Eine Entschädigung kann nicht verlangt werden, wenn sich der Flug wegen starkem Schneefall verspätet. In diesem Fall liegen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausgleichszahlung nach Fluggastrechteverordnung ausschließen. Ein entsprechendes Urteil fällte das Amtsgericht Frankfurt am Main (AG Frankfurt am Main) am 31.07.2018 (32 C 713/18).
Die Klägerin buchte für sich und ihre zwei Töchter bei der Beklagten, einem deutschen Luftfahrtunternehmen, einen Flug nach Lanzarote. Dieser sollte am 10.12.2017 um 10.45 Uhr von Frankfurt am Main starten. Die Klägerin checkte mit ihren Töchtern ein und bestieg das Flugzeug. Das Boarding war abgeschlossen und das Flugzeug stand abflugbereit am Gate. Zu diesem Zeitpunkt schneite es bereits. Aufgrund des stärker werdenden Schneefalls sprach der Flughafen eine Schneefallwarnung aus. Das hatte zur Folge, dass das Flugzeug war dem Start enteist werden musste. Kurze Zeit später sprach der Flughafen eine so genannte „Null-Steuerung“ aus. Das bedeutet, dass keine Starts und Landungen mehr durch den Flughafen zugelassen wurden. Grund hierfür war der mittlerweile starke Schneefall vor Ort.
Insgesamt kam es an diesem Tag zu über 200 Flugausfällen am Flughafen Frankfurt am Main. Erst um 14.17 Uhr wurden wieder Enteisungen angeboten. Wann das von der Klägerin bestiegene Flugzeug mit der Enteisung dran gewesen wäre, war nicht absehbar. Es war auch nicht absehbar, ob das Flugzeug überhaupt noch am 10.12.2017 während der Öffnungszeiten des Flughafens starten konnte. Daher entschied sich die Crew gegen 17.00 Uhr, das Flugzeug zu verlassen. Die Beklagte traf dann die Entscheidung, die Fluggäste wieder aussteigen zu lassen.
Der Flug wurde auf den nächsten Tag verschoben. Die Klägerin kam mit ihren Töchtern also erst am 11.12.2017 und nicht –wie geplant- am 10.12.2017 auf Lanzarote an.
Wegen der Verspätung verlangte die Klägerin für sich und ihre Töchter eine Entschädigung in Höhe von 1.200,- €. Die Beklagte lehnte eine Entschädigung ab. Sie vertrat die Auffassung, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen war. Diese waren nicht von der Beklagten zu vertreten. Daher habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Entschädigung. Die Klägerin legte daraufhin Klage beim AG Frankfurt am Main ein.
Das AG Frankfurt am Main wies die Klage ab. Der Klägerin stand kein Anspruch auf Entschädigung zu, so das AG Frankfurt am Main.
Ein Anspruch auf Entschädigung kam hier aus der Fluggastrechteverordnung in Betracht. Gemäß Artikel 6 der Fluggastrechteverordnung kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen unter anderem eine Entschädigung für die Verspätung von mehr als drei Stunden verlangt werden. Gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Fluggastrechteverordnung scheidet ein Anspruch auf Entschädigung allerdings aus, wenn die Annullierung oder die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist. Diese Umstände müssen für das Luftfahrtunternehmen auch bei Ergreifen alle zumutbaren Maßnahmen nicht zu vermeiden gewesen sein, so Artikel 5 Absatz 3 der Fluggastrechteverordnung.
Nach Auffassung des AG Frankfurt am Main lagen aufgrund des starken Schneefalls solche außergewöhnlichen Umstände vor. Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände ist in der Fluggastrechteverordnung nicht definiert. Das AG Frankfurt am Main weist jedoch auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hin.
Der BGH geht von außergewöhnlichen Umständen aus, wenn diese „nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann“ (BGH, Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 121/13). Nach dem 14. Erwägungsgrund der Fluggastrechteverordnung können solche Umstände z.B. bei politischer Instabilität oder mit der Durchführung des Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken oder unerwarteten Flugsicherheitsmängeln vorliegen, so das AG Frankfurt am Main.
Nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind diejenigen Umstände außergewöhnlich, „welche ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind“. Hierzu gehören auch Wetterbedingungen, die den Luftverkehr oder die Betriebstätigkeit von Luftfahrtunternehmen ganz oder teilweise zum Erliegen bringen, so das AG Frankfurt am Main.
Bei dem starken atypischen Schneefall am 10.12.2017 handelte es sich um solche außergewöhnlichen Umstände. So entschied das AG Frankfurt am Main in seinem Urteil. Die Verzögerung war hier gerade aufgrund des starken Schneefalls eingetreten. Die Beklagte konnte auch durch zumutbare Maßnahmen eine Verzögerung von mehr als drei Stunden nicht vermeiden, so das AG Frankfurt am Main. Solche zumutbaren Maßnahmen waren für das AG Frankfurt am Main auch nicht ersichtlich. Die Störung war nicht am Flugobjekt vorhanden, sondern lag darin, dass am Flughafen keine Starts und Landungen bzw. später zeitnahe Enteisungen möglich waren. Hierauf weist das AG Frankfurt am Main hin. Die Verzögerung konnte von der Beklagten nicht vermieden werden.
Es lagen daher außergewöhnliche Umstände vor. Die Verzögerung konnte von der Beklagten auch nicht durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können, so das Frankfurt am Main. Gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Fluggastrechteverordnung scheidet ein Anspruch auf Entschädigung wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände aus.
Das AG Frankfurt am Main wies die Klage der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung vollumfänglich ab.
AG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.07.2018 – 32 C 713/18
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