Kommt es beim Herausfahren aus einer Parklücke zu einem Unfall mit einem anderen Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Schuld des Fahrers des herausfahrenden Fahrzeugs. Dies gilt bei einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Herausfahren aus der Parklücke und der Kollision. So entschied das Landgericht Hamburg (LG Hamburg) in seinem Urteil vom 09.03.2018 (319 O 91/17).
Der Kläger verlangte von den Beklagten Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls. Der Verkehrsunfall ereignete sich, nachdem bzw. während der Kläger mit seinem Fahrzeug aus einer Parklücke heraus fuhr. Die Parklücke befand sich auf einem parallel zur Straße verlaufenden Parkstreifen. Im Zusammenhang mit dem Herausfahren aus der Parklücke fuhr der Beklagte zu 2) als Fahrer eines LKW in das Fahrzeug des Klägers hinein. Ob der Kläger bereits in den fließenden Verkehr eingeordnet war oder noch am Einordnen war, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger behauptet, er sei aus der Parklücke halb heraus gefahren und musste aufgrund einer roten Ampel anhalten. Zur Kollision kam es, als der LKW nach Grünschalten der Ampel in den stehenden PKW des Klägers hinein gefahren sei. Dies behauptete zumindest der Kläger. Der Beklagte zu 2) hingegen behauptete, dass der Kläger plötzlich nahezu auf Höhe des LKW aus der Parklücke heraus fuhr. Beim Zusammenstoß wurde das Fahrzeug des Klägers erheblich beschädigt.
Der Kläger sah die Schuld bei den Beklagten. Er verlangte von den Beklagten die Erstattung des Schadens. Diese lehnten eine Zahlung ab.
Daraufhin erhob der Kläger Klage beim LG Hamburg.
Das LG Hamburg wies die Klage vollumfänglich ab.
Der Beweis des ersten Anscheins führte zu einer vollständigen Haftung des Klägers und nicht der Beklagten. So sah es das LG Hamburg.
Der Unfall ereignete sich im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Herausfahren aus der Parklücke. In diesem Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Fahrers des heraus fahrenden Fahrzeugs. Hierauf weist das LG Hamburg hin. Wer sich aus dem ruhenden Verkehr in den fließenden Verkehr einordnet, hat die äußerste Sorgfalt zu beachten. Nach § 10 StVO muss derjenige, der „von anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist“. Hierauf weist das LG Hamburg in seinem Urteil hin. Gegen diese Sorgfaltspflicht hat der Kläger verstoßen, so das LG Hamburg. Hiervon ist nach dem Beweis des ersten Anscheins ist zu Lasten des Klägers auszugehen. Denn der Unfall passierte im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Herausfahren aus der Parklücke.
Der Kläger konnte den Beweis des ersten Anscheins auch nicht erschüttern, so das LG Hamburg. Hierfür hätte er konkrete Umstände für einen anderen Geschehensablauf darlegen und beweisen müssen. Das ist dem Kläger nicht gelungen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige konnte nicht feststellen, ob das Fahrzeug des Klägers bei der Kollision bereits stand oder nicht. Auch eine vernommene Zeugin konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob das Fahrzeug bereits gestanden hatte. Fahrfehler des Beklagten zu 2) konnten ebenfalls nicht festgestellt werden. Einen anderen atypischen Geschehenslauf hat der beweisbelastete Kläger nach Auffassung des LG Hamburg nicht nachgewiesen.
Der Beweis des ersten Anscheins wurde vom Kläger daher nicht erschüttert.
Das LG Hamburg stellte in seinem Urteil daher die volle Haftung des Klägers fest. Die Beklagten hingegen hafteten nach Auffassung des LG Hamburg nicht.
Die Klage wurde vollumfänglich abgewiesen.
LG Hamburg, Urteil vom 09.03.2018 – 319 O 91/17
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