OLG Schleswig, Urteil vom 11.02.2016 – 11 U 63/15

Aktenzeichen 11 U 63/15

Oberlandesgericht Schleswig

Im Namen des Volkes

Urteil

Die Berufung des Verfügungsbeklagten und die Anschlussberufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 21.05.2015 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu 54% und der Verfügungsbeklagte zu 46 % zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 13.700 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Änderung von Kostenentscheidungen, die im Verlauf eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ergangen sind.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin verbot das Landgericht dem Verfügungsbeklagten im Beschlusswege per einstweiliger Verfügung den Abriss einer Garage. Nach Widerspruch des Verfügungsbeklagten bestätigte das Landgericht durch Urteil diese einstweilige Verfügung und belastete den Verfügungsbeklagten mit den weiteren Kosten. Der Verfügungsbeklagte legte hiergegen zunächst Berufung ein, nahm die Berufung aber später zurück, so dass ihm auch die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wurden. Rund zwei Monate später beantragte der Verfügungsbeklagte, den Hauptsachetenor der einstweiligen Verfügung nach § 927 ZPO zu ändern und das Verbot teilweise aufzuheben, weil er inzwischen zur Errichtung einer Stützmauer bereit sei. Dieser Antrag wurde durch Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Die Berufung des Verfügungsbeklagten hiergegen wurde durch Versäumnisurteil des Senats zurückgewiesen.

Eine entsprechende Hauptsacheklage der Verfügungsklägerin wurde erstinstanzlich durch das Landgericht abgewiesen. Nachdem die Verfügungsklägerin hiergegen Berufung eingelegt hatte, erklärte sie die Hauptsacheklage für erledigt. Der Verfügungsbeklagte schloss sich der Erledigterklärung nicht an. Die Berufung der Verfügungsklägerin wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch von Anfang an nicht zugestanden habe.

Die Klägerin verzichtete mit Schreiben vom 06.02.2015 gegenüber dem Verfügungsbeklagten auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Verfügungsbeklagte verlangt nunmehr in einem weiteren Verfahren nach § 927 ZPO die Änderung sämtlicher im einstweiligen Verfügungsverfahren zu seinen Lasten ergangenen Kostenentscheidungen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht diesem Verlangen teilweise entsprochen und die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens und des Berufungsverfahrens der Verfügungsklägerin auferlegt. Den Antrag des Verfügungsbeklagten auf Änderung der Kostenentscheidungen im ersten Abänderungsverfahren hat es dagegen zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Verfügungsbeklagte mit der Berufung. Er ist der Ansicht, dass die im Abänderungsverfahren nach § 927 ZPO zu treffende Kostenentscheidung die gesamten Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens einschließlich des ersten Abänderungsverfahrens zu umfassen habe. Er habe sonst unabhängig von der materiellen Rechtslage keine Möglichkeit, einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Veranlasser des einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend zu machen. Diese Kosten seien kein Vollziehungsschaden im Sinne des § 945 ZPO, da sie nicht durch die Vollziehung, sondern durch die Anordnung der einstweiligen Maßnahme entstanden seien. Wenn er keine Abänderung der Kostenentscheidungen des einstweiligen Verfügungsverfahrens erreichen könne, bestehe eine Rechtsschutzlücke. Um sich nicht dem Vorwurf des Mitverschuldens auszusetzen, habe er aussichtsreiche Rechtsbehelfe wie das erste Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO einlegen müssen. Seine Bereitschaft, eine provisorische Stützwand zu errichten, habe einen veränderten Umstand im Sinne des § 927 ZPO dargestellt.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

das Urteil des Landgericht Flensburg vom 21.05.2015 dahingehend abzuändern, dass neben den im Tenor des landgerichtlichen Urteils genannten Kostenentscheidungen auch die Kostenentscheidungen im Urteil des Landgerichts Flensburg vom 18.11.2011, Az. 5 O 14/11 und im Versäumnisurteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 23.10.2012, Az. 11 U 178/11, dahingehend abgeändert werden, dass die in den dortigen Entscheidungen titulierten Kosten, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, ebenfalls der Verfügungsklägerin auferlegt werden,

sowie

die Anschlussberufung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung des Verfügungsbeklagten zurückzuweisen,

sowie im Wege der Anschlussberufung

das angefochtene Urteil zu ändern und den Aufhebungsantrag des Verfügungsbeklagten vollständig abzuweisen.

Die Verfügungsklägerin verteidigt das Urteil, soweit der Antrag des Verfügungsbeklagten zurückgewiesen worden ist. Der erste Aufhebungsantrag sei evident aussichtslos gewesen.

Zur Begründung ihrer Anschlussberufung macht sie geltend, dass Kostenentscheidungen allein nicht Gegenstand des Verfahrens gemäß § 927 ZPO sein könnten. Kosten für erfolglos eingelegte Rechtsmittel gehörten nicht zu den Kosten des Anordnungsverfahrens. Es gehe bei den auf die Kostenentscheidung der einstweiligen Anordnungsfahren beschränkten Aufhebungsverfahren um nichts anderes als Schadensersatz. Damit griffen die Grundsätze des § 254 BGB ein.

Das Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO sei auch nicht deshalb eröffnet, weil die Hauptsacheklage rechtskräftig abgewiesen worden sei. Erforderlich sei eine Entscheidung, in der materiell rechtskräftig das Nichtbestehen des Verfügungsanspruchs festgestellt werde. Daran fehle es aber, weil der Hauptsacheanspruch schon aufgrund der Erledigungserklärung nicht mehr geltend gemacht worden sei.

 

II.

Berufung und Anschlussberufung haben keinen Erfolg.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zutreffend nur einen Teil der Kostenentscheidungen aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren abgeändert.

Ein Aufhebungsverfahren nach §§ 936, 927 ZPO mit dem Ziel der Abänderung von Kostenentscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren ist zulässig. Das Verfahren führt zur Abänderung der ergangenen Kostenentscheidungen einschließlich der des Berufungsverfahrens, nicht dagegen der des ersten Abänderungsverfahrens.

 

1.

Das Aufhebungsverfahren nach §§ 936, 927 ZPO ist beschränkt auf die Kostenentscheidung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zulässig. Grundsätzlich ist zwar die selbstständige Anfechtung von Kostenentscheidungen nicht möglich (vgl. § 99 Abs. 1 ZPO). Wenn aber in einem Hauptsacheverfahren festgestellt worden ist, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht gerechtfertigt war, kann über die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Verfügung auf Antrag zu Ungunsten des Verfügungsgläubigers entschieden werden. Daran besteht ein Rechtsschutzinteresse selbst dann, wenn auf einen Titel verzichtet worden und dieser herausgegeben worden ist, so dass nur noch die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens im Streit stehen (vgl. BGHZ 122, 172 – 180, Juris Rn. 27; OLG Schleswig, NJW – RR 1995, 896; OLG Saarbrücken, OLGR Saarbrücken 2009, 708 – 711; Drescher, Münchner Kommentar ZPO, 4. Aufl. 2012, § 927 Rn. 17 m. w. Nachw.). Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung nach § 927 ZPO ergibt sich insbesondere deshalb, weil eine Schadensersatzverpflichtung nach § 945 ZPO nicht zur Verfügung steht. Diese ermöglicht allein die Geltendmachung von Schäden, die aus der Vollziehung der einstweiligen Verfügung entstanden sind. Die Kosten im einstweiligen Verfügungsverfahren selbst stammen aber nicht aus dessen Vollziehung.

 

2.

Die Voraussetzungen für die Abänderung des Kostenausspruchs als eines Teils der Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren liegen vor.

Grundsätzlich bezieht sich der Kostenausspruch im Aufhebungsverfahren zwar nur auf die in diesem Verfahren entstandenen Kosten und lässt die Kostenentscheidung des Anordnungsverfahrens unberührt. Vom Grundsatz der kostenmäßigen Selbstständigkeit von Anordnungs- und Aufhebungsverfahren sind in der Rechtsprechung aber Ausnahmen anerkannt, wenn die Hauptsacheklage rechtskräftig als von Anfang an unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. BGHZ 122 a. a. O.). Die rechtskräftige Feststellung, dass die einstweilige Verfügung von Anfang an unberechtigt war, ist erfolgt. Der Senat hat im Hauptsacheverfahren in seinem Urteil vom 23.09.2014, Az. 11 U 123/13, entschieden, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von Anfang an unbegründet war. Zwar hat der Senat auf der Grundlage einer einseitigen Erledigterklärung der Verfügungsklägerin in der Hauptsache entschieden. Die einseitige Erledigterklärung wirkt aber als Antrag auf Feststellung, dass die Hauptsache erledigt ist (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 91 a Rn. 32; BGH NJW 2008, 2580- 2581, Juris Rn. 10). Wird die soweit geänderte Klage abgewiesen, erwächst die Feststellung in Rechtskraft, dass die Klage von Anfang an unzulässig oder unbegründet war, wobei die Gründe ergeben, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft (vgl. Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., 2015, § 91 a Rn. 46). Ausweislich der Gründe des Urteils vom 23.09.2014 hat der Senat festgestellt, dass der ursprünglich gestellte Klageantrag der Verfügungsklägerin, dem Verfügungsbeklagten den Abriss der auf seinem Grundstück befindlichen Garage zu untersagen, von Anfang an unbegründet war (Seite 7 des Urteils). Diese Entscheidung erwächst in Rechtskraft und bindet den Senat auch im jetzigen Abänderungsverfahren.

 

a)

Zu den demnach zu ändernden Kostenentscheidungen gehört auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens (also des Verfahrens über die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen die Bestätigung der einstweiligen Verfügung). An der Belastung mit diesen Kosten trägt der Verfügungsbeklagte insbesondere keine Mitschuld im Sinne des § 254 BGB. Zwar hat der Verfügungsbeklagte seine Berufung nicht begründet und später zurückgenommen und wurde nach § 516 Abs. 2 ZPO deshalb – also wegen dieser Rücknahme – mit den Kosten belastet. Dem Verfügungsbeklagten ist aber nicht vorzuwerfen, dass er, nachdem die Verfügungsklägerin zuvor am 14.03.2011 ihre Hauptsacheklage erhoben hatte, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten wollte und zur Verringerung des Kostenrisikos seine Berufung zurücknahm. Immerhin war der damalige Rechtsstandpunkt der Verfügungsklägerin nicht unvertretbar, dies zeigt ihr erstinstanzlicher Erfolg im einstweiligen Verfügungsverfahren.

 

b)

Die Berufung des Verfügungsbeklagten hat letztlich aber keinen Erfolg, weil die Entscheidung über die Kosten des ersten von ihm betriebenen Änderungsverfahrens nicht zu den Kostenentscheidungen gehört, deren Änderung der Verfügungsbeklagte jetzt nach § 927 ZPO verlangen kann. Entscheidend ist dabei, dass der erste Änderungsantrag nur dann erfolgreich sein konnte, wenn sich nachträglich, also nach Erlass der einstweiligen Verfügung etwas geändert hatte. Die Entscheidung, dass dies nicht der Fall war und deshalb der Verfügungsbeklagte die durch den Antrag ausgelösten Kosten zu tragen hat, kann auch dann richtig gewesen sein, wenn es – wie sich später im Hauptsacheverfahren gezeigt hat – von Anfang an gar keinen Verfügungsanspruch gab. Die Frage der ursprünglichen Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung wird im Verfahren nach § 927 ZPO nämlich nicht geprüft (vgl. Zöller/Vollkommer, 31. Aufl., § 927 ZPO Rn. 1). Dies rechtfertigt es, bei dem Grundsatz zu bleiben, dass das Aufhebungsverfahren gegenüber dem Anordnungsverfahren kostenmäßig selbstständig ist (vgl. Zöller/Vollkommer a. a. O., Rn. 12). Wenn im ersten Aufhebungsverfahren entschieden wurde, dass sich die Umstände nicht im maßgeblichen Sinne verändert haben, spricht nichts dafür, auch die Kosten für dieses Verfahren später der Verfügungsklägerin aufzuerlegen, die ja diese Kosten nicht veranlasst hat. Insofern liegen die Dinge bei den Kostenentscheidungen im eigentlichen Verfügungsverfahren anders. Die im Hauptsacheverfahren getroffene Feststellung, dass es nie einen Verfügungsanspruch gab, nimmt auch den Kostenentscheidungen des einstweiligen Verfügungsverfahrens ihre Richtigkeit, das Bestehen des Verfügungsanspruchs ist notwendige Bedingung sowohl des Verfügungsverfahrens als auch des Hauptsacheverfahrens.

 

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für die Berufung beträgt bis 6.300 €, für die Anschlussberufung bis 7.400 €, insgesamt 13.700 €.

 

4.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden.

Gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO findet die Revision gegen Urteile, durch die über die Abänderung einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, nicht statt (vgl. Drescher, Münchener Kommentar ZPO, 4. Aufl. 2012, § 927 ZPO, Rn. 15). Die Revision würde auch durch ihre Zulassung nicht statthaft (vgl. Ball in Musielak/Voit ZPO, 12. Auflage 2015, § 542 ZPO Rn. 5).

Unterschrift/en