Stürzt ein Fußgänger in einer Tiefgarage in einem Bereich, der für Fußgänger ersichtlich nicht vorgesehen ist, haftet der Eigentümer nicht. Eine Haftung wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht scheidet in diesem Fall aus. Im Ausfahrtbereich einer Tiefgarage bzw. eines Parkhauses richten sich etwaige Verkehrssicherungspflichten des Betreibers maßgeblich nach den Bedürfnissen des ausfahrenden Kraftverkehrs und nicht nach den Bedürfnissen von Fußgängern, die diesen Bereich entgegen der erkennbaren Widmung bestimmungswidrig benutzen. So entschied das Landgericht Heidelberg (LG Heidelberg) in seinem Urteil vom 28.07.2017 (3 O 128/17).
Geklagt hatte eine Fußgängerin, die im Ausfahrtbereich einer Tiefgarage auf einem nassen Wasserablaufgitter ausgerutscht war und sich erhebliche Verletzungen zuzog. Sie begehrte von der Eigentümerin der Tiefgarage Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Tiefgarage, insbesondere im Bereich des Wasserablaufgitters. Die Tiefgarage ist zur anliegenden Straße mit einer separaten Einfahrt und einer separaten Ausfahrt verbunden. Einen separaten Eingangsweg bzw. Ausgangsweg für Fußgänger zur anliegenden Straße gibt es hingegen nicht. Die Fußgänger erreichen vom Oberdeck aus die angrenzende Einkaufspassage. Die Klägerin und ihr Ehemann parkten in der Tiefgarage ihr Fahrzeug und begaben sich anschließend in ein Geschäft in der anliegenden Straße. Auf dem Rückweg zu ihrem Fahrzeug betrat die Klägerin aus der anliegenden Straße kommend die ausdrücklich als „Ausfahrt“ bezeichnete Ausfahrtstraße der Tiefgarage, die abschüssig war. Zwischen der Rampe, die nach oben führte und dem sich außerhalb anschließenden gepflasterten Gehweg befindet sich ein geneigtes Wasserablaufgitter aus Metall, welches zum Unfallzeitpunkt niederschlagsbedingt nass und damit rutschig war. Die Klägerin lief über dieses Wasserablaufgitter, rutschte aus und zog sich erhebliche Verletzungen. Sie ist der Auffassung, die Beklagte schulde ihr wegen der Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht Schadensersatz und Schmerzensgeld. Insbesondere habe die Beklagte geriffelte Gitterroste verwenden müssen, die anders als das tatsächlich verwendete Wasserablaufgitter bei Nässe ein Ausrutschen verhindern sollen. Zudem sei kein Warnhinweis für Fußgänger vorhanden gewesen, der auf die Gefahr des Ausrutschens bei Nässe hinweist. Die Beklagte hingegen war der Auffassung, dass die Klägerin ihren Unfall selbst aufgrund ihres Fehlverhaltens und ihrer Unachtsamkeit verursacht habe. Der Ein- und Ausfahrtsbereich sei ausschließlich für Fahrzeuge zu benutzen und nicht für Fußgänger, dies sei deutlich erkennbar gewesen. Die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten erstrecke sich daher nicht auf eine Benutzung durch Fußgänger, sondern ausschließlich auf die Benutzung durch Fahrzeuge.
Das LG Heidelberg gab der Beklagten Recht und wies die Klage der Fußgängerin ab. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte konnte das LG Heidelberg nicht feststellen. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherungspflicht umfasst nach Auffassung des LG Heidelberg solche Maßnahmen, die ein „umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 06.03.1990 – VI ZR 246/89). Eine Verkehrssicherungspflicht besteht auch für denjenigen, der eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt, so das LG Heidelberg. Es muss jedoch nach Auffassung des LG Heidelberg nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. So verhält es sich hier. Die Klägerin hielt sich als Fußgängerin in einem Bereich auf, der für den bestimmungsgemäßen Zutritt durch Fußgänger erkennbar nicht vorgesehen war. Es handelte sich um einen ausschließlich für die Nutzung durch Fahrzeuge vorgesehenen Bereich. Dies war von außen durch einen oben angebrachten Hinweis „Ausfahrt“ erkennbar. Zudem waren links und rechts des Fahrweges Schraffenbaken angebracht. Es war demzufolge ohne weiteres erkennbar, dass der Ausfahrtbereich ausschließlich für den Kraftverkehr vorgesehen war. Hieraus folgt, dass sich die Verkehrssicherungspflichten in diesem Bereich maßgeblich und vorrangig nach den Bedürfnissen des fahrenden Kraftfahrzeugverkehrs zu richten haben und nicht nach den Bedürfnissen von Fußgängern, so das LG Heidelberg. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf die Nutzung durch Fahrzeuge konnte das LG Heidelberg nicht erkennen. Die Tatsache, dass es für Fußgänger keinen separaten Ein- bzw. Ausfahrtbereich von der anliegenden Straße zum Parkhaus gibt, fand Berücksichtigung, änderte jedoch nichts am Ergebnis der Entscheidung. Hier könnte von Bedeutung sein, dass die Beklagte damit hätte rechnen müssen, dass Fußgänger von der anliegenden Straße kommend direkt über den Ein- bzw. Ausfahrtbereich in das Parkhaus gehen. Insoweit oblag der Beklagten nach Auffassung des LG Heidelbarg zumindest ein Mindestmaß an Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die Nutzung durch Fußgänger. Ein Verstoß gegen ein solches Mindestmaß konnte das LG Heidelberg jedoch nicht feststellen. Die Gefahr des rutschigen Wasserablaufgitters ist jedoch entsprechend der durchgeführten Augenscheinnahme beherrschbar und ein Ausrutschen wäre bei einer vorsichtigen Begehensweise vermeidbar gewesen. Insbesondere hätte man die Fahrspurbereiche und das aufgrund der Nässe glänzende Wasserablaufgitter auch visuell erkennen können. Das LG Heidelberg weist darauf hin, dass die Klägerin ein derart überwiegendes Eigenverschulden trifft, dass eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten gemäß § 254 BGB in jedem Fall zurücktreten müsste. Auch eine dauerhaft andauernde Gefahrenlage, die eine Verkehrssicherungspflicht begründen könnte, lag nach Auffassung des LG Heidelbergs nicht vor. Es wurde nicht vorgetragen, dass sich solch ein Unfall bzw. Sturz in der Vergangenheit schon mal ereignet hat. Wie in einem etwaigen Wiederholungsfall zu entscheiden wäre, ist in diesem Rechtsstreit nicht von Bedeutung. Nach alledem konnte das LG Heidelberg die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht feststellen und wies die Klage der Fußgängerin ab.
LG Heidelberg, Urteil vom 28.7.2017 – 3 O 128/17
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