Verfallklauseln in Arbeitsverträgen verstoßen gegen § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB und sind damit unwirksam, wenn sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nach MiLoG nicht ausdrücklich ausnehmen. Dies gilt für Arbeitsverträge, die nach dem Inkrafttreten des MiLoG am 16. August 2014 geschlossen wurden. Für Arbeitsverträge, die vor dem 16. August 2014 geschlossen wurden, gilt dies nicht. Hier sind vereinbarte Verfallklauseln nicht vollständig unwirksam, sondern nur in Bezug auf Mindestlohnansprüche, weil § 3 Satz 1 MiLoG die Unwirksamkeit von Ausschlussfristen nur „insoweit“ anordnet. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Hamburg (LArbG HH) in seinem Urteil vom 20.02.2018.
Das LArbG HH hatte sich in zweiter Instanz mit der Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel zu beschäftigen. Die Parteien waren durch einen Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2016 miteinander verbunden. Es handelte sich somit um einen Arbeitsvertragsschluss nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG). Der Arbeitsvertrag enthielt eine Verfallklausel, wonach alle beidseitigen Ansprüche innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten schriftlich geltend zu machen sind. Eine Ausnahme von Mindestlohnansprüchen enthielt die Verfallklausel nicht. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand ca. 5 Monate. Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von Urlaubsabgeltung nach beendetem Arbeitsverhältnis. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger seine Ansprüche innerhalb der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist per sms geltend gemacht hat oder nicht. Die anwaltliche Aufforderung ca. 4 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses blieb erfolglos. Der Kläger erhob daraufhin Klage beim zuständigen Arbeitsgericht, mit Erfolg.
Das Arbeitsgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Urlaubsabgeltung. Auf die streitige Frage, ob der Kläger seine Ansprüche per sms innerhalb der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht habe, komme es nicht an. Die Verfallklausel im Arbeitsvertrag der Parteien sei jedenfalls nach § 3 Satz 1 MiLoG insgesamt unwirksam, da sie Ansprüche auf Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt. Insbesondere führe der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG zu einer Unwirksamkeit der Verfallklausel insgesamt und nicht nur teilweise in Bezug auf Mindestlohnansprüche, so das Arbeitsgericht Hamburg. Aufgrund der unwirksamen arbeitsvertraglichen Verfallklausel waren die Urlaubsabgeltungsansprüche nach Auffassung des Arbeitsgerichts Hamburg nicht verfallen. Der Beklagte wurde vom Arbeitsgericht Hamburg zur entsprechenden Zahlung verurteilt.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg legte der Beklagte Berufung ein. Nachdem der Beklagte zum Verhandlungstermin nicht erschien, erließ das LArbG HH ein Versäumnisurteil und wies die Berufung des Beklagten zurück. Auch der hiergegen vom Beklagten eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des LArbG HH war das stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Urlaubsabgeltungsansprüche zu. Insbesondere war die arbeitsvertragliche Verfallklausel insgesamt unwirksam, wie das Arbeitsgericht zuvor nach Auffassung des LArbG zutreffend feststellte.
Das LArbG weist in seinem Urteil vom 20.02.2018 darauf hin, dass hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen zwischen der Zeit vor und nach dem Inkrafttreten des MiLoG am 16. August 2014 zu differenzieren ist. „Vor Inkrafttreten des MiLoG in Arbeitsverträgen vereinbarte Ausschlussfristen sind nicht vollständig unwirksam, weil § 3 Satz 1 MiLoG die Unwirksamkeit von Ausschlussfristen nur insoweit anordnet“, so das LArbG HH. Diese Rechtsfolge kann nach Auffassung des LArbG HH nicht weiter reichen, als dies zum Schutz des Mindestlohnanspruchs erforderlich ist. Anders verhält es sich jedoch bei Neuverträgen, demzufolge Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten des MiLoG am 16. August 2014 geschlossen wurden. Ausschlussfristen in solchen Neuverträgen verstoßen nach Auffassung des LArbG HH gegen § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB, „wenn sie nicht den Anspruch auf den Mindestlohn ausdrücklich ausnehmen, weil solche Ausschlussklauseln die Rechtslage nach Inkrafttreten des MiLoG nicht mehr zutreffend abbilden“, so das LArbG HH. Da es sich bei der streitgegenständlichen Verfallklausel um eine Klausel in einem sogenannten Neuvertrag handelte, war nach Auffassung des LArbG HH die Verfallklausel insgesamt als unwirksam anzusehen, da Ansprüche auf Mindestlohn nicht ausdrücklich ausgenommen wurden.
Die Urlaubsabgeltungsansprüche konnten somit nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Dem Kläger standen die geltend gemachten Urlaubsansprüche zu. Das stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg war nicht zu beanstanden, so das LArbG HH. Die Berufung des Beklagten wurde daher vom LArbG HH zurückgewiesen.
LArbG Hamburg, Urteil vom 20.02.2018 – 4 Sa 69/17
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