhalt zu erschüttern.
Bei einer ungewöhnlichen Häufung von Anhaltspunkten für eine Manipulation darf das Gericht jedoch von einem gestellten und verabredeten Unfall ausgehen. Eine solche ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen lag nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. hier vor.
Der Unfall ereignete sich an einem abgelegenen Ort. Es gab keinen Durchgangsverkehr. Die umliegenden Geschäfte waren aufgrund der frühmorgendlichen Uhrzeit noch geschlossen. Die Anwesenheit von etwaigen Zeugen war daher äußerst unwahrscheinlich.
Auch der Unfallhergang ist lebensfremd. Es gab überhaupt keinen Anlass für den Beklagten zu 2), dicht neben dem klägerischen Fahrzeug zu parken. Der gesamte Parkplatz war nahezu leer. Es gab auch keinen ersichtlichen Grund, rückwärts einzuparken. Die Tatsache, dass der Beklagte zu 2) mehrere Male beim Rückwärtseinparken gegen das klägerische Fahrzeug stieß, ist ebenfalls auffällig. Das Gleiche gilt auch für die vom Sachverständigen festgestellte hohe Intensität des Zusammenstoßes. Das klägerische Fahrzeug wurde sogar seitlich verschoben. Die gesamte linke Seite des klägerischen Fahrzeugs wurde großflächig beschädigt. Die Ausführungen des Beklagten zu 2) hierzu waren für das OLG Frankfurt a.M. nicht überzeugend.
Dass der Beklagte zu 2), der bereits seit mehr als 25 Jahren im Besitz der Fahrerlaubnis ist, mehrere eklatante Fahrfehler begangen haben soll, war unglaubwürdig. Bei dem Einparken handelte es sich ersichtlich um einen „vollkommen risikoarmen Vorgang“, so das OLG Frankfurt a.M..
Auch das geschilderte Verhalten des Klägers nach Bekanntwerden des Unfalls war völlig lebensfremd. So erklärte der Kläger, er habe sich die Beschädigung an seinem Fahrzeug im Einzelnen gar nicht angeschaut. Er wollte dem Beklagten zu 2) keine Vorwürfe machen, war aber natürlich sehr aufgebracht. Wichtig für den Kläger war in erster Linie nur, dass keine Polizei geholt werden müsse. Diese Schilderung durch den Kläger war für das OLG Frankfurt a.M. völlig unglaubwürdig.
Es kamen nach Auffassung des OlG Frankfurt a.M. weitere Umstände hinzu, die in der Gesamtschau den Eindruck eines gestellten Unfalls verstärkten. Beide Parteien kannten sich aus gemeinsamen Besuchen im örtlichen Fitnesscenter. Sie waren Landsleute und verständigten sich vor Ort auf polnisch.
Bei dem Fahrzeug des Klägers handelte es sich um ein höherwertiges Fahrzeug mit Totalschaden. Die Schäden wurden auf Gutachterbasis abgerechnet, konnten aber wesentlich günstiger repariert werden.
Das Fahrzeug des Beklagten zu 2) besaß einen äußerst geringen Wert und wurde erst wenige Tage vor dem Unfall versichert.
Bei den dargestellten Umständen handelte es sich um eine außergewöhnliche Häufung von Anhaltspunkten, die für eine Manipulation sprechen. Das OLG Frankfurt a.M. war aus diesem Grund davon überzeugt, dass es sich um einen gestellten Unfall handelte. Der Unfall war zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) verabredet, so das OLG Frankfurt a.M.. Aus diesem Grund hat der Kläger ein rechtswidriges Schadensereignis, welches Grundlage für etwaige Ansprüche gegen die Versicherung war, nicht nachgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Das Verhalten des Klägers und des Beklagten zu 2) ist nach dem gerichtlich festgestellten Sachverhalt auch strafrechtlich relevant. Die Prüfung eines Tatverdachts obliegt der Staatsanwaltschaft. Ob die Beteiligten sich strafbar gemacht haben, wäre dann durch den Strafrichter zu klären.
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 08.04.2019 – 23 U 112/17
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