Die heimliche Aufzeichnung eines Personalgesprächs durch den Arbeitnehmer kann den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen mit seinem Urteil vom 23.08.2017 (6 Sa 137/17). Die Parteien stritten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, um die Entfernung von Abmahnungen und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der seit 26 Jahren bei der Beklagten beschäftigt war. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien waren die Regelungen des TVöD-F (VKA) anzuwenden. Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger im Juni 2016 die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus, nachdem der Kläger im März 2016 das mit ihm geführte Personalgespräch mit seinem Smartphone heimlich aufzeichnete. Teilnehmer dieses Personalgesprächs waren neben dem Kläger, mehrere Abteilungsleiter, die Personalreferentin und ein Betriebsratsmitglied der Beklagten. Zuvor kam es zu mehreren innerbetrieblichen Vorfällen mit dem Kläger. Dieser hatte in einer E-Mail gerichtet an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten und zwei Abteilungsleiter mehrere Kollegen als „Low-Performer-Burnout und faule Mistkäfer“ bezeichnet. Die Beklagte mahnte den Kläger aufgrund dessen schriftlich ab. Einige Monate später wurde der Kläger erneut abgemahnt, diesmal mündlich und zweifach. Der Kläger soll zwei Kolleginnen als „faule Schweine“ und „Low-Performer“ bezeichnet haben. Zudem soll sich der Kläger einer Kollegin „Gesicht zu Gesicht“ genähert haben und die Frage der Kollegin „Willst Du mir drohen?“, mit „Ja“ beantwortet haben. Im Anschluss an diesen Vorfall kam es zu dem Personalgespräch mit dem Kläger, welches der Kläger heimlich mit seinem Smartphone aufzeichnete. Nachdem die Beklagte von der heimlichen Aufzeichnung Kenntnis erlangte, kündigte sie dem Kläger außerordentlich und fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist von 6 Monaten zum Quartalsende. Der Kläger erhob darauf hin Klage vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch den Ausspruch der Kündigung nicht beendet wurde, sowie auf Entfernung der Abmahnungen, Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
Die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei rechtmäßig, da der Kläger mit der heimlichen Aufnahme des Personalgesprächs seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Absatz 2 BGB erheblich verletzt habe. Das heimliche Aufzeichnen des Personalgesprächs sei grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung „an sich“ zu rechtfertigen. Der Kläger habe das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgende Recht auf „Wahrung der Unbefangenheit des Wortes“ verletzt, indem er das Gespräch heimlich mitschnitt. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folge das Recht für jedermann, selbst und allein zu bestimmen, „wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und von wem seine auf einen Tonträger aufgespielte Stimme wieder abgespielt werden darf“. Der Verstoß hiergegen rechtfertige den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten Ansprüche bestünden aufgrund der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisse nicht, die Klage diesbezüglich wurde vom Arbeitsgericht ebenfalls abgewiesen.
Der Kläger legte hiergegen Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Hessen ein und begründete dies unter anderem damit, dass er das heimliche Mitschneiden des Gesprächs nicht für verboten hielt. Dies habe er bereits im Rahmen der Betriebsratsanhörung anlässlich der geplanten Kündigung mitgeteilt. Erst später habe ihn sein Prozessbevollmächtigter darauf hingewiesen, dass das heimliche Aufzeichnen nicht erlaubt sei. Der Kläger habe sich daraufhin bei der Beklagten entschuldigt. Die Beklagte hingegen vertritt die Auffassung, die außerordentliche Kündigung sei zu Recht ausgesprochen worden, unabhängig davon, ob dem Kläger die Unrechtmäßigkeit seines heimlichen Aufzeichnens bekannt war oder nicht.
Das LAG Hessen gab der Beklagten Recht und wies die Berufung des Klägers zurück. Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz richtig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen Kündigung fristlos beendet wurde. Die ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung war gemäß § 626 BGB wirksam. Über die weiteren vom Kläger geltend gemachten Ansprüche war daher nicht mehr zu entscheiden. Das LAG Hessen wies darauf hin, dass das heimliche Aufzeichnen eines Personalgesprächs grundsätzlich geeignet ist, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Entscheidend ist hier die Verletzung der dem Arbeitnehmer obliegenden Rücksichtnahmepflicht in Bezug auf die Arbeitgeberinteressen resultierend aus § 241 Absatz 2 BGB. Das heimliche Aufzeichnen verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des Wortes, Artikel 2 Absatz 1 GG. Das Grundrecht umfasse insbesondere die Befugnis einer Person, „selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig seinem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen“ (vgl. auch § 201 StGB). Eine ordentliche Kündigung kam nicht in Betracht, da der Kläger das 40. Lebensjahr vollendet hat und mehr als 15 Jahre bei der Beklagten beschäftigt war. Gemäß § 34 Absatz 2 TVöD konnte das Arbeitsverhältnis nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden. Unbeachtlich war der Vortrag des Klägers, er habe zum Zeitpunkt des heimlichen Aufzeichnens nicht gewusst, dass es verboten sei. Das LAG Hessen weist darauf hin, der Kläger hätte sich vorher kundig machen müssen, ob sein Aufzeichnen erlaubt ist oder nicht. Auch die behauptete Tatsache, dass das Smartphone während der Aufzeichnung mittig auf dem Tisch gelegen habe, ist unbeachtlich. Dies ändert nichts an der Heimlichkeit des Aufzeichnens. Der Kläger hätte die Gesprächsteilnehmer darauf hinweisen müssen, dass er das Gespräch aufzeichnet. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist das Arbeitsgericht in erster Instanz zu Recht von einer negativen Prognose für das Arbeitsverhältnis ausgegangen, dies trotz der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers. Das Arbeitsverhältnis war bereits aufgrund der E-Mail des Klägers unter anderem an den Vorstandsvorsitzenden schwer belastet. Die außerordentliche fristlose Kündigung war gemäß § 626 BGB wirksam und die Berufung wurde zurückgewiesen.
LAG Hessen, Urteil vom 23.08.2017 – 6 Sa 137/17.
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