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Handy hört mit – maßgeschneiderte Werbung dank ständiger Überwachung der Umgebung?

Smartphones sind allgegenwärtig und aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wofür man früher umständlich den PC hochfahren musste, benutzt man heute das Smartphone, denn es ist sofort einsatzbereit und man hat es ohnehin immer dabei. E-Mails checken, Züge buchen, Geschenke kaufen und soziale Netzwerke bedienen – das alles sind starke Argumente für die kleinen Alleskönner, die mittlerweile sogar passable Fotos und Videos aufnehmen.

Allen ist klar, dass dieser Luxus nicht bloß mit Geld bezahlt wird, sondern auch mit Daten. Nur weiß keiner so genau, welche Daten Nutzer und deren Umfeld eigentlich preisgeben. Beim Anzeigen von Werbung, die speziell auf Internetsuchen abgestimmt ist, ist längst nicht Schluss: Theoretisch können Smartphones völlig unbemerkt etliche Daten der Nutzer abfischen. Neben Bewegungsdaten können sie über die eingebauten Kameras Aufnahmen fertigen und sie können über das Mikrophon die Umgebungsgeräusche mithören. Da sich Smartphones ohnehin immer in Griffweite ihrer Nutzer befinden, können sie theoretisch auch alles mithören, was dieser erzählt – oder wo dieser gerade zuhört. Das können belanglose private Gespräche sein oder geschäftliche Besprechungen.

Offiziell gibt es die permanente Mithörfunktion nicht. Kein Wunder, denn nach dem geltenden Datenschutzrecht wäre das klar rechtswidrig. Nach dem bewährten Prinzip „wo kein Kläger da kein Richter“ hindert das aber nicht daran, die Funktion zu nutzen. Solange es technisch nicht nachgewiesen werden kann, fragt niemand nach Datenschutz. Das ist wie bei VW und den Stickstoffdioxiden. Auf dem Papier ist alles in Ordnung und außerdem haben es die Kunden ja nicht anders gewollt.

Was wie eine Verschwörungstheorie klingt, ist wohl bereits traurige Realität: es gibt handfeste Anhaltspunkte, die nahe legen, dass Smartphones lauschen und die Daten für alle möglichen Zwecke verwendet werden – ganz offenkundig ist das bei maßgeschneiderter Werbung. Es liegt nicht bloß nahe, einfach zuzuhören, was potenzielle Kunden möchten, die Geräte scheinen das bereits geflissentlich zu tun. Denn personifizierte Werbung funktioniert längst ganz ohne das aktive Benutzen von Handys. Es genügt nämlich, wenn das Gerät in Hörweite ist. Begebenheiten aus dem wahren Leben, die kein Zufall sein können, sind unten nachzulesen.

Mithörende Handys aus rechtlicher Sicht

An dieser Stelle erfolgt eine wichtige Klarstellung: Die unten geschilderten Begebenheiten haben sich so zugetragen aber es liegen keine Beweise dafür vor, dass die Smartphones tatsächlich mithören. Die Umstände lassen aber kaum einen anderen Schluss zu. Bei Autos und Erektionsproblemen mag man noch an Zufall denken, da es sich um Themen handelt, die ohnehin viel beworben werden. Bei Werbung für Harfe-Leasing und Schlaftee für Kinder handelt es sich aber nicht um Themen, für die normalerweise geworben wird, sondern um sehr spezielle und ganz offenkundig maßgeschneiderte Werbung. Dasselbe gilt für Hautjucken.

Ob das Mithören vom Handy, vom Betriebssystem oder von Apps bewerkstelligt wird, ist nicht klar. Klar ist aber, dass auf den Smartphones in den oben genannten Beispielen keine außergewöhnlichen Apps installiert waren, die für das Überwachen in Frage kommen.

Das Thema ist mit Vorsicht zu behandeln, denn wer Samsung, Apple oder andere namhafte Hersteller oder App-Anbieter des heimlichen Mithörens bezichtigt, riskiert teure Unterlassungsklagen. Dabei ist zu beachten, dass derjenige, der eine Ungeheuerlichkeit behauptet, entsprechend § 186 StGB die Beweislast dafür trägt, das der Vorwurf der Wahrheit entspricht. Für technische Laien ist dieser Nachweis ebenso schwierig zu erbringen, wie der Umstand, dass das Auto zu viel Stickstoffdioxidausstoß ausstößt.

Rechtlich ist das ständige Mithören nicht per se unzulässig, zumindest theoretisch. Denn Nutzer von Smartphones können ihre Daten selbstverständlich freiwillig preisgeben. Das setzt aber voraus, dass der Speicherung, Nutzung und gegebenenfalls der Weiterleitung der Daten zugestimmt worden ist.

Heimliches Mithören & Datenschutz

Die ab dem 25.05.2018 EU-weit einheitliche Maßstäbe setzende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das zu diesem Datum in Kraft tretende neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sehen dafür ebenso wenig wie das alte Recht (BDSG in der bis zum 25.05.2018 geltenden Fassung) eine schriftliche Einwilligung vor. Notwendig ist aber stets eine Einwilligung. Diese muss nachvollziehbar und unmissverständlich sein. Erforderlich dafür ist, dass der Nutzer Kenntnis davon erlangt, dass und welche Daten er preisgibt. Daran fehlt es beim heimlichen Mithören. Fehlt es an der Einwilligung, verstößt das heimliche Mithören gegen Datenschutzrecht.

Ob ein permanentes Mithören überhaupt datenschutzrechtlich zulässig sein kann, ist zu bezweifeln, denn notwendig ist stets, dass derjenige einwilligt, dessen Daten verarbeitet werden. Da bei Smartphones regelmäßig Personen mit abgehört werden, die nicht eingewilligt haben, ist das Mithören insoweit unzulässig. Beispiel: Bei der Fahrt in der U-Bahn hört das Smartphone Gespräche von Dritten mit und in den genannten Fällen haben die Gesprächspartner ebenfalls nicht zugestimmt.

Unterlassungsansprüche und Strafbarkeit

Das unbefugte heimliche Mithören erfüllt, wenn es dabei zu einer Aufzeichnung kommt, den Straftatbestand nach § 201 Absatz 1 Nummer 1 StGB. Danach ist die Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes unter Strafe gestellt. Dieser Straftatbestand schützt die Vertraulichkeit des Wortes. Nutzern stehen aufgrund des heimlichen Mithörens ohne Einwilligung Unterlassungsansprüche zu (§ 823 Absatz 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, § 249 BGB, entsprechend § 1004 BGB; § 823 Absatz 2 BGB, § 201 Absatz 1 Nummer 1 StGB, entsprechend § 1004 BGB).

Der Straftatbestand nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB dürfte aber nicht erfüllt sein, wenn technich keine Aufzeichnung erfolgt, sondern nur eine Indexierung von Schlüsselwörtern und die codierte Weitergabe der Information, dass diese Schlüsselwörter detektiert worden sind. In der Tat ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine klassische Aufzeichnung erfolgt. Eine Strafbarkeit nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB wäre dann vom Tisch. Das stellt eine Strafbarkeitslücke dar, die darauf zurückzuführen ist, dass § 201 StGB aus der längst vergangenen analogen Zeit stammt, als Aufzeichnungen noch mit dem Tonband gemacht worden sind.

Strafrechtlich sind aber auch Verstöße gegen das Datenschutzrecht von Bedeutung, denn § 42 BDSG (ab 25.05.2018) und § 44 BDSG (bis 25.05.2018) stellen unter Strafe, wenn gewerbsmäßig datenschutzrechtliche Verstöße verwirklicht werden.

Praktisch sind die Strafbarkeit und die zivilrechtlichen Ansprüche aber ein stumpfes Schwert, denn erforderlich ist stets der Nachweis, dass das Handy mithört. Nutzer können durch eine Strafanzeige (§ 201 StGB) Unterstützung von den Strafermittlungsbehörden erhalten, denn diese sind verpflichtet, die Umstände der Tat und die Täter zu ermitteln. Ein Vorgehen auf eigene Faust ist aussichtslos, da Nutzer regelmäßig nicht über den Sachverstand verfügen herauszufinden, wer für das Mithören verantwortlich ist, ob und wie die Daten verwendet werden und ganz grundlegend, dass das Handy überhaupt mithört.

Nicht bloß Verschwörungstheorien

Mithörende Handys gehören nicht in das Reich der Verschwörungstheorien. Die nachfolgenden Geschichten haben sich wirklich ereignet:

Hautausschlag nach dem Urlaub

Aus dem Urlaub zurückgekehrt, leidet Jens mehrere Tage unter schmerzhaftem und juckendem Hautausschlag. Darüber unterhält er sich mit seiner Freundin. Natürlich ist das Smartphone bei den Unterhaltungen dabei. Da der Hautausschlag sehr hartnäckig ist, wird darüber an mehreren Abenden zwischen Jens und seiner Freundin gesprochen. Just zu dieser Zeit werden auf dem Smartphone von Jens Werbeanzeigen für Mittel gegen juckende Schuppenflechte angezeigt. Solche Anzeigen gab es vorher nicht. Später – nachdem der Ausschlag wieder verschwand (es war wohl eine Allergie) – tauchten solche Anzeigen nicht mehr auf. Vor dieser Begebenheit hat Jens übrigens nicht im Internet nach Schuppenflechte, Hautjucken und dergleichen recherchiert.

Miete eine Harfe!

Anne ist mit ihrem Sohn auf einem Kindergeburtstag und unterhält sich mit einer anderen Mutter über Musikunterricht für Kinder. Dabei kommen unterschiedliche Musikinstrumente zur Sprache, unter anderem die vom Kind der anderen Mutter favorisierte Harfe. Themen des Gespräches sind auch Anschaffungskosten und Transportprobleme. Auf Annes Smartphone, das bei der Unterhaltung auf dem Tisch lag, tauchen am Abend des Gesprächs Werbeanzeigen für Harfe-Leasing auf. Das war vorher niemals der Fall. Auch hier wurde vorher nicht im Internet über Harfen recherchiert, denn dieses Instrument war vorher für Anne schlichtweg kein Thema.

Kaufe einen Sportwagen!

Paul wird von einem Kollegen zu einem Termin mitgenommen. Grund für das Mitnehmen ist auch, dass der Kollege seinen neuen Sportwagen, einen nagelneuen Mercedes SL, vorführen möchte. Während der Fahrt unterhalten sich beide über das Fahrzeug. Wie es sich für ein Männergespräch gehört, wird über PS, Beschleunigung und Sonderausstattung gesprochen. Natürlich hat Paul sein Smartphone bei dem Gespräch dabei – und macht damit noch ein Foto von dem Auto. Zurück am Arbeitsplatz bekommt Paul am PC Werbeanzeigen eingeblendet von Mercedes. Gezeigt wird nicht etwa ein Familienkombi oder eine C-Klasse, sondern ein silberner Sportwagen wie der vom Kollegen. Auch hier muss erwähnt werden, dass sich Paul vorher nicht für silberne Sportwagen von Mercedes interessiert hat, und zwar weder bei Suchen im Internet noch in Autobörsen.

Sexprobleme nach Alkohol?

Eva und Jochen wollen nach einer fröhlichen Partynacht Sex miteinander haben. Die Mission scheitert, da Jochen zu viel Alkohol getrunken hat, was er ihr an dem Abend sagt. Eva, die ihr Smartphone in Reichweite hatte, bekommt am Tag darauf Anzeigen eingeblendet mit dem Aufmacher „Erektionsprobleme und Alkohol“. Solche Anzeigen tauchten vor der Begebenheit nicht auf und danach nicht mehr. Bei Internetrecherchen, die eventuell auch solche Werbeanzeigen beeinflussen können, waren Erektionsprobleme und Alkohol definitiv auch kein Thema.

Einschlafprobleme bei Kindern

Sara und Ben haben zwei kleine Kinder und versuchen, dass diese ohne Anwesenheit eines Erwachsenen einschlafen, um auch einmal Zeit füreinander zu haben. Denn das Zubettbringen der Kinder war immer ein abendfüllendes Programm, das keine Zeit für eheliche Dinge ließ. Das alleine Einschlafen stieß bei den Kindern anfangs nicht auf Begeisterung, was sie teilweise durch lautstarke Proteste artikulierten. Auch Sara und Ben waren sich nicht immer darüber einig, was sie ihren Kindern zumuten können, ob sie, wenn sie alleine erst gegen 23 Uhr einschlagen, genug Schlaf bekommen und was man tun könne, damit sie früher zur Ruhe kommen. In Reich- und Hörweite, wie immer, lagen die Smartphones der beiden. Einige Tage nach der Diskussion um das Alleine-Einschlafen tauchten auf beiden Smartphones Werbeanzeigen auf mit dem Thema „Kind im Bett ist nett… Mehr Kuschelzeit für Eltern.“. Beworben wurde ein Teehersteller, der auch Schlaftee für Kinder im Angebot hat. Auch hier die wichtige Information, dass die Beiden zu keiner Zeit über Einschlafprobleme bei Kindern im Internet recherchiert haben, weder am PC noch auf den Smartphones.

Darmspiegelung

Bei der Arbeit unterhält sich Kim mit einem Kollegen über Gesundheit und Vorsorgeuntersuchungen. Der Kollege berichtet, dass sein Vater einen Termin zu einer vorsorglichen Darmspiegelung hat. Kim hat ihr Handy – wie immer – in Griff- und Hörweite. Nach dieser Begebenheit wurden auf dem Handy von Kim Beiträge zu Darmspiegelung angezeigt. Im Internet hatte Kim zuvor nicht nach diesem Thema geschaut, weder am PC noch auf dem Handy.

 


 

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