Verkehrslärm kann der Gesundheit schaden. Bewohner von hoch frequentierten Innenstädten leiden unter dem Lärm, der oft sogar nachts unerträgliche Ausmaße annimmt. Anwohner sind zwar nicht schutzlos, fühlen sich aber gegenüber der Behörde machtlos. Denn die Bereitschaft dazu, freiwillig eine Verkehrsberuhigung einzuführen, ist sehr gering.
Die Verkehrsbehörde ist zur Einführung einer Verkehrsberuhigung verpflichtet, wenn die Beeinträchtigungen für die Anwohner unzumutbar sind. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus § 45 Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 3 StVO. Danach kann die Verkehrsbehörde verkehrsbeschränkende Maßnahmen ergreifen, um die Anwohner vor Lärm und Abgasen zu schützen. Als geeignete Maßnahme kommt ein Tempolimit in Betracht (§ 45 Absatz 9 StVO).
Ein Anspruch auf Einführung eines Tempolimits besteht nicht erst ab einem bestimmten Grenzwert, sondern bereits dann, wenn die Beeinträchtigungen durch Lärm und Abgase unzumutbar sind. Dabei sind die Belange des Verkehrs und die Ortsüblichkeit zu berücksichtigen.
Die Rechtsprechung orientiert sich an den Grenzwerten der 16. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (16. BImSchV). Werden die darin festgeschriebenen Grenzwerte eingehalten, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Beeinträchtigungen zumutbar sind.
Bei Überschreitung der Grenzwerte liegt aber regelmäßig eine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung vor. Eine solche verpflichtet die Behörde dazu, über verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu entscheiden. Hierbei nimmt die Behörde eine Gesamtabwägung vor, bei der sie unter anderem auch zu berücksichtigen hat, ob sich die Situation bei Anwohnern anderer Straßen verschlechtert.
Wird bei reinen oder allgemeinen Wohngebieten ein Geräuschpegel durch Verkehr von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts überschritten, kann dies eine unzumutbare Beeinträchtigung darstellen (§ 2 16. BImSchV). Bei einem Pegel von mehr als 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts, ist die Verkehrsbehörde regelmäßig zum Einschreiten verpflichtet. Das ergibt sich aus den Lärmschutzrichtlinien-Straßenverkehr des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2007, dort Nr. 2.1). Bei Erreichen dieser Pegel sind regelmäßig Gesundheitsgefahren für Anwohner zu befürchten und die Schwelle der Zumutbarkeit ist überschritten.
Allerdings ist auch bei Überschreitung der Grenzwerte nicht stets davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen besteht. Vielmehr können ausnahmsweise überwiegende Gründe des Gemeinwohls für eine höhere Zumutbarkeitsschwelle sprechen.
Solche Gründe müssen aber großes Gewicht haben. So hat es das Verwaltungsgericht Berlin nicht ausreichen lassen, dass eine Straße überörtliche Bedeutung hat und für den öffentlichen Nahverkehr wichtig ist (11 K 394.18). Bei der dort vorhandenen Lärmbelastung von 62 dB(A) nachts seien Gesundheitsgefahren zu befürchten, gegenüber denen die Gemeinwohlinteressen nicht überwiegen.
Einen direkten Anspruch auf Tempolimit können Anwohner in den meisten Fällen nicht durchsetzen. Das liegt daran, dass § 45 Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 3 StVO als Ermessenvorschrift ausgestaltet ist. Die Vorschrift regelt, dass die Verkehrsbehörden Maßnahmen ergreifen „können“. Das zielt nicht auf eine gebundene Entscheidung ab, sondern die Behörde ist gehalten, eine eigene Entscheidung zu treffen, die der Beeinträchtigung abhilft. Das bedeutet, dass es letztlich Sache der Behörde ist zu entscheiden, ob beispielsweise ein Tempolimit von 30 km/h oder von 40 km/h ausreicht oder ob Verkehrsführungen zu ändern sind.
Das Gericht verpflichtet die Verkehrsbehörde in einem solchen Fall, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag auf Einschreiten zu entscheiden.
In einem Gerichtsverfahren kann der als so genannter Bescheidungsantrag bezeichnete Antrag folgendermaßen lauten:
Es wird beantragt zu erkennen: Die Verkehrsbehörde wird unter Aufhebung des Bescheids vom 01.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2019 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 01.05.2018, soweit darin eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h im Zeitraum von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr begehrt wird, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Bei deutlichen Lärmüberschreitungen sollten sich Anwohner nicht auf eine Klage beschränken, sondern zugleich einen Antrag auf Erlass einer Regelungsverfügung stellen (§ 123 VwGO). Das hat den Vorteil, dass das Gericht schneller entscheidet. Im Fall des VG Berlin (11 K 394.18) lagen zwischen der Beantragung von Lärmschutzmaßnahmen und der stattgebenden Gerichtsentscheidung mehr als acht Jahre. Diese Verfahrensdauer ist angesichts der Gesundheitsgefahren bemerkenswert. Bei Gefahren für die Gesundheit muss schnell gehandelt werden. Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dauern regelmäßig nur drei Monate bis ein Jahr und sind deutlich besser geeignet, Abhilfe zu schaffen.
VG Berlin, Urteil vom 01.02.2019 – 11 K 394.18
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