Die Zeit des An- und Ablegens von auffälliger Dienstkleidung im Betrieb des Arbeitgebers zählt zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit und ist vom Arbeitgeber zu vergüten. Diese Entscheidung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil vom 25.04.2018 (5 AZR 245/17).
Der Fall:
Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Unternehmen, das im Bereich Geld- und Werttransporte tätig ist, als Mitarbeiterin in der stationären Dienstleistung beschäftigt. Die Vergütung der Arbeit erfolgt vom Beginn der dienstplanmäßigen Tätigkeit bis zur Betätigung der Stempeluhr nach Arbeitsende. Es befindet sich eine Stempeluhr am Haupteingang des Arbeitsortes. Weitere Stempeluhren befinden sich vor den jeweiligen Abteilungen. Die Dienstkleidung der Klägerin besteht aus Sicherheitsschuhen und einem schwarzen Poloshirt mit dem Firmenlogo in gelber Schrift auf der Vorder- und Rückseite. Wenn die Klägerin sich im Betrieb umzieht, sucht sie die Umkleideräume im Untergeschoss auf und zieht sich dort ihre Dienstkleidung an. Anschließend geht sie in ihre Abteilung in der obersten Etage und betätigt dort die Stempeluhr direkt vor ihrer Abteilung. Manche Mitarbeiter kommen bereits in ihrer Dienstkleidung zur Arbeit. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommen die Tarifverträge der Wach- und Sicherheitsbranche zur Anwendung, unter anderem der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Hier findet sich eine Regelung zum Dienstbeginn, wonach der Dienst mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel endet. Weiterhin ist dort geregelt, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die erforderliche Ausrüstung und die erforderliche Dienstkleidung im Dienst zu gebrauchen.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Vergütung ihrer Umkleidezeiten im Betrieb und forderte die Beklagte hierzu schriftlich auf. Die Beklagte lehnte die Vergütung der Umkleidezeiten ab, woraufhin die Klägerin Klage am zuständigen Arbeitsgericht erhob. Sie begehrte zum einen die Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten im Betrieb sowie die Zahlung der Vergütung der Umkleidezeiten als Arbeitszeit für einen Zeitraum im September 2015 bis Ende November 2015, insgesamt für 275 Minuten, was einen Betrag von 69,00 € brutto ergab. Das Arbeitsgericht gab der Klage diesbezüglich statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das zuständige Landesarbeitsgericht das Urteil auf und wies die Klage der Klägerin insgesamt ab. Die Klägerin legte hiergegen Revision ein, worüber das BAG nun in seinem Urteil vom 25.04.2018 entschieden hat.
Die Entscheidung:
Das BAG gab der Klägerin im Hinblick auf die Vergütungspflicht von Umkleidezeiten Recht und hob das klagabweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts auf. Mit dem Urteil entschied das BAG, dass die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung einer Vergütungspflicht in Bezug auf die Umkleidezeiten hat. Der diesbezügliche Antrag der Klägerin auf Feststellung der Vergütungspflicht war zulässig und begründet, so das BAG. Über die begehrte Zahlung von 69,00 € brutto konnte das BAG noch nicht entscheiden, weil es Feststellungen zum Umfang des Umkleidezeiten fehlte. Hinsichtlich der Klage auf Zahlung verwies das BAG den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.
Das BAG entschied, dass die von der Klägerin benötigte Umkleidezeit zum An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb ebenfalls vergütungspflichtige Arbeitszeit gemäß § 611 Absatz 1 BGB ist. Dies ist auch nicht durch Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen worden, so das BAG. Das BAG weist darauf hin, dass die gesetzliche Vergütungspflicht nach § 611 Absatz 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste anknüpft. Zu den versprochenen Diensten im Sinne des § 611 BGB „zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlanget sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt“, so das BAG und als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG, Urteil vom 06.09.2017, 5 AZR 382/16). In jedem Fall ist dies bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung gegeben, denn der Arbeitnehmer hat an der Offenlegung der von ihm ausgeübten Tätigkeit aufgrund des Tragens der Dienstkleidung kein eigenes Interesse, so das BAG. Da die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung auf einer Anweisung des Arbeitgebers beruht, schuldet der Arbeitgeber für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit auch Vergütung (BAG, a.a.O.). Anders verhält es sich nach Auffassung des BAG, wenn es sich um eine nicht so auffällige Dienstkleidung handelt und diese zu Hause bereits angelegt wird. Dann ist das Ankleiden mit der vorgeschriebenen Dienstkleidung nicht lediglich fremdnützig und somit keine Arbeitszeit, so das BAG. Bei der Dienstkleidung der Klägerin handelt es sich nach Einschätzung des BAG um eine besonders auffällige Dienstkleidung, da aufgrund des Schriftzuges auf dem Poloshirt auf der Vorder- und Rückseite die Klägerin eindeutig als Mitarbeiterin der Beklagten zu erkennen ist. In Bezug auf das Tragen der Sicherheitsschuhe ist nach Auffassung des BAG auch von einer ausschließlich fremdnützigen Tätigkeit auszugehen.. Sowohl das Tragen des Poloshirts als auch das Tragen der Sicherheitsschuhe beruhen auf einer Dienstanweisung der Beklagten und sind nach der Entscheidung des BAG als ausschließlich fremdnützige Tätigkeit als Arbeitszeit anzusehen und damit nach § 611 Absatz 1 BGB zu vergüten.
Der Umfang der zu vergütenden Umkleidezeit ist arbeits- und tarifvertraglich in diesem Fall nicht geregelt worden und ist daher wie bei der übrigen Arbeitszeit nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln, so das BAG. Dabei muss der Arbeitnehmer „unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten“. Diese Zeitspanne zählt dann zur Arbeitszeit und ist zu vergüten (BAG, Urteil vom 26.10.2016, 5 AZR 168/16).
Die umfangreiche Prüfung des BAG ergab zudem, dass die einzelnen tarifvertraglichen Regelungen nicht die Vergütung von Umkleidezeiten ausschließen.
Da die Umkleidezeit als ausschließlich fremdnützige Tätigkeit im Zusammenhang mit der eigentlichen Tätigkeit steht, das Tragen der Dienstkleidung ausdrücklich angewiesen wurde und auch ein Ausschluss der Vergütung aufgrund einer arbeits- oder tarifvertraglichen Regelung nicht gegeben war, lag nach der Entscheidung des BAG eine grundsätzliche Vergütungspflicht der Beklagten vor. Das BAG gab daher dem Feststellungsantrag der Klägerin statt.
Aufgrund der grundsätzlichen Vergütungspflicht der Beklagten besteht dem Grunde nach auch ein Zahlungsanspruch der Klägerin. Über den Umfang konnte das BAG jedoch noch nicht entscheiden, da es an Feststellungen zum Umfang der Umkleidezeiten fehlte. Das klagabweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts hob das BAG daher auf, verwies den Rechtsstreit aber zurück an das Landesarbeitsgericht, dies zur weiteren Verhandlung und Entscheidung.
BAG, Urteil vom 25.04.2018 – 5 AZR 245/17
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