Gewerblicher Prozessbetrug, Meisterbetrüger (in Bezug auf Rechtsanwalt): OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.03.2014 – 6 U 75/12

unzulässige Schmähkritik

Sachverhalt: Ein Rechtsanwalt äußerte gegenüber einem anderen Rechtsanwalt, dieser begehe „gewerblichen Prozessbetrug“ und sei ein „Meisterbetrüger“. Die hiergegen erhobene Unterlassungsklage hatte Erfolg. Das OLG bestätigte die Entscheidung.

Entscheidend stellte das OLG darauf ab, dass nicht bloß der Vorwurf des Prozessbetrugs im Raum stand, sondern dass dieser auch noch gewerblich erfolgt sei. Dadurch sei der Betroffene erheblich betroffen, indem der Eindruck erweckt werde, dass der Betroffene nicht bloß vereinzelt, sondern geschäftsmäßig unwahr vorträgt und betrügt. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich um eine Schmähung, die in diesem Umfang nicht durch tatsächliche Anknüpfungsumstände veranlasst war. Bemerkenswert ist, dass es das Gericht nicht einmal für notwendig befunden hat, die Anknüpfungsumstände näher zu untersuchen.

Hintergrund: Die Entscheidung ist in zweierlei Hinsicht interessant: Bei rechtlich geprägten Begriffen, wie „Betrüger“, geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass ein Dafürhalten des Äußernden im Vordergrund steht. Dementsprechend handelt es sich in der Regel um Meinungsäußerungen, die, anders als Tatsachenäußerungen, nicht wahr oder unwahr sein können. Hier bezog sich die Äußerung aber auf tatsächliche Umstände und sie wurde durch einen Juristen abgegeben. Es wäre naheliegend gewesen zu prüfen, ob die Äußerung in dieser Konstellation als Tatsachenäußerung einzustufen ist. Anders als juristische Laien verwenden Juristen Begriffe wie „Betrüger“ in Kenntnis der Tatbestandsmerkmale. Das gilt umso mehr, wenn es sich um einen mit dem Strafrecht besonders vertrauten Strafverteidiger handelt. Freilich spricht die Bezeichnung als „Meisterbetrüger“ für eine Würdigung und damit für eine Meinungsäußerung. Dass das Gericht es nicht für notwendig erachtet hat, die tatsächlichen Umstände näher zu untersuchen, ist bemerkenswert, denn das Vorliegen eines Kontextes hätte dazu geführt, dass die Äußerung nicht als unzulässige Schmähung einzustufen wäre.

Eine Besonderheit in dem Fall war, dass die Äußerung im Kontext mit einem Gerichtsverfahren gefallen ist. Normalerweise sind Äußerungen in und zu förmlichen Verfahren nicht gerichtlich überprüfbar. Diese Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit nennt man auch verfahrensrechtliches Äußerungsprivileg. Grund: Angesichts der oft emotional geprägten Gerichts- und Verwaltungsverfahren würden Justiz und Rechtsstaat nicht mehr ordentlich funktionieren, wenn darin getätigte Äußerungen gerichtlich überprüfbar wären. Da sich die Justiz dann praktisch nur noch mit sich selbst beschäftigt, könnte sie ihren eigentlichen Aufgaben nicht mehr ordentlich nachkommen.

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.03.2014 – 6 U 75/12

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