Stellvertretender Datenschutzbeauftragter – Kündigungsschutz nach BDSG (BAG, Urt. v. 27.06.2017– 2 AZR 812/16)

Auch ein „stellvertretender“ Datenschutzbeauftragter genießt Sonderkündigungsschutz nach § 4f Absatz 3 Satz 5 und 6 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), wenn er von einer Stelle berufen wurde, die der Bestellpflicht nach § 4f Absatz 1 BDSG unterliegt. So entschied das BAG in seinem Urteil vom 27.06.2017 (2 AZR 812/16).

Der Kläger wurde von der Beklagten, einer Betriebskrankenkasse in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, für die Zeit vom 01.08.2014 bis zum 01.02.2015 zum „Stellvertretenden Datenschutzbeauftragten“ bestellt. Die Bestellung zum „Stellvertretenden Datenschutzbeauftragten“ erfolgte anlässlich einer längerfristigen Erkrankung der bereits von der Beklagten bestellten Datenschutzbeauftragten. Während der Bestellung nahm der Kläger Datenschutzaufgaben wahr. Im März 2015 beauftragte die Beklagte einen externen Datenschutzbeauftragten, nachdem sie mit der ursprünglich bestellten Datenschutzbeauftragten einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatte. Am 01.10.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 31.10.2015. Der Kläger erhob gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht und berief sich auf einen zumindest nachwirkenden Kündigungsschutz gem. § 4f Absatz 3 Satz 6 BDSG aufgrund seiner ehemaligen Eigenschaft als „Stellvertretender Datenschutzbeauftragter“. Die Kündigung hätte daher nur aus wichtigem Grund erfolgen dürfen. Die Beklagte war der Auffassung, die Bestellung des „Stellvertretenden Datenschutzbeauftragten“ sei freiwillig erfolgt, daher bestehe kein Sonderkündigungsschutz nach § 4f Absatz 3 Satz 5 BDSG. Auch der Sonderkündigungsschutz nach § 4f Absatz 3 Satz 6 BDSG komme nicht in Betracht, da der Kläger nicht „abberufen“ wurde, sondern die Bestellung aufgrund des Ablaufs der Befristung endete. Das Arbeitsgericht gab dem Kläger Recht und der Kündigungsschutzklage statt. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein und verlor auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht. Schließlich legte die Beklagte Revision beim BAG ein.
Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Revision zurück. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung war aufgrund des Sonderkündigungsschutzes des Klägers unwirksam. Die Kündigung ist gemäß § 134 BGB nichtig. Es kann nach der Entscheidung des BAG dahin stehen, ob der Kläger auch noch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung Datenschutzbeauftragter war und der besondere Kündigungsschutz nach § 4f Absatz 3 Satz 5 BDSG gelte. Jedenfalls genoss der Kläger den nachwirkenden Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f Absatz 3 Satz 6 BDSG. Der Kläger gehört zum von § 4f Absatz 3 Satz 5, 6 BDSG geschützten Personenkreis, auch als „Stellvertretender Datenschutzbeauftragter“. Sofern eine Stelle, für die eine Bestellpflicht nach § 4f Abs. 1 BDSG gilt, mehrere Datenschutzbeauftragte beruft, genießen alle den Sonderkündigungsschutz nach § 4f Absatz 3 Satz 5 BDSG. Unbeachtlich ist dabei, ob die Berufung jedes einzelnen Datenschutzbeauftragten erforderlich war. Entscheidend ist allein der Wortlaut des § 4f Absatz 3 Satz 5 BDSG, der an die grundsätzliche allgemeine Bestellpflicht der verantwortlichen Stelle anknüpft. Die Beklagte hatte eine solche allgemeine Bestellpflicht. Insbesondere handelte es sich nach Auffassung des BAG bei dem Kläger nicht um eine Hilfsperson der Datenschutzbeauftragten gem. § 4f Absatz 5 Satz 1 BDSG. Der Kläger sollte –wenngleich zeitlich begrenzt – die Aufgaben der bereits bestellten Datenschutzbeauftragten eigenverantwortlich und weisungsfrei wahrnehmen. Auch Bedenken aufgrund einer möglichen Kompetenzüberschneidung zwischen dem Kläger und der bereits bestellten Datenschutzbeauftragten bestehen in diesem Fall nicht. Die bereits bestellte innerbetriebliche Datenschutzbeauftragte war – nicht nur kurzfristig – krankheitsbedingt abwesend. Die Bestellung zum „Stellvertretenden Datenschutzbeauftragten erfolgte auch formgerecht. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Bestellung des Klägers als Datenschutzbeauftragter lagen unstreitig vor.
Der Kläger konnte sich jedenfalls auf den nachwirkenden Sonderkündigungsschutz nach § 4f Absatz 3 Satz 6 BDSG berufen. Die Frage der Wirksamkeit der Befristung der Bestellung zum „Stellvertretenden Datenschutzbeauftragten“ musste durch das BAG nicht geklärt werden. Selbst wenn die Befristung unwirksam wäre, hätte dies nicht die Unwirksamkeit der Bestellung zur Folge. Stattdessen wäre der Kläger über das unwirksame Befristungsende hinaus noch bestellter Datenschutzbeauftragter und könnte sich auf den Sonderkündigungsschutz nach § 4f Absatz 3 Satz 5 BDSG berufen. Im Falle einer wirksamen Befristung hingegen gilt für den Kläger der nachwirkende Sonderkündigungsschutz gem. § 4f Absatz 3 Satz 6 BDSG, auf den sich der Kläger hier jedenfalls zu Recht berufen konnte. Dass der Kläger nicht wörtlich „abberufen“ wurde, ist irrelevant. Abberufung im Sinne der Vorschrift ist jede Beendigung des Amtes, „die durch ein Verhalten der verantwortlichen Stelle veranlasst wurde. Hierzu zählt auch die zeitliche Begrenzung der Bestellung zum Datenschutzbeauftragen und die Beendigung des Amtes aufgrund des Zeitablaufs. So verhielt es sich hier. Die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung war daher nichtig gemäß § 134 BGB.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2017 – 2 AZR 812/16

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