OLG Rostock, Beschluss vom 14.07.2016 – 1 W 4/16

Aktenzeichen: 1 W4/16

3 O 692/14 LG Neubrandenburg

 

Oberlandesgericht Rostock

Beschluss

In der Beschwerdesache

 

XXX

– Klägerin und Beschwerdeführerin –

 

Prozessbevollmächtigte:

XXX,

Gz.: XXX

Gegen

 

1) XXX

– Beklagte und Beschwerdegegnerin –

 

2) XXX

– Beklagter und Beschwerdegegner –

 

3) XXX

– Beklagter und Beschwerdegegner –

 

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 3:

XXX

 

Prozessbevollmächtigte zu 2:

XXX

 

hat das Oberlandesgericht Rostock -1. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, die Richterin am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Amtsgericht XXX am 14.07.2016 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 21.12.2015 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 07.04.2016 aufgehoben. Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Landgericht XXX durch die Klägerin wird für begründet erklärt.

 

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 24.09.2015 (GA Iff./Il) hat die Klägerin den Antrag gestellt, den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Nachdem der betreffende Richter unter dem 29.09.2015 (GA 88/11) seine dienstliche Äußerung abgegeben hatte, hat das Landgericht Neubrandenburg mit Beschluss vom 18.11.2015 (GA 89ff./ll) darauf hingewiesen. dass die Kammer beabsichtige, dem Befangenheitsantrag der Klägerin nicht stattzugeben. Wegen des Sachverhalts sowie der Begründung wird auf den Hinweisbeschluss verwiesen.

Da die Klägerin an ihren gestellten Befangenheitsantrag ausdrücklich festhielt, hat das Landgericht Neubrandenburg mit Beschluss vom 21.12.2015 (GA 111ff./ll) das Ablehnungsgesuch der Klägerin aus den Gründen des Hinweisbeschlusses als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen den ihr am 30.12.2015 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit am 11.01.2016 beim Oberlandesgericht Rostock eingegangenen Schriftsatz (GA 117ff./ll) sofortige Beschwerde eingelegt und den angegriffenen Beschluss im vollen Umfang zur Überprüfung gestellt. Soweit das Landgericht im Hinweisbeschluss ausgeführt habe, dass das Verhalten des Richters eine emotionale Reaktion darstelle, die durch eine starke Verärgerung veranlasst worden sei, würde das Vorliegen von Befangenheitsgründen eingeräumt. Soweit das Landgericht dennoch ausnahmsweise nicht von einer Voreingenommenheit des Richters ausgegangen sei, teile sie, die Klägerin, diese Ansicht nicht.

Mit Beschluss vom 07.04.2016 (GA 2331/11) hat das Landgericht Neubrandenburg der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Rostock als zuständiges Beschwerdegericht vorgelegt.

 

II.

Das zulässige Ablehnungsgesuch der Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 ZPO begründet, da das Verhalten des Richters im Zusammenhang mit dem Terminsverlegungsantrag der Klägerin vom 16.09.2015 und dem daraufhin erlassenen Beschluss über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens vom 18.09.2015 (GA 1641/1) geeignet war, aus Sicht der Klägerin Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.

Es kommt dabei nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist. Maßgebend ist allein, ob genügend objektive Gründe vorliegen, die von dem Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe dem Verfahren nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 14.03.2003, Az.: IXa ZB 27/03, zitiert nach juris, Rn. 6; ZöllerA/ollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 42 Rn. 8, 9). Ein Befangenheitsgrund kann darin bestehen, dass durch die Verfahrensweise des Richters die Mitwirkung der Partei an der Verfahrensgestaltung und ihre Einflussnahme auf die Entscheidungsgrundlagen sachwidrig beschnitten werden. Entbehrt das prozessuale Vorgehen des Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und entfernt es sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren, kann sich für die dadurch betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängen (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 23, 24).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Mit dem Landgericht geht der Senat aufgrund des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs davon aus, dass der Richter aus Verärgerung über den (erneuten) Terminsverlegungsantrag der Klägerin vom 16.09.2015 den Beschluss vom 18.09.2015 über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens getroffen hat in Kenntnis dessen, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 251 ZPO nicht vorgelegen haben. Dabei hat er sich in gravierender Weise von dem normalerweise üblichen Verfahren im Rahmen einer Anordnung des Ruhens des Verfahrens entfernt, so dass die Klägerin den Eindruck gewinnen konnte, er stehe ihr nicht mehr unvoreingenommen gegenüber. Der Richter hat, um zum Ziel der Ruhensanordnung zu kommen, die Erklärung der Klägerin in ihrem Terminsverlegungsantrag erkennbar missgedeutet. Den ausdrücklichen Antrag auf Terminsverlegung hat er unbeachtet gelassen. Stattdessen hat er der Begründung des Verlegungsantrages, dass die Klägerin wegen der erforderlichen Betreuung ihres Ehemannes nach dessen Entlassung aus dem Krankenhaus am 04.11.2015 den auf den 06.11.2015 anberaumten Verhandlungstermin nicht wahrnehmen könne, eine Bedeutung beigemessen, die ihr unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zukommen konnte: nämlich dass die Klägerin kein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens mehr habe. Dabei ist es jedoch nicht geblieben. Ohne, dass diesbezügliche Anträge oder Erklärungen seitens der Beklagten vorgelegen hätten, hat er angenommen, dass diese – außerdem Beklagten zu 2) – ebenfalls kein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens hätten. Dieses Vorgehen des Richters bewegt sich derartig außerhalb der gewöhnlichen Verfahrensbehandlung, dass aus Sicht der Klägerin die Besorgnis entstehen musste, der Richter würde auch ihren weiteren Prozesserklärungen eine Bedeutung beimessen können, die diesen nicht innewohnt und dadurch ihrer Mitwirkung an der Verfahrensgestaltung nicht mehr unparteiisch gegenüberstehen.

Wenn das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss angenommen hat, dass in zusammenhängender Würdigung der hier vorliegenden Umstände ausnahmsweise nicht davon ausgegangen werden könne, dass ausreichende nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Klägerin ersichtlich seien, die für eine Voreingenommenheit zu ihren Lasten sprechen könnten (LGU 6ff.; GA 94ff./Bd. II), folgt dem der Senat nicht.

Soweit das Landgericht seine derartige Wertung damit begründet, dem Anliegen der Klägerin auf Terminsverlegung sei durch die Aufhebung und Bestimmung eines neuen Termins von Amts wegen sowie durch den Beschluss über die Anordnung des Ruhens in vollem Umfang entsprochen worden, vermag der Senat dieser Beurteilung nicht beitreten. Die Klägerin hat mit ihrem Verlegungsantrag vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass sie die weitere aktive Förderung des Rechtsstreits durch den Richter in der Form wünscht, dass er unter Aufhebung des ursprünglichen unmittelbar einen neuen Verhandlungstermin anberaumt. Stattdessen hat der Richter das Verfahren ruhend gestellt und gerade nicht gefördert. Es bedurfte nunmehr wieder eines aktiven Handelns der Klägerin selbst, nämlich eines der Gegenpartei zuzustellenden Antrages auf Aufnahme des Verfahrens, um den Rechtsstreit überhaupt fortzusetzen.

Aus welchem Grund das Landgericht aus dem Umstand, dass die Klägerin keine Juristin sein dürfte, den Schluss gezogen hat, dass sie sich durch den Beschluss vom 18.09.2015 nicht persönlich angesprochen gefühlt habe, erschließt sich dem Senat nicht. Denn gerade die Klägerin als Partei, die Schadensersatz von den Beklagten begehrt, ist durch die Anordnung des Ruhens des Verfahrens in ihrer Prozessführung und ihrem Rechtsschutzziel betroffen. Soweit das Landgericht schließlich davon ausgeht, dass der Beschluss über das Ruhen des Verfahrens durch eine Verärgerung des Richters über das Verhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgelöst worden sei und nicht durch das Verhalten der Klägerin persönlich, bleibt dies zum einen bloße Spekulation. Zum anderen ist eine Besorgnis der Befangenheit aus Sicht der Klägerin auch dann gegeben, wenn sie befürchten muss, dass aufgrund von Differenzen des Richters mit ihrem Prozessbevollmächtigten die Gefahr besteht, dass dies unmittelbaren Einfluss auf die Fortführung ihres Verfahrens haben wird. Die Anordnung des Ruhens betrifft nämlich in erster Linie die eigene Position der Klägerin im Rechtsstreit.

 

III.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da die Kosten der erfolgreichen Beschwerde solche des Rechtsstreits sind (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 46 Rn. 20). Der Beschwerdewert wird auf XXX € festgesetzt.

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