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Entziehung der Fahrerlaubnis bei Unfallflucht und geringem Schaden (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 12.11.2018 – 5 Qs 73/18)

Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann unter anderem bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort angeordnet werden, wenn ein bedeutender Schaden an einer fremden Sache entstanden ist. Der Schaden ist bedeutend, wenn er netto mindestens 2.500,- beträgt. Eine entsprechende Entscheidung traf das Landgericht Nürnberg-Fürth (LG Nürnberg-Fürth) mit seinem Beschluss vom 12.11.2018 (5 Qs 73/18).

Der Fall

Der Angeklagte befuhr mit einem Kleintransporter eine öffentliche Straße. Beim Rückwärtsfahren stieß er mit seinem Stoßfänger an ein parkendes Auto. Dabei wurden der Kotflügel und die Radlaufblende leicht eingedrückt und verschrammt. Auch die Felge wurde verschrammt. Das ergaben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte entfernte sich vom Unfallort, obwohl er den Unfall bemerkt hat. Er hat nicht eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet, bis jemand den Unfall aufgenommen hat. Hierzu war der Angeklagte verpflichtet. Der Schaden am beschädigten Fahrzeug betrug 1.977,74 € netto.

Die Staatsanwaltschaft erließ gegen den Angeklagten einen Strafbefehl. Darüber hinaus entzog sie dem Angeklagten durch Beschluss vorläufig die Fahrerlaubnis. Das Amtsgericht ordnete die Beschlagnahme des Führerscheins an. Der Führerschein wurde sodann beschlagnahmt.

Der Angeklagte wehrte sich sowohl gegen den Strafbefehl, als auch gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Er legte gegen den Beschluss über die Fahrerlaubnisentziehung Beschwerde ein. Nachdem das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen hat, hatte das LG Nürnberg-Fürth zu entscheiden.

Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth

Das LG Nürnberg-Fürth gab dem Angeklagten Recht. Es hob den Beschluss über die Entziehung der Fahrerlaubnis auf. Darüber hinaus entschied das LG Nürnberg-Fürth, dass dem Angeklagten der Führerschein unverzüglich herauszugeben ist.

Nach der Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth ergab der derzeitige Ermittlungsstand nicht, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet war. Gemäß § 111a StPO darf die Fahrerlaubnis vorläufig nur dann entzogen werden, wenn der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist (§ 69 StGB). In Betracht kam hier lediglich die Unfallflucht nach einer Beschädigung einer fremden Sache mit bedeutendem Wert, § 69 Absatz 2 Nummer 3 StGB. Ein dringender Tatverdacht wegen Unfallflucht war nach dem Stand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft anzunehmen, so das LG  Nürnberg-Fürth.

Bedeutender Schaden ab 2.500,- € netto

Allerdings lag nach Auffassung des LG Nürnberg-Fürth kein bedeutender Fremdschaden vor. Das LG Nürnberg-Fürth sieht die Grenze für einen bedeutenden Schaden ab einem Betrag von netto 2.500,- € an. Der vom Angeklagten verursachte Schaden lag jedoch bei 1.977,74 € netto, somit unter der Grenze von 2.500,- € netto. Es ist also nach der Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth objektiv kein bedeutender Fremdschaden entstanden. Auf die Kenntnis des Angeklagten über die Schadenshöhe kommt es daher gar nicht mehr an, so das LG Nürnberg-Fürth. Die Voraussetzungen des § 69 Absatz 2 Nummer 3 StGB waren demzufolge nicht erfüllt. Andere Anhaltspunkte für die charakterliche Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen waren nicht ersichtlich.

Der Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis war nach Auffassung des LG Nürnberg-Fürth rechtswidrig. Die Beschwerde des Angeklagten hatte Erfolg. Das LG Nürnberg-Fürth hob den Beschluss auf und ordnete die sofortige Herausgabe des Führerscheins an den Angeklagten an.

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 12.11.2018 – 5 Qs 73/18

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