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28 Jahre Kettenbefristung im Arbeitsrecht – „Der Alte“ TV-Kommissare unterliegen im Streit um Befristung (BAG, Urt. v. 30.08.2017 – 7 AZR 440/16 u. 864/15)

Von Gesetzes wegen dürfen Arbeitsverträge grundsätzlich nur bis zu einer Dauer von zwei Jahren befristet werden (§ 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG). Darüber hinaus sind Befristungen nur bei Vorliegen sachlicher Gründe gestattet. Das Gesetz führt in § 14 Absatz 2 Satz 2 Beispiele für sachliche Gründe auf, etwa bei vorübergehendem betrieblichem Bedarf, Schwangerschaftsvertretung oder wenn die Eigenart der Arbeitsleistung eine Befristung rechtfertigt. Für Arbeitnehmer besteht die Möglichkeit einer Befristungskontrollklage, mit der gerichtlich festgestellt wird, ob die Befristung ohne sachlichen Grund erfolgte.

Über eine solchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt zu entscheiden. Geklagt hatten der TV-Kommissar „Der Alte“ alias Axel Richter, der 18 Jahre lang im ZDF Verbrecher jagte und Fälle löste und sein TV-Kollege „Werner Riedmann“, der sogar 28 Jahre dabei war. Für die Produktion der einzelnen Serien wurden mehrere Schauspielerverträge und Mitarbeiterverträge abgeschlossen, die sich auf einzelne Folgen oder die Folgen in einem Kalenderjahr bezogen. Die Münchner Produktionsfirma beschloss, die beiden im Jahr 2014 ausscheiden zu lassen und ließ den einen in der Serie zum BKA wechseln, der andere ging in die USA. Die Kläger meinten, dass die Befristung im zuletzt abgeschlossenen Vertrag unwirksam gewesen sei, weil es an einem Sachgrund fehle und eine unzulässige Kettenbefristung vorliege. Während der gesamten Zeit waren sie nahezu ausschließlich für die Serie tätig gewesen mussten sich sogar verpflichten, keine größeren Veränderungen an ihrem Äußeren vorzunehmen, damit der Wiedererkennungseffekt im Fernsehen gewahrt bleibt. Die Klagen waren vor dem Arbeitsgericht und vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte die Klagabweisungen: Bei der Anstellung von Schauspielern sei die Befristung von Arbeitsverträgen sachlich gerechtfertigt im Sinne von § 14 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 TzBfG, da die Eigenart der Arbeitsleistung eine Befristung rechtfertigt. Das gilt auch dann, wenn eine Vielzahl vom Arbeitsverträgen über einen langjährigen Zeitraum aneinandergereiht werden – hier 18 und 28 Jahre. Bei der Entscheidung stellte das Gericht auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Kunstfreiheit nach Art. 5 Absatz 3 GG ab, die es der Produktionsfirma ermöglichen müsse, eine Gestaltungsfreiheit bei der Herstellung und künstlerischen Konzeption der Serie zu haben. Auf der anderen Seite sei der durch Art. 12 Absatz 1 GG gewährleistete Mindestbestandsschutz des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Bei der im Rahmen der Sachgrundprüfung vorzunehmenden Abwägung der Belange überwiege das Interesse der Produktionsfirma.

Hintergrund: Im Fernseh- und Radiobereich sind Befristungen der künstlerisch und kreativ tätigen Mitarbeiter gang und gäbe. Schauspieler müssen ebenso wie Radiomoderatoren von Vertrag zu Vertrag darum bangen, weiterhin dabei bleiben zu dürfen. Befristungen geben den Produzenten die Möglichkeit, die Serie zu verändern, denn ohne Befristungen wären sie auf ihr Personal festgelegt und könnten kaum etwas verändern. Im hier entschiedenen Fall hat das BAG klargestellt, dass die im kreativen Bereich vor dem Hintergrund der Kunstfreiheit anzuerkennende sachliche Rechtfertigung von Befristungen nicht an bestimmte Zeitgrenzen gebunden ist, sondern auch nach 18 und 28 Jahren noch gilt. Eine andere Entscheidung hätte unerträgliche Konsequenzen gehabt, denn dann wären Produzenten gehalten, ihr Personal nach einer gewissen Zeit auszuwechseln, um nicht Gefahr zu laufen, dass der Zeitablauf zu einem Bestandsschutz erwächst. Die Entscheidung des BAG, die die Freiheit der Produktionsfirmen über die Arbeitnehmerinteressen stellt, ist zu begrüßen. Allerdings scheint die Botschaft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch nicht angekommen zu sein, denn es sind letztlich doch immer wieder dieselben Gesichter, die man dort präsentiert bekommt. Das ist zwar geschmacklich zu beanstandenden aber rechtlich nicht, denn auch Einheitsbrei ist Freiheit im Sinne von Art. 5 Absatz 3 GG.

BAG, Urteile vom 30.08.2017 – 7 AZR 864/15 und 7 AZR 440/16

LAG München, Urteil vom 29.10.2015 – 4 Sa 527/15 und Urteil vom 11.05.2016 – 8 Sa 541/15

ArbG München, Urteil vom 21.04.2015 – 3 Ca 14163/14 und Urteil vom 13.11.2014 – 13 Ca 7172/14

 

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