OLG Dresden, Beschluss vom 10.11.2016 – 21 WF 719/16

Aktenzeichen: 21 WF 719/16

Oberlandesgericht

Dresden

Beschluss

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Meißen vom 23. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Der Antragsteller stützt sein Rechtsmittel (allein) darauf, dass im Rahmen der Abänderung des Versäumnisbeschlusses vom 22.12.2010 seiner Ansicht nach die damaligen fiktiven Verhältnisse mit den jetzigen tatsächlichen Verhältnissen zu vergleichen seien. Dies kann seiner Beschwerde – ungeachtet der vom Familiengericht weiter festgestellten Zulässigkeitsmängel der von ihm erhobenen Anträge – nicht zum Erfolg verhelfen.

Das Familiengericht ist zu Recht unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 12.05.2010 (NJW 2010, 2437 = FamRZ 2010, 1150) davon ausgegangen, dass eine Abänderung nur dann und auch nur insoweit in Betracht kommt, als sich die im Zeitpunkt des Erlasses des Versäumnisbeschlusses vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben (vgl. hierzu auch Johannsen / Henrich / Brudermüller, Familienrecht, 6. Aufl., § 238 FamFG Rn. 100 mit Übersicht zum Meinungsstand). Dagegen würde ein Abstellen auf die vom Schuldner im Versäumnisverfahren zugestandenen Tatsachen als Maßstab für wesentliche Änderungen häufig bedeuten, dass der durch einen Versäumnisbeschluss verpflichtete Unterhaltsschuldner jederzeit ein Abänderungsverfahren anstrengen könnte. Der Abänderungsantrag würde regelmäßig zur einer „Totalrevision“ und damit zu einer Korrektur von Fehlern des rechtskräftig gewordenen Versäumnisbeschlusses führen. Das würde aber dem Gedanken der Rechtskraft und der daraus folgenden Präklusion nicht rechtzeitig vorgetragener Umstände widersprechen. Wie bei einem streitigen Beschluss können Versäumnisse in dem Ausgangsverfahren auch im Falle eines Versäumnisbeschlusses nicht später im Wege der Abänderung korrigiert werden (vgl. BGH, a.a.O.; Margraf in Koch, Handbuch des Unterhaltsrechts, 12. Aufl., Rn. 7311; Unterhaltsprozess / Roßmann, Kap. 3 Rn. 1555). Unabhängig hiervon können je nach Ausgangspunkt nur entweder die jetzigen tatsächlichen Verhältnisse mit den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der Versäumnisentscheidung oder die jeweiligen fiktiven Verhältnisse zu beiden Zeitpunkten vergleichen werden. Hingegen ist es ausgeschlossen, die Änderung aus einem Vergleich der damaligen fiktiven mit den jetzigen Verhältnissen herzuleiten. Der Abänderungsantrag würde dann an § 238 Abs. 2 FamFG scheitern (vgl. hierzu Johannsen / Henrich / Brudermüller, Familienrecht, 6. Aufl., § 238 FamFG Rnn. 70 und 100).

Bereits das Familiengericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller eine wesentliche Änderung der bei Erlass des Versäumnisbeschlusses tatsächlich vorliegenden Verhältnisse nicht behauptet hat. Vielmehr hat sich sein damaliges Erwerbseinkommen von 630,00 EUR auf nunmehr 846,36 EUR erhöht. Es liegt damit – ebenso wie zum Zeitpunkt der Versäumnisentscheidung – unter dem notwendigen Selbstbehalt für Erwerbstätige, sodass auch die zwischenzeitliche Erhöhung der Selbstbehaltssätze keinen Abänderungsgrund darstellt. Der Antragsteller hätte schon im Ausgangsverfahren, spätestens aber mit einem Einspruch gegen den Versäumnisbeschluss vortragen können, dass er das ihm fiktiv zugerechnete Nettoeinkommen von 1.192,00 EUR aus einer Tätigkeit als Bürokaufmann mangels einer abgeschlossenen Berufsausbildung nicht erzielen könne. Sein Abänderungsantrag erweist sich hiernach schon als unzulässig.

Ob die Rechtskraft des Versäumnisbeschlusses „auf ewig“ auch dann zu beachten wäre, wenn neben einem gewissen Zeitablauf zusätzliche Gesichtspunkte vorlägen, die bei Würdigung aller Umstände, insbesondere der mit der Zeitdauer wachsenden Belastung des Antragstellers und des Verhaltens des Unterhaltsgläubigers, das unveränderte Fortbestehen der unbefristet titulierten Unterhaltsverpflichtung als grob unbillig erscheinen ließen (vgl. hierzu Graba, FamRZ 2010, 1153), bedarf keiner Entscheidung. Denn solche zusätzlichen Gesichtspunkte sind hier nicht gegeben. Der Antragsgegner zu 1. hat nämlich Unterhaltsvorschussleistungen lediglich bis November 2011 erbracht und erklärt, dass er nur bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufene Unterhaltsrückstände gegen den Antragsteller geltend machen werde.

 

Unterschrift/en