Keine Streupflicht bei Dauerschneefall (LG München II , Urt. v. 28.12.2018 – 13 O 4859/16)

Eine Streupflicht besteht nicht, wenn diese aufgrund von Dauerschneefall sinnlos ist. In diesem Fall besteht auch kein Schadensersatzanspruch bei Sturz auf glatter Straße wegen der Verletzung der Streupflicht. So entschied das Landgericht München II (LG München II) in seinem Urteil vom 28.12.2018 (13 O 4849/16).

Der Fall

Der Kläger begab sich an einem Wintertag im Dezember 2014 zum Friseur in einer zur Beklagten gehörenden Gemeinde. In der Nacht zuvor hatte es stark geschneit. Der Kläger fuhr mit dem Auto und stellte fest, dass er die letzte Strecke zum Friseur auf einer ansteigenden Straße wegen Glätte nicht befahren konnte. Die Straße war am Morgen dieses Tages nicht mit Rollsplitt –wie sonst dort üblich- gestreut worden. An den Fahrbahnrändern befanden sich aufgeschobene Schneeberge. Gehwege waren nicht vorhanden. Der Kläger parkte sein Auto und ging die Straße in der Mitte hinauf zu seinem Friseur. Nach dem Friseurbesuch ging der Kläger die Straße wieder hinab und stürzte. Auf der Straße befand sich zu dieser Zeit eine Schneedecke mit lockerem Schnee. Der Kläger zog sich beim Sturz erhebliche Verletzungen zu, unter anderem am Kopf.

Er verlangte von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld. Nach Auffassung des Klägers hat die Beklagte ihre Streupflicht verletzt. Die Straße war aufgrund von Glatteis und Schneedecke glatt und hätte gestreut werden müssen. Aus diesem Grund sei die Beklagte gegenüber dem Kläger schadensersatzpflichtig, so meinte zumindest der Kläger.

Die Beklagte lehnte eine Schadensersatzpflicht ab. Nach Auffassung der Beklagten bestand am Unfalltag keine Pflicht zur Streuung mit Rollsplitt, da ganztägig Dauerschneefall herrschte. Eine Streuung mit Rollsplitt wäre daher sinnlos gewesen. Außerdem treffe den Kläger eine Mitschuld, da ihm die Straßenverhältnisse bekannt waren, so die Beklagte.

Der Kläger erhob Klage beim LG München II auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Entscheidung des LG München II

Das LG München II gab der Beklagten Recht und wies die Klage vollumfänglich ab.

Aufgrund von Dauerschneefall am Unfalltag war die Beklagte nicht zur Streuung der Straße verpflichtet. Eine Verletzung der Streupflicht lehnte das LG München II aus diesem Grund ab. Außerdem stellte das LG München II ein überwiegendes Mitverschulden des Klägers fest. Eine Haftung der Beklagten war nach Auffassung des LG München II daher abzulehnen.

Keine Streupflicht bei Sinnlosigkeit einer Streuung

Das LG München II weist auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin. Hiernach besteht keine Streupflicht, wenn eine Streuung aufgrund der Wetterbedingungen sinnlos ist. Dies gilt insbesondere auch bei Dauerschneefall (BGH, Urteil vom 30.04.1974, III ZR 166/72, juris Rn. 17). Ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes bestätigte einen Dauerschneefall für den Unfalltag. Hiernach kam es am Unfalltag zwischen 6.40 Uhr und 24.00 Uhr durchgängig zu Schneefall. Es herrschte daher Dauerschneefall. Eine Streuung mit Rollsplitt hätte nach Auffassung des LG München II keinen Sinn ergeben. Darüber hinaus weist das LG München II wiederum unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin, dass eine Streupflicht nur im Rahmen des Zumutbaren besteht. Nach Auffassung des LG München II kann der Beklagten jedoch nicht zugemutet werden, die Wettersituation in jeder Straße stündlich zu beobachten, um dann gegebenenfalls umgehend dort zu streuen.

Hinzu kommt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten die Unfallstraße am frühen Morgen des Unfalltages geräumt hatte. Dies ergibt sich an einem entsprechenden vorgelegten Bericht. Die Räumung ist auch zu einem Zeitpunkt erfolgt, bevor der übliche Verkehr einsetzt, somit zum richtigen Zeitpunkt. Das LG München II ist der Auffassung, dass bei der festgestellten Neuschneemenge von vier bis fünf Zentimetern zwischen morgens um sieben Uhr und dem Zeitpunkt des Sturzes keine Pflicht zur wiederholten Räumung und anschließenden Streuung bestand. Es genügte aufgrund der Wetterbedingungen eine weitere Räumung am Abend des Unfalltages, so das LG München.

Streupflicht bei allgemeiner Glätte

Zudem besteht eine Streupflicht nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „nur bei Vorliegen allgemeiner Glätte“, so das LG München II (BGH, Urteil vom 23.07.2015, III ZR 86/15). Dass es im Gemeindegebiet der Beklagten allgemein glatt gewesen ist, hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Von allgemeiner Glätte musste das LG München II daher auch nicht ausgehen.

Eine Verletzung der Streupflicht lag nach Auffassung des LG München II nicht vor. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen der Verletzung der Streupflicht konnte der Kläger daher nicht geltend machen. Das LG München II wies die Klage aus diesem Grund ab.

LG München II, Urteil vom 28.12.2018 – 13 O 4859/16

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