VG Bayreuth, Urteil vom nn 2018 – B 4 K 16.446

Aktenzeichen B 4 K 16.446

Verwaltungsgericht Bayreuth

Im Namen des Volkes

Urteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Beitragsbescheid 2016 vom 07.06.2016.

Der Kläger ist seit dem 01.10.2004 Mitglied des Ärztlichen Kreisverbands XXX. Mit Schreiben vom 18.01.2016 wurde er von der Beklagten gebeten, zur Berechnung seines Beitrags für das Jahr 2016 die Einkünfte aus dem Jahr 2014 anzugeben. Auf dem Nachweisbogen, der Beklagten zugegangen am 25.05.2016, gab die Steuerberaterkanzlei des Klägers für das Jahr 2014 Einkünfte aus selbständiger ärztlicher Arbeit in Höhe von XXX EUR an.

Mit Bescheid vom 07.06.2016 forderte die Beklagte vom Kläger einen Beitrag für das Jahr 2016 in Höhe von XXX EUR. Zur Begründung wird ausgeführt, dass in Bayern grundsätzlich zwei Beiträge erhoben würden, einer von der Beklagten und einer vom Ärztlichen Kreisverband. Auf dem Bescheid ist die Bitte vermerkt, man möge sich bei Unklarheiten zuerst an die XXX wenden.

Mit Schreiben vorn 15.06.2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 16.06.2016, erhob der Kläger Klage und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 07.06.2016 aufzuheben.

Zur Begründung verwies er zunächst auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2015 (10 C 6.15), wonach eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. Rücklagen, die in dieser Form gebildet würden, seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. lnsbesondere die Feststellung, wonach der Haushaltsplan im Rahmen des Beitragsrechtsstreits auch einer inzidenten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte zu unterziehen sei, sei zu berücksichtigen. Vorsorglich beantrage er,

– die Beiziehung aller Beschlussvorlagen und -protokolle im Zusammenhang mit der Rücklagenbildung und Gewinnverwendung und der Beschlüsse über die Haushaltspläne und Wirtschaftssatzungen des im Streit stehenden Beitragsjahres,

– die Vorlage des Jahresabschlusses der Beklagten zum 31.12.2014,

– die Vorlage des einschlägigen Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung/Finanzstatuts der Beklagten und

– die Beiziehung der Beschlussvorlage und des Protokolls im Zusammenhang mit dem Beschluss über die Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung/Finanzstatuts.

Gemäß Art. 15 Abs. 2 des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) dürfe die Beklagte nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben Mitgliedsbeiträge vom Kläger erheben. Nach herrschender Rechtsprechung sei im Hinblick auf die Frage, ob die Beklagte über solche Mittel verfüge, der Jahresabschluss zu prüfen, der der Beschlussfassung über die Beitragsveranlagung vorausgehe. Der Bescheid sei aufzuheben, weil das Gebot der Schätzgenauigkeit bei der Rücklagenbildung missachtet worden sei. Die Beklagte gebe ein Reinvermögen von XXX EUR an. Es seien daher drei Fragestellungen wesentlich:

– Hat die Beklagte das im Rahmen der funktionalen Selbstverwaltung zustehende Ermessen ausgeübt (Gebot der Schätzgenauigkeit)?

– Entspricht die Schätzung sachlich nachvollziehbaren Kriterien?

– Verfügt die Beklagte bei überdotierten Rücklagen über ausreichende Mittel, um dem Kostendeckungsprinzip zu genügen?

Ausdruck mangelnder Transparenz bei der Beklagten sei, dass der Finanzbericht 2014/2015 nur völlig unzureichend über die Finanzen informiere. Des Weiteren erweise sich die Aufstellung des Haushalts der Beklagten auch hinsichtlich der Beiträge zur Bundesärztekammer als rechtswidrig. Die Jahresrechnung der Bundesärztekammer für das Geschäftsjahr 2010/2011 lasse den Schluss zu, dass dort Vermögen geschaffen und geschont werde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, „gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.”

Zusammenfassend sei festzustellen, dass ein Reinvermögen von XXX EUR bei einem jährlichen Aufwand von XXX EUR bei der Beklagten einen deutlichen und substantiellen Hinweis auf eine rechtswidrige Vermögensbildung darstellt. Die massiven Erträge der Bundesärztekammer würden ebenfalls auf ein erhebliches rechtswidrig aufgebautes Vermögen hindeuten.

Der Kläger legte einen Bericht der Bundesärztekammer über ihre Jahresrechnung für das Geschäftsjahr 2010/2011 vor.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 28.06.2016,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte sei gemäß Art. 15 Abs. 2 HKaG berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben von allen Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände Beiträge zu erheben. Die Höhe der Beiträge werde in einer Beitragsordnung der Beklagten festgesetzt, die der Genehmigung des Staatsministeriums bedürfe. Für die Berechnung des der Verwaltungsstreitsache zugrundeliegenden Beitrags für das Beitragsjahr 2016 sei die Beitragsordnung in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 25.10.2014 die Grundlage, veröffentlicht im Bayerischen Ärzteblatt 12/2014, Seite 698. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beziehe sich ausschließlich auf die Haushaltsführung der Industrie- und Handelskammern, für die der Gesetzgeber mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) eine ausdrückliche Gesetzesgrundlage vorgesehen habe. Eine derartige Rechtsgrundlage existiere im für die Beklagte geltenden Heilberufe-Kammergesetz gerade nicht. Vor diesem Hintergrund könne die Haushaltsführung der Beklagten keiner verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterzogen werden, sondern es obliege der Vollversammlung der Beklagten als satzungsgebendem Organ, die Haushaltsplanung der Beklagten auf dem Bayerischen Ärztetag zu prüfen und zu genehmigen. Zudem unterliege die Beklagte der Rechtsaufsicht des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege. Nach § 16 Abs. 2 der Satzung der sei die Betriebsführung und Rechnungslegung der Beklagten laufend durch einen von der Vollversammlung zu bestellenden unabhängigen Prüfer zu überwachen und zu überprüfen. Über das Ergebnis der Prüfung sei der Vollversammlung und dem Vorstand zu berichten. Nach § 1 Abs. 2 der Geschäftsordnung für die Vollversammlung der hätten alle bayerischen Ärzte Zutritt zur Vollversammlung. Der Vorwurf der mangelnden Transparenz sei demzufolge zurückzuweisen. Für den vorliegenden Fall seien auf dem 74. Bayerischen Ärztetag 2015 die Beschlüsse zum Rechnungsabschluss 2014 und die Entlastung des Vorstandes 2014 erfolgt. Die Haushaltsplanung für das Rechnungsjahr 2014 sei auf dem 72. Bayerischen Ärztetag beschlossen worden. Auch die Beiträge zur Bundesärztekammer seien durch die Vollversammlung der Beklagten geprüft, genehmigt und in den öffentlich zugänglichen Informationen zu den Jahresabschlüssen transparent gemacht worden. Der Kläger habe jederzeit die Möglichkeit, sich auf der Homepage der Beklagten über die jeweiligen Jahresabschlüsse zu informieren. Dort würden sowohl die Gewinn- und Verlustrechnungen als auch die Jahresbilanzen veröffentlicht und zum Downloaden zur Verfügung gestellt. Die Beklagte sei darüber hinaus jederzeit bereit, weitere Fragen zur Haushaltsführung und zu sonstigen bilanztechnischen Punkten zu beantworten. Aus den vergangen Jahresabschlüssen 2004 bis 2014 sei zu erkennen, dass die zweckgebundenen Rücklagen in keinem Fall an der vom Bundesverwaltungsgericht postulierten „50% Grenze” lägen, so dass in keinem Fall von einem Verstoß gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit auszugehen sei. Gerade in den letzten Jahren 2013 und 2014 hätten die zweckgebundenen Rücklagen aufgrund der finanziellen Situation der Beklagten bei einer Bilanzsumme von über Mio. EUR bei unter 4 % gelegen. Aber auch in den Jahren davor seien die zweckgebundenen Rücklagen stets an den zu erwartenden Aufwendungen gebildet worden.

Eine wie vom Kläger geforderte Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur „Limburger Erklärung” (8 C 20.09), zur Bildung unangemessener Rücklagen (10 C 6.15) und zur Austrittsforderung aus dem Dachverband komme mangels Vergleichbarkeit nicht in Betracht.

Abschließend verwies die Beklagte auf den Rechtsstreit vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach (Az. AN 4 K 16.00672), der deutlich mache, dass dort wie im vorliegenden Fall verbandspolitische lnteressen des Bundesverbandes für freie Kammern – bffk maßgeblich seien.

Die Beklagte legte ihre Beitragsordnung in der Fassung vom 25.10.2014, ihre Satzung sowie die Geschäftsordnung für die Vollversammlung der, einen Auszug aus dem Wortprotokoll des 72. Bayerischen Ärztetags 2013 sowie die Jahresabschlüsse 2004 bis 2014 vor. Die Jahresabschlüsse 2004 bis 2016 sind zudem auf der lnternetseite der Beklagten (www.XXX.de — wir über uns — Tätigkeitsberichte) abrufbar.

Mit Schreiben vom 01.12.2017 legte die Beklagte auf gerichtliche Anforderung u.a. Unterlagen vom 72. Bayerischen Ärztetag inklusive des Haushaltsplans 2014 sowie den Protokollauszug zu TOP 6 „Änderung der Beitragsordnung” des 73. Bayerischen Ärztetags vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Bescheid vom 07.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klage ist deshalb abzuweisen. Die Beklagte hat den Kläger zu Recht für das Beitragsjahr 2016 zu einem Beitrag in Höhe von EUR veranlagt.

1.1 Rechtsgrundlage des angegriffenen Beitragsbescheids 2016 sind §§ 1, 2, 3, 5 der Beitragsordnung der XXX in der Fassung vom 25.10.2014 (im Folgenden: Beitragsordnung). Die Heranziehung der Mitglieder der ärztlichen Kreisverbände zur Zahlung von Beiträgen nach Maßgabe einer von der Kammer erlassenen Beitragsordnung beruht auf Art 15 Abs. 2 Satz 1 HKaG. Der Kläger ist als Mitglied eines ärztlichen Kreisverbands beitragspflichtig (§ 1 der Beitragsordnung). Der Beitragsbescheid entspricht den Vorgaben der Beitragsordnung. Er fordert vom Kläger einen Beitrag in Höhe von XXX % der Einkünfte aus dem vorletzten Jahr (2014), die Beitragshöhe wurde korrekt berechnet.

1.2 Die Beitragsordnung der Beklagten hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Mitgliedsbeiträge zu den berufsständischen Kammern sind Beiträge im rechtlichen Sinne.

Sie sollen der Abgeltung eines besonderen Vorteils, nämlich des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens dienen und müssen entsprechend bemessen werden (BVerwG, U.v. 26.06.1990, Az. 1 C 45/87, NVwZ 1990, 1167). Die Beitragsordnung ist gerichtlich im Rahmen eines Rechtsstreits über den Beitragsbescheid inzident überprüfbar. Denn die Autonomie der Beklagten zum Erlass der Beitragsordnung besteht nur in den ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen, und es ist Aufgabe der Gerichte, über die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu wachen. Wie weit diese gerichtliche Kontrolle reicht, hängt davon ab, wie eng gezogen die gesetzlichen Grenzen sind (BVerwG, U.v. 09.12.2015, Az. 10 C 6/15, NVwZ 2016, 613, Rdnrn. 14, 16).

a) In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen die Beitragsordnung. Sie wurde vom zuständigen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege am 30.10.2014 genehmigt und im Bayerischen Ärzteblatt 12/2014 veröffentlicht (vgl. § 17 der Satzung der in der Fassung vom 10.10.2009).

b) Auch in materieller Hinsicht begegnet die Beitragsordnung keinen Bedenken. Beim Erlass der Beitragsordnung besitzt die Beklagte einen weiten Gestaltungsspielraum. Der weite Gestaltungsspielraum der Beklagten im Bereich des Haushalts- und Finanzrechts besteht aber nur soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. Neben den spezialgesetzlichen Vorgaben sind die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten (BVerwG, U.v. 09.12.2015, a.a.0., Rdnrn. 14, 16).

Eine spezialgesetzliche Regelung zur Beitragsordnung der Beklagten enthält Art. 15 Abs. 2 HKaG. Dieser regelt, dass die berechtigt ist, zur Erfüllung ihrer Aufgaben von allen Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände Beiträge zu erheben. Die Höhe der Beiträge wird in einer Beitragsordnung festgesetzt, die von der zu erlassen ist und der Genehmigung des Staatsministeriums bedarf. Vergleichbare differenzierte Vorgaben, wie sie das Recht der Industrie und Handelskammern kennt (vgl. § 3 Abs. 2 und 7 a IHKG) existieren für die Beitragsordnung der Beklagten nicht. Auch hat die Beklagte kein Finanzstatut, das bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsordnung zu berücksichtigen wäre.

Die Beitragsordnung ist daher anhand der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts zu überprüfen. Die bundesrechtlichen Maßstäbe, die für die Beitragserhebung durch öffentlich-rechtliche Berufsorganisationen gelten, sind das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz (BVerwG, B.v. 25.07.1989, Az. 1 B 109/89, juris; BVerwG, U.v. 10.09.1974, Az. I C 48.70, DÖV 1975, 647). Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verpflichtet die Beklagte, ihre Kosten möglichst gleichmäßig und gerecht auf die Kammerangehörigen zu verteilen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragsordnung der Beklagten hiergegen verstoßen könnte, sind nicht ersichtlich. Aus dem Äquivalenzprinzip folgt, dass die Kammerbeiträge ihrer Höhe nach in keinem Missverhältnis zu dem Wert der Mitgliedschaft bei einem ärztlichen Berufsverband stehen dürfen. Die Beiträge dürfen die Kammerangehörigen nicht schlechthin belasten, etwa wegen unnötigen Kammeraufwands (BVerwG, U.v. 10.09.1974, a.a.0.). Die in Art. 2 Abs. 1 HKaG aufgeführten und im Interesse der Mitglieder liegenden Tätigkeiten der Beklagten – Wahrnehmung der beruflichen Belange der Ärzte, Überwachung der Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten, Förderung der ärztlichen Fortbildung, Schaffung sozialer Einrichtungen für Ärzte und deren Angehörige sowie Mitwirkung in der öffentlichen Gesundheitspflege – stellen dabei die Gegenleistung zum Kammerbeitrag dar. Die Höhe der in der Beitragsordnung festgelegten Beiträge muss die zu erwartenden Aufgaben der Beklagten decken, darf aber nicht zu einer Vermögensbildung bei der Beklagten führen (BVerwG, U.v. 26.06.1990, a.a.0.). Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt auch das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dies bedeutet, dass Prognosen aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen müssen (BVerfG, U.v. 09.07.2007, Az. 2 BvF 1/04, NVwZ 2007, 1405; BVerwG, U.v. 09.12.2015, a.a.0.1Rdnr. 16; VGH BW, U.v. 02.11.2016, Az. 6 S 1261/14, juris, Rdnr. 30).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beitragsordnung der Beklagten nicht zu beanstanden. Der angegriffene Beitragsbescheid 2016 beruht auf der Beitragsordnung in der Fassung vom 25.10.2014, in Kraft seit dem 01.01.2015. Maßgeblich sind daher zunächst die Haushaltszahlen der Beklagten, die der Beschlussfassung des Bayerischen Ärztetags am 25.10.2014 zugrunde lagen.

Bei der Betrachtung der Haushaltszahlen ist zu beachten, dass das grundsätzliche Verbot der Vermögensbildung die Bildung von Rücklagen nicht ausschließt, sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit bindet. Rücklagen dienen dazu, zukünftigen Finanzierungsbedarf und Handlungsbedarf abzusichern, sie sind für eine geordnete Haushaltführung erforderlich (BVerwG, U.v. 09.12.2015, a.a.O., Rdnr. 17).

Die Bilanz zum 31.12.2013 sieht zweckgebundene Rücklagen in Höhe von XXX EUR und die Bilanz zum 31.12.2014 zweckgebundene Rücklagen in Höhe von XXX EUR vor.

Ausweislich des Wortprotokolls zu TOP 6 des 73. Bayerischen Ärztetags „Änderung der Beitragsordnung der in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 12.10.2008″ (BI. 106 ff der Gerichtsakte) wurde die Haushaltssituation 2014 dem für den Erlass der Beitragsordnung zuständigen Gremium, der Vollversammlung (§ 4 der Satzung der XXX vom 10.10.2009), vor der Abstimmung detailliert vorgestellt. Es wurde hierzu erläutert, dass die Rücklagen weitgehend abgeschmolzen seien, was politisch so gewollt sei.

Kerngedanke der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rücklagenbildung bei Industrie- und Handelskammern ist, dass die Rücklagen von sachgerechten und vertretbaren Anhaltspunkten getragen sein müssen und nicht willkürlich erfolgen dürfen. Diese Gefahr besteht bei zweckgebundenen Rücklagen nicht in gleicher Weise wie bei einer allgemeinen Rücklage. Die Rücklagen in der Haushaltssituation 2014 sind zweckgebunden, sie wurden u.a. für den Hilfsfonds, die Delegiertenwahl oder den Deutschen Ärztetag in Bayern gebildet und sind damit nach ihrem Zweck nachvollziehbar. Sie sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Gemessen an den Gesamtausgaben in Höhe von XXX EUR (Gewinn- und Verlustrechnung 01.01. bis 31.12.2013) und XXX EUR (Haushaltsplan 2014) bzw. XXX EUR (Gewinn- und Verlustrechnung 01.01. bis 31.12.2014) betragen die zweckgebundenen Rücklagen weniger als XXX % der Gesamtausgaben. Eine unverhältnismäßige Rücklagenbildung ist darin nicht zu erkennen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 09.12.2015 für den Bereich der Industrie- und Handelskammern Rücklagen in Höhe von 50 % der fortdauernden Ausgaben bzw. der Betriebsaufwendungen als zu hoch angesehen. Abgesehen davon, dass diese Grenze hier mangels Rechtsgrundlage nicht greift, wäre sie bei weitem unterschritten.

Vor dem Hintergrund des Gebots der Schätzgenauigkeit sind die von der Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Änderung der Beitragsordnung eingestellten Rücklagen sowohl sachgerecht als auch vertretbar.

Der Einwand des Klägers, es sei auf das Reinvermögen der Beklagten abzustellen, das mit EUR (2014) zu hoch und damit eine Beitragserhebung auf der Grundlage der Beitragsordnung nicht zulässig sei, geht fehl. Bilanztechnisch gesehen ist das Reinvermögen eine reine Rechnungsgröße. Es ist die Restgröße zwischen dem Bruttovermögen und den Schulden (BVerwG, U.v. 30.06.2011, Az. 5 C 23.10, Rdnr. 10). Zur Beantwortung der im Rahmen der Beitragsstreitigkeit maßgeblichen Frage, ob die Beklagte in unzulässiger Weise Vermögen angehäuft hat, ist die Betrachtung des Reinvermögens ungeeignet.

Die Beitragsordnung der Beklagten ist durch ihre finanzielle Entwicklung in den Jahren 2014 bis 2016 auch nicht rechtswidrig geworden. Die spezialgesetzlichen Regelungen sehen keine Pflicht einer jährlichen Anpassung der Beitragsordnung vor. Anders ist dies bei § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, der bestimmt, dass der der Beitragsordnung der Industrie- und Handelskammern zugrundeliegende Wirtschaftsplan jährlich aufzustellen ist. Allerdings ist es der Beklagten unbenommen, die Beiträge jederzeit durch eine Änderung der Beitragsordnung zu erhöhen oder zu senken und sie damit den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Zuletzt ist dies durch Beschluss der Vollversammlung auf dem 73. Bayerischen Ärztetag 2014 geschehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit im Rahmen einer Anfechtungsklage ist der Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Verwaltungsakts. Daher ist zu prüfen, ob die Beitragsordnung im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 07.06.2016 rechtmäßig war.

Die maßgeblichen Haushalts- und Jahresabschlusszahlen wurden von der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.12.2017 mitgeteilt und sind auf der Internetseite der Beklagten detailliert einsehbar. Maßgeblich sind die Bilanz zum 31.12.2015, die Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.12.2015 sowie der Haushaltsplan 2016. Die Gewinn- und Verlustrechnung zum 31.12.2015 sieht Gesamtausgaben in Hohe von EUR bei Einnahmen in Höhe von XXX EUR vor und damit einen Jahresüberschuss in Höhe EUR. Hiervon erfolgten Einstellungen in die zweckgebundenen Rücklagen, für die die Bilanz zum 31.12.2015 insgesamt eine Höhe von EUR vorsieht (XXX % des Gesamthaushalts in Höhe von XXX EUR). Aus der Gewinn- und Verlustrechnung vom 01.01. bis zum 31.12.2016 ergibt sich, dass die Beklagte eine Betriebsmittelrücklage in Höhe von XXX EUR vorgesehen hat, die laut Aussage der Beklagten in der mündlichen Verhandlung mittlerweile auf XXX EUR erhöht wurde. Die Beitragsordnung der Beklagten ist auch unter Berücksichtigung dieser Betriebsmittelrücklage entgegen der Ansicht der Klägerseite nicht rechtswidrig (geworden), weil die neue Betriebsmittelrücklage – wie die anderen zweckgebundenen Rücklagen der Beklagten – einem zulässigen sachlichen Zweck dient und nicht unangemessen hoch ist. Die Beklagte führte hierzu in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2017 aus, dass die Betriebsmittelrücklage Zahlungsengpässen vorbeugen soll, wie sie sich Ende 2014 eingestellt hätten. lnsbesondere wegen Sanierungsmaßnahmen bei lmmobilien und der Finanzierung von Weiterbildungen seien die Rücklagen Ende 2014 aufgebraucht gewesen. Die Beklagte habe Probleme gehabt, ihren finanziellen Verpflichtungen für das erste Drittel 2015 nachzukommen. Um diese Situation künftig zu vermeiden, sei die Betriebsmittelrücklage eingeführt worden. In dieser Hinsicht hatten sich auch der Präsident der Beklagten und der Vorsitzende des Finanzausschusses der Beklagten im Rahmen des TOP 6 des 73. Bayerischen Ärztetags geäußert (vgl. Bl. 106 ff der Gerichtsakte). Die Rücklage dient damit der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne lnanspruchnahme von Krediten und ist sachgerecht. Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen zulässigen sachlichen Zweck dar. Das Maß der Rücklage muss von diesem Zweck gedeckt sein, eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen (BVerwG, U.v. 09.12.2015, a.a.O., Rdnr. 18). Die Betriebsmittelrücklage wurde zunächst mit XXX EUR eingestellt, später dann auf erhöht. Bei einem Gesamthaushalt von XXX EUR (2015 – im Jahr 2016 auf XXX EUR angestiegen) macht sie XXX EUR bzw. XXX % des Gesamthaushalts aus und ist damit nicht unangemessen hoch. Auf die Frage, wann die Betriebsmittelrücklage in welcher Höhe und für welchen Zeitraum beschlossen wurde, kommt es nach den obigen Ausführungen nicht mehr an.

Der Beitrag der zur Bundesärztekammer begründet ebenfalls nicht die Rechtswidrigkeit der Beitragsordnung und damit des Beitragsbescheids 2016. Der Kläger trägt vor, er unterstütze indirekt eine unzulässige Vermögensbildung bei der Bundesärztekammer, weil die Beklagte einen Betrag von knapp EUR jährlich an die Bundesärztekammer zahle, einer Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern. Mit seinem Einwand macht der Kläger geltend, die Beklagte verfolge mit den Zahlungen an die Bundesärztekammer einen unzulässigen Zweck, er wendet sich damit gegen eine bestimmte Tätigkeit der Kammer. Gleiches gilt für den Einwand des Klägers in der mündlichen Verhandlung, die Kosten, die die Beklagte für das Präsidium aufwende, seien mit ca. XXX EUR jährlich unverhältnismäßig hoch.

Pflichtmitglieder einer Kammer können die Zahlung der Beiträge nicht mit der Begründung verweigern, die Kammer überschreite ihren Aufgabenbereich. Der Beitrag besteht nämlich nicht aus einzelnen Teilbeträgen für bestimmte Aufgaben oder Aufwendungen der Kammer, sondern durch ihn soll vielmehr ihre gesamte Tätigkeit finanziert werden. Der Kammerbeitrag kann daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden, auch wenn in der Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten darin die einzelnen Ausgabenansätze enthalten sind (BVerwG, U.v. 09.12.2015, a.a.O; OVG NRW, B.v. 22.09.2008, Az. 5 A 346/06, Rdnrn. 17 ff, juris m.w.N.; BayVGH, B.v. 04.09.2012, Az. 22 ZB 11.1007, Rdnr. 27, juris). Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Beitrag des Klägers nach Anteilen zur Finanzierung rechtmäßiger und (vermeintlich) rechtswidriger Tätigkeiten der Beklagten aufspalten ließe. Eine unzulässige Verkürzung des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes ist damit nicht verbunden. Gegen die Wahrnehmung und Fortsetzung aufgabenfremder Tätigkeiten durch die Kammer können sich Kammermitglieder unmittelbar im Klageweg wenden. Sie können jedoch nicht mit dieser Begründung die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern (BVerwG, U.v. 09.12.2015, a.a.0; OVG NRW, B.v. 22.02.2008, a.a.O.). Hinzu kommt, dass sowohl die Aufwendungen für die Bundesärztekammer als auch die Aufwendungen für das Präsidium einfachgesetzlich vorgesehen sind (vgl. § 8 der Satzung der Bundesärztekammer 2014 und § 15 der Satzung der vom 10.10.2009).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung [ … ]

Unterschrift/en