§ 28 Datenverarbeitung zu im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecken
(1) Abweichend von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 zulässig, wenn sie für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke erforderlich ist. Der Verantwortliche sieht angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person gemäß § 22 Absatz 2 Satz 2 vor.
(2) Das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht nicht, wenn das Archivgut nicht durch den Namen der Person erschlossen ist oder keine Angaben gemacht werden, die das Auffinden des betreffenden Archivguts mit vertretbarem Verwaltungsaufwand ermöglichen.
(3) Das Recht auf Berichtigung der betroffenen Person gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht nicht, wenn die personenbezogenen Daten zu Archivzwecken im öffentlichen Interesse verarbeitet werden. Bestreitet die betroffene Person die Richtigkeit der personenbezogenen Daten, ist ihr die Möglichkeit einer Gegendarstellung einzuräumen. Das zuständige Archiv ist verpflichtet, die Gegendarstellung den Unterlagen hinzuzufügen.
(4) Die in Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a, b und d, den Artikeln 20 und 21 der Verordnung (EU) 2016/679 vorgesehenen Rechte bestehen nicht, soweit diese Rechte voraussichtlich die Verwirklichung der im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecke unmöglich machen oder ernsthaft beeinträchtigen und die Ausnahmen für die Erfüllung dieser Zwecke erforderlich sind.
§ 28 BDSG 2018 wurde neu gefasst mit dem Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU – vom 30.06.2017, BGBl. I, vom 05.07.2017, S. 2097 und tritt am 25.05.2018 in Kraft.
Die Regelung gilt sowohl für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche als auch durch nichtöffentliche Stellen und zwar für öffentliches und privates Archivgut.
Mit Absatz 1 wird von der Ermächtigung gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe j DSGVO Gebrauch gemacht. Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (vgl. § 22) ist grundsätzlich untersagt (Artikel 9 Absatz 1 DSGVO) grundsätzlich untersagt. Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen vorgesehen (Artikel 9 Absatz 2 DSGVO), die sich unmittelbar aus der Verordnung ergeben können (z. B. Einwilligung, Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a DSGVO). Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe j DSGVO sieht vor, dass im nationalen Recht für „… im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke …“ ein zusätzlicher Ausnahmetatbestand für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten geschaffen werden kann, was durch Absatz 1 geschieht.
Absatz 1 verweist auf den Beispielkatalog gemäß § 22 Absatz 2 Satz 2. Der Beispielkatalog ist nicht abschließend, d. h., dass keineswegs die Anwendung mindestens einer genannten Maßnahme bei der Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten zu im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecken zwingend ist, sondern dass auch andere Maßnahmen getroffen werden, wenn sie angemessen und spezifisch sind.
Absatz 1 gilt nur für die Verarbeitung von Daten im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 DSGVO. Nicht unter Artikel 9 fallende Daten sind nach Maßgabe der unmittelbar anwendbaren DSGVO zu verarbeiten oder gemäß den anderen Rechtsgrundlagen des Unionsrechts oder des Rechts des nationalen Gesetzgebers, d.h. i BDSG 2018 oder in bereichsspezifischen Regelungen.
Für die Weiterverarbeitung existiert keine spezielle Regelung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Weiterverarbeitung zu Archivzwecken, die im öffentlichen Interesse liegt, nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken gilt (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b DSGVO). Verantwortliche können sich insoweit bei der Weiterverarbeitung auf die ursprünglich einschlägige Rechtsgrundlage stützen. §§ 23, 24 und 25 finden keine Anwendung. Für die Weiterverarbeitung besonderer Kategorien von Daten wird indessen nicht nur eine Rechtsgrundlage benötigt, sondern auch ein Ausnahmetatbestand von dem Verbot nach Artikel 9 Absatz 1 DSGVO; auch bei der Weiterverarbeitung ist § 28 Absatz 1 zu beachten.
Bei Absätzen 2 bis 4 handelt es sich um eine Ausgestaltung der Öffnungsklausel nach Artikel 89 Absatz 3 DSGVO, die eine Einschränkung der Rechte gemäß Artikel 15, 16, 18, 20 und 21 DSGVO zulässt.
Absatz 2 beinhaltet eine Ausnahme vom Auskunftsrecht wenn das Archivgut nicht durch den Namen der Person erschlossen ist oder keine Angaben gemacht werden, die das Auffinden des betreffenden Archivguts mit vertretbarem Aufwand ermöglichen. Die Ausnahme bezieht sich auf sämtliche Rechte gemäß Artikel 15 DSGVO, d. h. auch auf das Recht auf Erhalt einer Kopie. Absätze 2 bis 4 gelten für die Verarbeitung sämtlicher personenbezogenen Daten, also nicht bloß besonderer Kategorien personenbezogener Daten.
Absatz 3 schränkt das Recht betroffener Personen auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO) ein, wenn personenbezogene Daten zu Archivzwecken im öffentlichen Interesse verarbeitet werden. Im Gegenzug gewährt Absatz 3 Satz 2 betroffenen Personen, welche die Richtigkeit der personenbezogenen Daten bestreiten, die Möglichkeit, eine Gegendarstellung zu formulieren, welche zu den Unterlagen zu nehmen ist, Absatz 3 Satz 3. Erforderlich ist hierzu allein das Bestreiten tatsächlicher Angaben, ohne dass die betroffene Person Nachweise oder Glaubhaftmachungsmittel erbringen muss. Die Hinzufügung einer Gegendarstellung zu den Unterlagen scheidet nur bei offenkundiger Unrichtigkeit der Gegendarstellung aus oder wenn die Gegendarstellung nicht den inhaltlichen oder formalen Anforderungen entspricht, was dann der Fall sein kann, wenn sie sich nicht auf Tatsachen beschränkt.
Absatz 4 schränkt die Rechte nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a, b und d sowie Artikel 20 und 21 ein, wenn durch diese der öffentliche Archivzweck unmöglich gemacht oder ernsthaft beeinträchtigt werden würde. Die Erforderlichkeit der Einschränkung ist Tatbestandsvoraussetzung.