Stürzt ein Fußgänger während eines Wochenmarktes in einer Fußgängerzone über eine nicht ausreichend gekennzeichnete Stufe, kann er Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen. Ist ein Versatz bzw. eine Stufe im Bereich einer Fußgängerzone nicht ausreichend gekennzeichnet, liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Wenn zur Zeit des Unfalls ein Wochenmarkt stattfindet, gelten höhere Anforderungen an die Kennzeichnungspflicht einer solchen Stufe bzw. eines Versatzes. Eine entsprechende Entscheidung fällte das Oberlandesgericht Celle mit seinem Urteil vom 17.08.2017 (8 U 123/17).
Der Fall:
Die Klägerin besuchte einen Wochenmarkt auf einer Straße der Beklagten, die als Fußgängerzone ausgewiesen war. Entlang der Straße befindet sich über mehrere Meter eine Stufe bzw. ein Höhenversatz, den die Klägerin nicht gesehen hatte. Bei dem Höhenversatz handelt es sich um einen ehemals als Bushaltestelle genutzten Bereich. Sie stürzte über den Höhenversatz und zog sich einen Bluterguss im Knochenmark am Fuß zu. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe den Höhenversatz nicht ausreichend gekennzeichnet. Insbesondere sei die Erkennbarkeit der Stufe aufgrund des Wochenmarktes eingeschränkt gewesen. Aufgrund dessen habe die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt und schulde der Klägerin Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Beklagte lehnte die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ab. Daraufhin erhob die Klägerin Klage beim Landgericht und begehrte die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 2.000,- € sowie Schadensersatz. Das Landgericht wies die Klage ab. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten der Beklagten konnte das Landgericht nicht erkennen. Insbesondere sei die Klägerin im Bereich einer Bushaltestelle gestürzt. In diesem Bereich müsse sie mit einem Höhenversatz rechnen. Dieser diene bekanntlich dazu, den Fahrgästen das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. Weitergehende Kennzeichnungspflichten der Beklagten würden die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten der Beklagten überspannen, so das Landgericht. Die Klägerin legte gegen das klagabweisende Urteil Berufung beim OLG Celle ein, mit Erfolg.
Die Entscheidung:
Das OLG Celle gab der Klägerin dem Grunde nach Recht. Der Höhe nach hatte die Berufung zum Teil Erfolg. Neben einem Schadensersatzanspruch sprach das OLG Celle der Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 600,- € zu, nicht hingegen die beantragten 2.000,- € als Mindestbetrag. Nach Auffassung des OLG Celle hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Ganz grundsätzlich muss der für eine Gefahrenlage Verantwortliche alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine Verwirklichung dieser Gefahrenlage zu verhindern (BGH VersR 2007, 659). Ein Vorbeugen jeder denkbaren abstrakten Gefahr ist dabei nicht notwendig. Insbesondere umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung nur die Maßnahmen, die ein umsichtiger, verständiger und in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf und die ihm zumutbar sind, so das OLG Celle. In Bezug auf Fußgängerzonen ist anerkannt, dass dort erhöhte Sicherheitsanforderungen gelten. Bei reinen Fußgängerzonen wird dem Fußgänger aufgrund der baulichen Ausgestaltung ein besonderes Gefühl von Sicherheit vermittelt, „was die Anforderungen an die Eigensicherung verringert und im Gegenzug erhöhte Sicherungspflichten des Straßenbaulastträgers begründet“, worauf das OLG Celle in seinem Urteil hinweist. Mit Gefahren wie Straßenlaternen, Papierkörben oder Bänken müsse der Fußgänger rechnen, nicht hingegen mit Vertiefungen oder Niveauunterschieden. In Bezug auf die streitgegenständliche Stufe, über die die Klägerin stürzte, mag diese bei normalen Umständen und Sichtverhältnissen ausreichend erkennbar sein, so dass keine weiteren Sicherungsmaßnahmen erforderlich scheinen, so das OLG Celle. Hier ereignete sich der Sturz jedoch zur Zeit des Wochenmarktes. Bei einem Wochenmarkt ist die Aufmerksamkeit der Besucher für die Straßenverhältnisse noch weiter abgesenkt, als zu Zeiten, in denen keine Veranstaltung in der Fußgängerzone stattfindet. Das OLG Celle weist zudem darauf hin, dass der Höhenversatz nur an einer kurzen Stelle auftritt, im Übrigen verlaufe die Straße eben. Bei den Besuchern des Wochenmarktes entstehe daher ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Ein plötzlich auftretender Höhenversatz ist für einen hinreichend aufmerksamen Besucher eines Wochemarktes überraschend. Daher hätte die Beklagte weitergehende Sicherungsmaßnahmen treffen müssen, was sie nicht getan hat. Sie hat damit ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Das OLG Celle sieht bei der Klägerin ein geringes Mitverschulden, da sie die zusätzliche Warnung in Gestalt eines ca. 40 cm breiten Kantsteins nicht gesehen hat. Dieses Mitverschulden bewertete das OLG Celle mit 20%. Der Klägerin wurde ein Schmerzensgeld von 600,- € zugesprochen. Die Höhe ergab sich aus der anerkannten Rechtsprechung zu vergleichbaren Verletzungen. Das OLG Celle hob aufgrund dessen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts auf und gab der Klage dem Grunde nach und der Höhe nach zumindest teilweise statt.
OLG Celle, Urteil vom 17.08.2017 – 8 U 123/17
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