Fährt der Fahrer eines Fahrzeugs in den Kreisverkehr hinein und verletzt er dabei das Vorfahrtsrecht eines sich bereits im Kreisverkehr befindlichen anderen Fahrzeugs, haftet er bei einer Kollision zu 75%. Dies gilt auch dann, wenn der andere Fahrer falsch geblinkt hat und damit ein Ausfahren aus dem Kreisverkehr angezeigt hat. Ein entsprechendes Urteil fällte das OLG München am 13.07.2018 (10 U 3991/17).
Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs fuhr mittig in einem Kreisverkehr. Versehentlich betätigte er den Blinker und erweckte damit den Anschein, rechts aus dem Kreisverkehr herausfahren zu wollen. Nach vor der nächsten Auffahrtsmöglichkeit in den Kreisverkehr setzte sich der Blinker aufgrund einer Linkskurve selbständig wieder zurück. Die Beklagte zu 2), die in den Kreisverkehr hinein fahren wollte, sah das nach rechts blinkende Fahrzeug der Klägerin. Sie fuhr in den Kreisverkehr hinein, wo es dann zur Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug kam. Noch vor der Kollision war der Blinker jedoch wieder zurückgesetzt. Dies bemerkte die Beklagte zu 2) nicht. Sie nahm an, dass das klägerische Fahrzeug tatsächlich nach rechts aus dem Kreisverkehr raus fahren wollte. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz für den entstandenen Schaden.
Die Klägerin erhob Klage beim zuständigen Landgericht. Das Landgericht sah eine Haftungsverteilung von 75% zu Lasten der Klägerin und 25% zu Lasten der Beklagten. Aufgrund des fehlerhaften Setzens des Fahrtrichtungsanzeigers ging das Landgericht von einer Hauptschuld der Klägerin bzw. deren Fahrer aus. Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung ein. Über die Berufung hatte das OLG München zu entscheiden.
Das OLG München sah es anders. Nach dem Urteil des OLG München lag die Hauptschuld bei der Beklagten zu 2). Diese haftet nach Auffassung des OLG München zu 75%, nicht die Klägerin. Die Beklagte zu 2) hat durch ihr Einfahren in den Kreisverkehr die Vorfahrt des klägerischen Fahrzeugs verletzt. Dieses befand sich zum Zeitpunkt der Kollision bereits im Kreisverkehr und war daher vorfahrtsberechtigt. Auch wenn das klägerische Fahrzeug irrtümlich blinkte und damit das Ausfahren aus dem Kreisverkehr anzeigte, lag die Hauptschuld nach Auffassung des OLG München bei der Beklagten zu 2).
Der gerichtlich bestellte Sachverständige stellte fest, dass sich der Blinker spätestens unmittelbar vor der Ausfahrt selbständig zurückgestellt haben muss. Das klägerische Fahrzeug legte daher bis zum Zusammenstoß noch mindestens vier Fahrzeuglängen ab Einfahrtsentschluss der Beklagten zu 2) zurück. Der Beklagten zu 2) wären ein Stopp und ein Abbruch der Einfahrt in den Kreisverkehr möglich gewesen, wenn sie das klägerische Fahrzeug weiter beobachtet hätte. Durch ein weiteres Beobachten des Fahrzeugs der Klägerin hätte sie das Beenden des Blinkvorgangs bemerken können und müssen. Die Beklagte zu 2) blickte jedoch beim Einfahren in den Kreisverkehr nicht mehr zum klägerischen Fahrzeug. Der Blick der Beklagten zu 2) muss sich nach schräg rechts in Fahrtrichtung ihres eigenen Fahrzeugs gerichtet haben. So die Feststellungen des Sachverständigen.
Die Kollision hätte von der Beklagten zu 2) noch vermieden werden können, als sich der Blinker zurückstellte. Hiervon ausgehend geht das OLG München von einem überwiegenden Verschuldensanteil von 75% zu Lasten der Beklagten aus. Die Klägerin trifft nach dem Urteil des OLG München ein Verschulden von 25%.
Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.
Das vorherige Urteil des Landgerichts wurde entsprechend abgeändert.
OLG München, Urteil vom 13.07.2018 – 10 U 3991/17
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