Parkplatzschwein: AG Rostock, Urt. v. 11.07.2012 – 46 C 186/12

Keine Formalbeleidigung / Keine Schmähkritik

Sachverhalt: Der Kläger stellte sein Fahrzeug ohne einen entsprechenden Parkausweis auf einem Behindertenparkplatz ab. Der Beklagte bemerkte das und bezeichnete den Kläger als „Parkplatzschwein“ und wiederholte diese Bezeichnung im Internet. Die dort verwendete Rubrik „Parkplatzschweine“ wurde später umbenannt. Der Kläger verlangte Unterlassung. Ohne Erfolg. Das Amtsgericht Rostock wies die Klage ab.

Entscheidend für das Amtsgericht war der Kontext der Äußerung. Der Wortbestandteil „Schwein“ dürfe nicht isoliert betrachtet werden, sondern stehe im Kontext mit dem Verhalten des Klägers, der unberechtigt einen Behindertenparkplatz benutzt hatte. In diesem Zusammenhang werde der Begriff „Schwein“ nicht für „schmutzend und stinkend“ verwendet, sondern für rücksichtslos, nur im eigenen Interesse handelnd. Das führe dazu, dass die Äußerung, „… wenn nicht durch die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz gedeckt, dann zumindest nicht als Beleidigung oder ehrverletzende Schmähkritik gesehen werden kann“.

Hintergrund: Sowohl das Ergebnis als auch die Begründung dieser Entscheidung irritieren. Die Entscheidung ist in Deutschland einzigartig, indem sie die Bezeichnung eines Menschen als „Schwein“ nicht als Formalbeleidigung einstuft und nicht einmal ernsthaft das Vorliegen von Schmähkritik prüft. Der Ansatz, dass, wenn die Äußerung nicht der Meinungsfreiheit unterfalle „zumindest“ keine Beleidigung oder Schmähkritik vorliege, ist rechtlich mehr als abstrus. Was das Gericht mit diesem Unsinn zum Ausdruck bringen möchte, wird nicht klar. Richtig ist, dass grundsätzlich jede Äußerung der Meinungsfreiheit unterfällt. Der Schutz gilt aber nicht für Formalbeleidigungen (Schimpfwörter, Tiervergleiche) und Schmähkritik. Dass eine Äußerung nicht der Meinungsfreiheit unterfällt und auch nicht als Beleidigung und Schmähkritik anzusehen sein soll, wie das Gericht ausführt, ist nach der deutschen Grundrechtsordnung schlichtweg nicht möglich. Vielmehr muss das Gericht entscheiden, ob eine Äußerung der Meinungsfreiheit unterfällt oder nicht. Bei Lichte betrachtet überschreitet das Gericht eine rote Linie, indem es Formalbeleidigungen dann zulässt, wenn diese in einer Wortkombination und in einem sachlichen Kontext erklärt werden. Damit wendet das Gericht das für die Schmähkritik geltende Prüfpensum auf Formalbeleidigungen an. Das ist rechtlich nicht hinzunehmen, denn das hätte einen unerträglichen Dammbruch zur Folge, indem Bezeichnungen wie „Radfahrer-Arsch“ und „Einkaufs-Idiot“ legitimiert würden. Auch für einen Richter, der einmal eine falsche Entscheidung gefällt hat, ließen sich solche Wortkombinationen finden. Das sollte sich niemand wünschen. Die Entscheidung gehört daher in die Rubrik „gut gemeint aber schlecht gemacht“. Übrigens hat der erkennende Richter einmal in einer anderen mündlichen Verhandlung, nachdem eine Streitpartei auf BGH-Rechtsprechung zu einer Rechtsfrage hingewiesen hatte, sinngemäß gesagt „was interessiert mich, was der BGH entschieden hat“. Das mag vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit verständlich sein, rechtfertigt aber nicht die Ignoranz höherer Rechtsprechung und hätte in der Situation sicher einen Befangenheitsantrag gerechtfertigt. Dass der Richter sein Jurastudium im Wesentlichen in der DDR absolvierte, mag eine Erklärung für den seltsamen Umgang mit dem Äußerungsrecht sein, vielleicht hat die DDR-Vergangenheit zu dieser gut gemeinten aber rechtlich hanebüchenen Bevorzugung der Äußerungsfreiheit beigetragen. Traurig ist nur, dass solche Fehlurteile falsche Impulse setzen und nicht bloß die Rechte Betroffener sondern auch das Recht mit Füßen treten. In gewisser Weise erinnert das an das „Rechtssystem“ in der DDR, bei dem Justitias Waage auch nicht ordentlich funktioniert hat.

AG Rostock, Urteil vom 11.07.2012 – 46 C 186/12

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