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Haftung des Busfahrers beim Sturz eines Fahrgastes nur bei erkennbar schwerwiegender Behinderung (OLG Celle, Beschl. v. 26.06.2018 – 14 U 70/18)

Der Fahrer eines Linienbusses haftet beim Anfahren nur dann für den Sturz eines Fahrgastes, wenn er sich bei einer erkennbar schwerwiegenden Behinderung des Fahrgastes nicht ausreichend darüber vergewissert hat, ob der Fahrgast Platz oder Halt im Wagen gefunden hat. Liegt keine erkennbar schwerwiegende Behinderung vor, haftet der Fahrgast grundsätzlich allein, wenn er sich nach dem Einsteigen in den Bus nicht sofort festen Halt verschafft. Bei dem Sturz eines Fahrgastes beim Anfahren spricht der erste Anschein dafür, dass dieser auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen ist. Hierauf weist das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle) in seinem Beschluss vom 26.06.2018 hin (14 U 70/18).

Der Fall:

Die Klägerin war Fahrgast eines Linienbusses, den der Beklagte als Busfahrer fuhr. Sie war Inhaberin eines Schwerbehindertenausweises, den sie jedoch dem Beklagten nicht vorzeigte. Auch war die Klägerin in fortgeschrittenem Alter und führte einen Trolley, eine so genannte fahrbare Einkaufstasche, bei sich. Beim Anfahren des Busses stürzte die Klägerin und verlangte nun Schadensersatz vom Busfahrer. Sie erhob Klage vor dem zuständigen Landgericht. Das Landgericht wies die Klage ab. Daraufhin legte die Klägerin Berufung beim OLG Celle ein. Das OLG Celle hatte nun über die Berufung der Klägerin zu entscheiden.

Die Entscheidung:

Mit Beschluss vom 26.06.2018 teilte das OLG Celle mit, dass es beabsichtigt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Nach Auffassung des OLG Celle hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und insbesondere auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts, die Klage abzuweisen, ist rechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden, so das OLG Celle.

Das OLG Celle weist darauf hin, dass eine Haftung des Busfahrers weder aus § 18 Absatz 1 StVG noch aus § 823 Absatz 1 BGB bzw. § 823 Absatz 2 BGB, 229 StGB in Betracht kommt, wie das Landgericht zuvor zutreffend feststellte.

Im Hinblick auf die Haftung nach § 18 Absatz 1 StVG hatte der Beklagte den Nachweis zu führen, „verkehrsgerecht bei Beachtung der gewöhnlichen verkehrserforderlichen Sorgfalt verhalten zu haben“, so das OLG Celle. Diesen Nachweis hat der Beklagte geführt. Nach Auffassung des OLG Celle war dem Beklagten nach Anwendung dieses Maßstabes eine Pflichtverletzung nicht anzulasten, wohingegen die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB trifft.

Nach anerkannter Rechtsprechung ist der Fahrer eines Linienbusses regelmäßig nicht verpflichtet, zu beobachten, ob seine Fahrgäste einen Sitzplan eingenommen oder sich einen sicheren Halt verschafft haben. Der Fahrgast einer Straßenbahn oder eines Linienbusses ist sich grundsätzlich selbst überlassen und verpflichtet, sich im Fahrzeug stets Halt zu verschaffen (BGH, Urt. v. 01.12.1992, VI ZR 27/92). Weiterhin anerkannt in der Rechtsprechung ist, dass der Busfahrer in der Regel darauf vertrauen darf, dass der Fahrgast seiner Verpflichtung, sich festen Halt zu verschaffen, nachgekommen ist. Dies gilt insbesondere auch beim Anfahren des Busses, bei dem der Busfahrer seine Aufmerksamkeit auf den Verkehr und die übrigen Verkehrsteilnehmer richten muss, so das OLG Celle. Anders verhält es sich nach Auffassung des OLG Celle, wenn eine erkennbare schwere Behinderung des Fahrgastes vorliegt. Dann muss sich der Busfahrer ausnahmsweise vergewissern, dass der Fahrgast Platz oder Halt gefunden hat. Dies war hier nicht der Fall. Wenngleich die Klägerin Inhaberin eines Schwerbehindertenausweises gewesen ist, war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für den Beklagten nicht erkennbar, dass eine schwerwiegende Behinderung vorlag. Dies wäre bei einem z.B. beinamputierten oder blinden Fahrgast anzunehmen, so das OLG Celle. Allein die Tatsache, dass die Klägerin aufgrund ihres Alters und dem Umstand, dass sie einen Trolley bei sich führte, vielleicht nicht so sicher beim Einsteigen bzw. im Halt suchen gewesen sein mag, genügt nicht, dem Fahrer eine besondere Pflicht zur Aufmerksamkeit aufzuerlegen, so das OLG Celle. Hinzu kommt, dass der Fahrer auch nicht verpflichtet ist, Fahrgäste nach eventuellen Schwerbehindertenausweisen zu fragen bzw. sich von jedem Fahrgast einen Fahrausweis vorzeigen zu lassen. Hierauf weist das OLG Celle hin. Zudem ist der Beklagte unstreitig mit normaler Geschwindigkeit angefahren. Ein Pflichtverstoß des Beklagten liegt daher, wie vom Landgericht zuvor zutreffend festgestellt, nicht vor, so das OLG Celle in seinem Beschluss. Da ein schuldhafter Pflichtverstoß des Beklagten nicht vorlag, kam auch eine Haftung des Beklagten aus § 823 BGB nicht in Betracht.

OLG Celle, Beschluss vom 26.06.2018 – 14 U 70/18

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