AG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.11.2017 – 32 C 365/17 (72)

Aktenzeichen: 32 C 365/17 (72)

Amtsgericht Frankfurt am Main

Im Namen des Volkes

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Einstandspflicht der Beklagten für Beschädigungen an dem PKW VW Tiguan, amtliches Kennzeichen XXX  (Klägerfahrzeug), welches die Klägerin der Zeugin Y dauerhaft zur Nutzung zur Verfügung gestellt hat.

Die Zeugin Y bewohnt das Haus XXX-Weg in 65929 Frankfurt am Main als Eigentümerin. Dem Haus ist ein Privatparkplatz zugewiesen. Die Beklagte ist Eigentümerin des angrenzenden Grundstücks. Auf dem Grundstück der Beklagten stand im Jahr 2013 ein Walnussbaum an der Grundstücksgrenze ca. einen Meter links oberhalb des Privatparkplatzes der Zeugin Y. Der Baum ragte aufgrund eines statischen Fehlers ca. 1,5 m auf das benachbarte Grundstück und die dort als Parkplatz ausgewiesenen Flächen herüber. An dem Walnussbaum wurden im Jahr 2012 bereits Rückschnitte seitens der Beklagten durchgeführt. Am 16.04.2013 sowie am 16.09.2013 richtete sich der Zeuge W, ebenfalls wohnhaft XXX, schriftlich, im Namen auch der anderen Bewohner des Grundstücks mit der Bitte an die Beklagte, die nachbarrechtliche Zustimmung zum Bau eines Carports auf den Parkplätzen zum Schutz der parkenden Autos zu erteilen. Die Beklagte versagte die Zustimmung.

In der Nacht vom 05.10.2016 auf den 06.10.2016 wurde das Klägerfahrzeug beschädigt.

An dem Klägerfahrzeug sind Sachschäden in Höhe von EUR 2.978,41 entstanden. Am Klägerfahrzeug entstand eine Wertminderung in Höhe von EUR 200,00. Die Klägerin macht zudem Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Höhe von EUR 528,95, für Nutzungsausfall in Höhe von EUR 129,00 sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von EUR 30,00 geltend.

Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 14.01.2014 unter Fristsetzung bis zum 24.01.2014 zur Zahlung dieses Betrages aufgefordert. Die Regulierung des Schadens innerhalb der gesetzten Frist durch die Beklagte erfolgte nicht.

Die Klägerin behauptet, in der Nacht vom 05. auf den 06.10.2013 habe die Zeugin Y das streitgegenständliche Fahrzeug auf ihrem Privatparkplatz im XXX-Weg in 65929 Frankfurt am Main geparkt. Durch starke Winde sei es in der Nacht dazu kommen, dass mehrere mit Zuwachs behangene Äste und Nüsse von dem Walnussbaum der Beklagten auf das Klägerfahrzeug gefallen seien und mehrere Dellen am gesamten Gehäuse, der Motorhaube, dem Kotflügel links, der Tür hinten rechts, dem Dach sowie auf beiden Dachrahmen und dem Heckdeckel, verursacht hätten.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte für die Sachschäden, da die Beklagte durch schuldhaftes Unterlassen ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es sei ihre Pflicht gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass durch den Walnussbaum keine Schäden entstehen. Ihre Pflicht sei es zudem gewesen, entsprechende Vorkehrungen (zum Beispiel durch jährliches Zurückschneiden der Äste oder der Zustimmung zum Bau des Carports) zum Schutz der Rechtsgüter der Klägerin zu treffen.

Die Beklagte habe schon seit dem Jahr 2012 Kenntnis von dem Walnussbaum sowie den von diesem ausgehenden Gefahren gehabt. Dies zeige sich vor allem dadurch, dass im Jahr 2012 bereits Rückschnitte an dem Baum durchgeführt worden seien und sie nicht zuletzt durch das Schreiben des Zeugen Y auf diese aufmerksam gemacht wurde.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 3866,36 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2014 zuzüglich außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 347,60 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2014 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie hafte nicht für etwaige Schäden durch den Walnussbaum. Es handle sich um einen natürlichen Vorgang und gehöre zum natürlichen Lebensrisiko, wenn im Herbst Nüsse von Bäumen fallen. Das Herabfallen von Nüssen zu verhindern sei wirtschaftlich nicht zumutbar, sodass ihr eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht angelastet werden könne.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der klägerseits benannten Zeugen Y und W. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2017 (Bl. 163 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadenersatz wegen der Beschädigung des Klägerfahrzeugs zu. Offen bleiben kann, ob das Fahrzeug im Eigentum der Klägerin stand.

Offen bleiben kann ebenso, ob die an dem Fahrzeug festgestellten Schäden durch herabfallende Äste und Nüsse des Walnussbaums der Beklagten in der Nacht vom 05. auf den 06.10.2013 entstanden sind, denn die Beklagte würde hierfür unter keinem Gesichtspunkt haften. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bzw. § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ist nicht gegeben.

Aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bzw. § 823 Abs. 1 BGB ergibt sich zwar für jeden, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahr für Dritte schafft oder andauern lässt, die Verpflichtung, die ihm zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst abzuwenden. Insbesondere hat der Verkehrssicherungspflichtige auch die Aufgabe, in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise die Gefahren auszuräumen und gegebenenfalls vor ihnen zu warnen. Letzteres insbesondere, wenn sie für den sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich infolgedessen nicht oder nicht rechtzeitig einstellen kann. Die Anforderungen, die in diesem Zusammenhang an einen Verkehrssicherungspflichtigen zu stellen sind, dürfen jedoch nicht überspannt werden (vgl. auch BGH, NJW 1961, 869; OLG Frankfurt, NJW-RR 1987, 864).

Zwar umfasst nach allgemeiner Auffassung die Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich auch den Schutz vor Gefahren, die von Bäumen ausgehen, sei es durch Herabfallen von Teilen eines Baumes, sei es durch das Umstürzen eines Baumes selbst (vgl. OLG Brandenburg, MDR 2002, 1067 m. w. N.). Dabei sind die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Gefährdung des Verkehrs im Rahmen des Zumutbaren auszuschließen. Eine Beseitigung aller von Bäumen ausgehenden Gefahren kann eine Gemeinde als Verkehrssicherungspflichtige mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln allerdings nicht leisten. Insbesondere Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln und Unterlassen entstehen, sondern auf Gegebenheiten der Natur beruhen, sind als unvermeidbar und daher als eigenes Risiko hinzunehmen (vgl. OLG Hamm, NuR 2000, 178). Entsprechend muss der Sicherungspflichtige weder für die dem Verkehr bekannten natürlichen Eigenschaften noch für auf Naturgewalten beruhende besondere Gefahren einstehen (AG Frankfurt, NJW-RR 1994, 414). Bei dem Fruchtfall handelt es sich insofern um eine natürliche Gegebenheit, die als allgemeines Lebensrisiko hinzunehmen ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.10.2002 – 4 U 100/02; OLG Hamm, Urteil vom 19.05.2009 – I – 9 U 219/08).

Auf dieser Grundlage muss die Beklagte nicht für eine etwaige Beschädigung des Klägerfahrzeugs aufgrund von herabfallenden Ästen und Nüssen des Walnussbaums einstehen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hat sich das Gericht davon überzeugt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Baum um einen herkömmlichen Walnussbaum handelte und der streitgegenständliche Fruchtfall, sofern er denn stattgefunden hat, auf einer Gegebenheit der Natur zurückzuführen war, die allgemein hinzunehmen ist. Ersichtlich ist insbesondere nicht, dass der Fruchtfall auf eine besondere, dem streitgegenständlichen Baum konkret innewohnende Gefahr zurückzuführen war, weil der Baum etwa krank war oder große Äste den Naturgewalten besonders ausgesetzt waren und die Beklagte dies bei einer Kontrolle hätte bemerken können. Auch hat die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Beklagten etwaige besondere Gefahren durch den Baum bereits bekannt waren, den selbst die unmittelbar betroffenen Anwohner, die Zeugen W und Y, waren sich einer besonderen

Gefahr durch den Baum nicht bewusst. Der Zeuge W hat angegeben, dass aus seiner Sicht von dem Baum keine größeren Gefahren ausgegangen seien, als von anderen Walnussbäumen. Seine Sorgen vor Beschädigungen hätten sich im üblichen Rahmen bewegt. Nach seiner Einschätzung sei es so gewesen, dass von dem Baum eine Gefahr hätte ausgehen können, aber nicht müssen. Auch die Zeugin Y habe sich wegen dem Baum zuvor keine größeren Sorgen gemacht. Zwar hätten immer wieder Nüsse auf ihrem Grundstück gelegen, von größeren Vorkommnissen hat diese jedoch ebenfalls nicht berichtet. Entsprechend sei es auch nicht ihre Idee gewesen, einen Carport zu bauen, hierauf sei sie erst durch den Zeugen W aufmerksam gemacht worden.

Auch das Schreiben des Zeugen W  an die Beklagte vom 16.04.2013 (Bl. 48 f. d. A.) musste die Beklagte nicht dazu veranlassen, besondere Sicherheitsvorkehrungen hinsichtlich des Baumes einzuleiten, da der Zeuge W in diesem Schreiben auf die allgemeinen Risiken, die von einem Nussbaum ausgehen, hingewiesen hat und nicht etwa auf konkrete Risiken des hier streitgegenständlichen Baums. Insbesondere hat der Zeuge im Rahmen des Schreibens ausgeführt, dass er zwar einen herabgefallenen Ast auf seinem Grundstück gefunden habe, dieser jedoch gerade nicht von dem streitgegenständlichen Walnussbaum stamme.

Vor diesem Hintergrund traf die Beklagte nicht die Pflicht, besondere Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich des Baumes einzuleiten, zumal die Beklagte bereits im Jahr 2012

einen Rückschnitt des Baumes veranlasst hatte. Angesichts der von dem hiesigen Baum ausgehenden typischen Risiken wären darüber hinausgehende Maßnahmen nicht in einem (finanziell) vertretbaren Rahmen umsetzbar gewesen. Um eine Gefährdung durch herabfallende Früchte gänzlich auszuschließen, bliebe in der Konsequenz nur die Möglichkeit, entsprechende Früchte tragende Bäume ganz zurückzuschneiden oder mit Fangnetzen zu umhüllen. Derartige Maßnahmen sind jedoch alleine vom finanziellen Aufwand her unzumutbar. Hinzu kommt der Aspekt, dass eine solche Maßnahme schon aus ökologischen Gründen nicht wünschenswert ist, da damit in vielen innerstädtischen Bereichen eine Begrünung mit Früchte tragenden Bäumen wie zum Beispiel auch Eichen, Kastanien oder Walnüssen nahezu ausgeschlossen wäre (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 19.05.2009 _ 9 U 219/08).

Aber auch aus dem Umstand, dass der Baum aufgrund eines statischen Fehlers eine gewisse Schräglage aufgewiesen hat, ergibt sich kein anderes Ergebnis, da ein Zurückschneiden der überstehenden Äste nicht von vorneherein jegliche Beschädigungen von parkenden Autos ausschließen kann und letztlich wieder ein totaler Rückschnitt oder das Anbringen eines Fangnetzes bliebe (vgl. auch OLG Stuttgart, a.a.O.).

Zudem ist der Beklagten auch nicht vorzuwerfen, durch die unterlassene Zustimmung zum Bau des Carports den Schaden indirekt verursacht zu haben. Wie bereits ausgeführt, hatte die Beklagte hinsichtlich des Baumes keine Pflicht, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Hieraus folgt jedoch auch, dass ein etwaiges Unterlassen nicht Anknüpfungspunkt einer Haftung sein kann. Da nämlich keine allgemeine Rechtspflicht besteht, Dritte vor Gefahren zu schützen, bleibt eine Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen die Ausnahme und ist nur dann anzunehmen, wenn den Schädiger eine spezifische Pflicht zum Handeln getroffen hat (Förster, in: BeckOK, § 823 BGB, Rn. 100 m.V.a.: RGZ 97, 11 [12]; 102, 372 [374 f.]; vgl. BGH NJW 1978, 421 [422]).

II.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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