Wer als Jugendlicher strafrechtlich in Erscheinung tritt hat schlechte Aussichten auf eine spätere Karriere bei der Polizei. Das gilt nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg sogar dann, wenn es sich lediglich um Vergehen handelt, die der Bewerber als Jugendlicher begangen hat, und es nicht zu einer Verurteilung gekommen ist (OVG 4 S 19.18). Der Bewerber war im Alter von unter 18 Jahren insgesamt vier mal beim Schwarzfahren erwischt worden. Strafrechtlich wird das Fahren ohne Fahrschein als Beförderungserschleichung nach § 265a Absatz 1 StGB verfolgt. Von einer Verfolgung der Vergehen wurde gemäß § 45 Absatz 1 JGG abgesehen, die Taten wurden in das Erziehungsregister eingetragen. Der mittlerweile 20-Jährige bewarb sich bei der Polizei. Dort wies lehnte man ihn unter Hinweis auf die Vergehen zurück. Er klagte. Ohne Erfolg:
Das OVG Berlin-Brandenburg bestätigte die Zurückweisung der Bewerbung. Die Vergehen im Jugendalter seien bei der Auswahlentscheidung berücksichtigunsfähig. Die Tätigkeit bei der Polizei setze eine besondere Rechtstreue voraus, von der bei der Begehung mehrerer Vergehen nicht ohne Weiteres ausgegangen werden könne. Dass der Bewerber Jugendlicher gewesen sei, stehe der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung nicht entgegen. Solange nicht ein Verwertungsverbot nach § 52 Absatz 1 BZRG eingetreten ist, könnten auch länger zurückliegende Verfehlungen berücksichtigt werden. Das OVG billigte außerdem ausdrücklich, dass auch Verfehlungen im Jugendalter berücksichtigt werden dürfen. Ins Gewicht fiel auch, dass der Bewerber seinerzeit nicht an der Aufklärung mitgewirkt habe, denn er war als Jugendlicher nicht zu polizeilichen Vorladungen erschienen.
Hintergrund: Wer Polizist werden möchte muss sich an Recht und Gesetz halten. Dass strafrechtlich vorbelastete Bewerber zurückgewiesen werden können, liegt auf der Hand. Erstaunlich ist aber, dass eine Zurückweisung auch dann erfolgen kann, wenn die Verfehlungen lange zurückliegen. Jugendsünden können deshalb lange Schatten werfen. Das OVG Berlin-Brandenburg vollzieht damit einen Paradigmenwechsel: In früheren Entscheidungen stellte das Gericht noch auf die Schwere und Häufigkeit der im Jugendalter begangenen Straftaten ab (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.09.2017 – OVG 4 S 32.17). Damit ist nun Schluss. Fortan dürfen alle in das Erziehungsregister eingetragenen Vergehen – auch wenn diese nicht verfolgt worden sind (vgl. § 45 JGG) – zum Anlass genommen werden, einen Bewerber zurückzuweisen.
Die Entscheidung begegnet Bedenken. Denn Menschen, die als 16-jährige beim Schwarzfahren erwischt werden, kann keineswegs die charakterliche Eignung für den Polizeidienst abgesprochen werden. Der Ustand, dass Menschen sich besonders im Jugendalter noch entwickeln, kommt bei der Enscheidung leider zu kurz. Und auch der Ansatzpunkt, dass der damals Jugendliche nicht an der Aufklärung mitgewirkt habe, indem er nicht bei der Einladung zur polizeilichen Vernehmung erschienen sei, überzeugt nicht, denn daraus kann nicht gefolgert werden, dass der Bewerber nicht rechtstreu ist. Einer polizeilichen Ladung muss nämlich nicht Folge geleistet werden. Wer die Pflichtangaben zur Person macht und nicht zur polizeilichen Vernehmung erscheint, handelt daher rechtstreu. Rechtstreues Verhalten darf dem Bewerber aber nicht als Indiz für eine fehlende charakterliche Eignung ausgelegt werden. Eine Auseinandersetzung damit findet sich in der Entscheidung nicht.
Die Entscheidung bedeutet nicht zwangsläufig, dass Schwarzfahrer keine Chance bei der Polizei haben. Das OVG hat lediglich die Ablehnung in dem konkreten Fall gebilligt und damit die Position der Polizeibehörde gestärkt. Diese hat bei der Einstellung von Personal einen sehr weiten Beurteilungsspielraum und kann im Einzelfall durchaus auch anders entscheiden.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.03.2018 – OVG 4 S 19.18
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